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Der erfolgreichste Torschütze in England: Odion Ighalo im Porträt

Viele Tore fielen in der vorigen Saison in der Premier League. Ganze 974 Mal wurde eingenetzt. Sergio Agüero gewann dabei mit 26 Toren die Torjäger-Krone. Harry Kane sorgte als Newcomer mit 21 Toren ebenfalls für viele Treffer. Und auch Chelseas Starstürmer Diego Costa wusste bereits in seiner ersten Saison auf der Insel das Runde ins Eckige zu befördern. Der Brasilianer traf ganze 20 Mal. Diese und viele andere sorgten mit ihren Toren für Schlagzeilen. Doch ein besonderer Spieler steht im Schatten all dieser Stürmer:

Odion Ighalo.

„Odion wer?“, werden sich sicher viele denken. Odion Ighalo spielt bei Premier League-Aufsteiger Watford, verlängerte vor kurzem seinen Vertrag bis 2020 und war maßgeblich am Aufstieg der Hornets beteiligt. Der 26-jährige Nigerianer kam im Sommer 2014 aus Udine über Leihen bei Cesena und Granada zu Watford, und spielte damit bei allen drei Vereinen, die im Besitz der Familie Pozzo sind.

 

Von der Straße in die Premier League: Ighalo im Porträt

Die Geschichte von Odion Ighalo beginnt im Ghetto von Ajegunle in Nigeria. Während seine Mutter rund 17 Stunden am Tag arbeitete und Wasserflaschen verkaufte, spielte der Sohn auf den Bolzplätzen des Viertels. Ohne Schuhe, natürlich Barfuß. Oft ohne Fußball, weshalb meist alte Dosen oder Flaschen herhalten mussten. Tore wurde oft mit Stofffetzen markiert. Die Bolzplätze waren dreckig und voller Glasscherben.

Gefährlich, doch nicht so gefährlich wie der Umstand, dass Drogendealer, wenige Meter entfernt vom Spielfeld dealten. Nicht selten jagte die Polizei mit Kugeln die Dealer, während diese versuchte über den Bolzplatz zu fliehen. Aber auch zu Hause war kein besserer Ort. Viel Kriminalität, keine durchgehender Strom und kein sauberes Trinkwasser. Hinzu kommen die täglichen Geschehnisse auf den Straßen im Ghetto. Kurz gesagt: kein einfaches Leben.


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Seine Mutter setzte alles daran, dass es ihr Sohn besser haben werde und investierte ihr ganzes Geld in Fußballschuhe für ihren Sohn. Wenig später schaffte er auch schon den Sprung zu einem Profiverein in Nigeria. Nachdem sich sein Talent herumsprach wurde er von Scouts aus Norwegen entdeckt.

Von Julius Berger Lagos aus kam der Stürmer im Sommer 2007 über den FK Lyn aus Norwegen nach Europa. Im Alter von nur 18, ohne Verwandte, reiste er nach Skandinavien, nicht einfach für einen Familienmenschen wie Ighalo. Dem Nigerianer war nicht bewusst, was ihn erwartete. „Ich wusste gar nicht, dass es so kalt werden kann“, sagte der Teenager in einem seiner ersten Interviews. Tagelang war er vom Phänomen „Schnee“ fasziniert.

„Alleine in einem fremden Land zu sein hat viel an mir geändert. Meine Freunde nannten mich immer Mamas Liebling. Ich mochte es einfach bei meiner Mutter und meinen Brüdern zu sein. Als ich dort [in Norwegen] alleine war, realisierte ich, dass meine Mutter und mein Vater nicht hier sind. Ich musste hart arbeiten, ich musste selbst etwas aus meinem Leben machen.“

Der Nigerianer hatte trotz seines jungen Alters bereits einiges hinter sich gelassen. Jede Herausforderung, die nun kommen sollte, konnte nicht so schwer sein, wie die Herausforderungen, die er bereits gemeistert hatte. Mit nur 18 Jahren zerschoss der Stürmer die Tippeligaen, die höchste Klasse Norwegens.

Neun Tore aus 20 Spielen standen in Summe auf dem Konto des Youngsters. Erstmals wurden Scouts auf den jungen Afrikaner aufmerksam. Nur ein Jahr später wechselte Odion Ighalo aus dem kalten Norwegen ins wärmere Norditalien. Udinese Calcio verpflichtete den Stürmer im Sommer 2008 für rund 1,9 Millionen Euro. Seine erste Saison verbrachte er noch in Italien, bei seinem neuen Verein und erzielte am letzten Spieltag beim 6:2-Heimsieg gegen Cagliari Calcio sein erstes Tor in der Serie A.

Von da an folgte eine Leihe nach der anderen. So viele, dass man schon fast den Überblick verliert. Im August 2009 wurde der Nigerianer an den FC Granada, der wie Udinese Calcio im Besitz der Familie Pozzo ist, verliehen. Bei den Andalusiern kam er jedoch nicht zum Zug.

Nach einem kurzen Intermezzo in Udine folgte auch schon die nächste Leihe. Dieses Mal musste er das Land nicht verlassen: Cesena sollte für die nächste Monate die neue Heimat des Stürmers werden, jedoch hielt die Leihe nicht lange. Nach nur insgesamt 25 Minuten Spielzeit in drei Einsätzen für die Cavallucci Marini, wie der Verein genannt wird, wurde die Leihe beendet. Mit Dezember 2010 wurde der mittlerweile 21-Jährige erneut verliehen und zurück nach Granada geschickt.

Auf ein Neues. Zwar stand Odion Ighalo nur acht Mal in der Startelf der Südspanier, doch immerhin kam er in der Segunda Division auf 21 Einsätze und vier Torerfolge in der Liga. Unter anderem erzielte er das wichtige Tor zum Aufstieg im Aufstiegs-Playoff gegen Elche, welches 1:1 endete. Nur dank Ighalos Auswärtstor stiegen die Andalusier nach einem 0:0 im Heimspiel gegen Elche in die Primera Division auf. Nach einem deutlich besseren halben Jahr in Spanien wurde sein Leihvertrag bei Granada im Sommer 2011 um zwei weitere Jahre verlängert.

Der Nigerianer fühlte sich sichtlich wohl in Spanien. Nach Startproblemen in der höchsten Liga Spaniens feierte er am 11. Spieltag seinen dritten Einsatz und einen Auswärtssieg bei Sevilla, bei dem er als hängende Spitze beide Tore seiner Mannschaft vorlegte und damit das Spiel drehte, nachdem er 13 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde.. Von da an ging es bergauf für den Stürmer.

Bis auf zwei Spiele stand er bei jedem Spiel seiner Mannschaft auf dem Platz, erzielte am Ende der Saison sechs Tore und machte noch eine weitere Vorlage – zuzüglich zu den beiden Vorlagen in Sevilla – in insgesamt 29 Ligaspielen. Zudem konnte der Abstieg in letzter Sekunde verhindert werden, womit der Stürmer auch im nächsten Jahr mit den Andalusiern in der Primera Division spielte. Die nächste Saison erwies sich jedoch als deutlich schwieriger als die erste.

Vor allem Verletzungsprobleme am Anfang der Saison machten dem Nigerianer zu schaffen. Nach fast drei Monaten kam Ighalo wieder zurück und kam mit jeder Woche öfter und länger zum Einsatz und feierte ab 2013 endlich wieder Torerfolge für Granada. Seine Statistik liest sich ähnlich wie jene im Vorjahr: 28 Einsätze, fünf Tore, drei Vorlagen.

 

Udine, Granada & Watford

Nach zweieinhalb Jahren in Spanien ging es für Odion Ighalo zurück zu seinem Stammverein. Nachdem er trotz erfolgreicher Leihen in Spanien in Italien erneut nur auf der Tribüne saß, wurde der Stürmer ein weiteres Mal verliehen. Bereits vier Jahre als Leihspieler hatte Ighalo hinter sich, wohin würde es wohl in seinem 5. Jahr gehen? – Es führte den Nigerianer zurück nach Andalusien. Zurück in seine zweite Heimat. Granada. Tornare all’ovile („Zurück in die Heimat“), würden die Italiener sagen.

Udinese war glücklich, Granada war glücklich und Odion Ighalo … war es nicht. Er hatte erneut Startprobleme, verletzte sich und seine Mitspieler überholten ihn. Der Trainer war gezwungen, das System von 4-2-3-1 mit einem offensiven Mittelfeld/einer hängenden Spitze, die Rolle die stets Ighalo einnahm, auf 4-3-3 zu ändern. Ighalos Position war nicht mehr vorhanden. Während Brahimi, El Arabi, Buonanotte, Riki und andere aufzeigten, verbrachte der Nigerianer mehr und mehr Zeit auf der Bank.

Am Ende des Jahres kam er auf bloß 16 Ligaeinsätze, 345 Minuten Spielzeit und lediglich zwei Tore. Wenngleich es eine enttäuschende Saison war, so kann Ighalo in Summe auf eine stolze Karriere bei den Spaniern zurückblicken. Obwohl er bei Granada nie fest unter Vertrag stand, kam er er auf mehr als 100 Einsätze und erzielte dabei 21 Tore für die Andalusier.

Doch es sollte seine bisher letzte Saison in Spanien werden. Wie bei bereits vielen seiner Kollegen sollte es auch den Stürmer nach Watford, dem dritten Verein der Familie Pozzo, verschlagen. Aber bereits nach wenigen Tagen der erste Schock: Obwohl man nach fünf Spieltagen auf Platz zwei lag, gab Trainer Beppe Sannino seinen Rücktritt als Trainer bekannt. Die Spieler sollen unzufrieden gewesen sein, Sannino im Verein unbeliebt.

Der Italiener ließ zuvor die Mannschaft in einem 3-5-2 spielen und setzte den Nigerianer erstmals seit Jahren wieder als Stürmer ein, doch Ighalo musste vorerst auf der Bank Platz nehmen. Am 2. September gab der Verein die Bestellung von Oscar Garcia bekannt. Der Spanier war bekannt dafür, bei Brighton stets in einem 4-3-3 spielen zu lassen. Ighalo drohte ein Déjà-vu. Sollte erneut kein Platz im 4-3-3 für den 25-Jährigen sein?

Zwar behielt Garcia das 3-5-2 seines Vorgängers, doch unter der Ägide des Spaniers sah Ighalo nur wenig Land. Der Stürmer hatte jedoch Glück: Oscar Garcia legte sein Amt nach nur drei Wochen nieder, offiziell aufgrund von gesundheitlichen Problemen.

Bis heute sind genaue Informationen über den Rücktritt nicht bekannt. Bereits am nächsten Tag gegen Brentford kam Ighalo unter Interimstrainer Bill McKinlay als Stürmer zum Einsatz und bedankte sich dafür mit seinem ersten Saisontor. Fast zwei Wochen später wurde der neue offizielle Trainer vorgestellt: Ex-Chelsea-Spieler Slavisa Jokanovic übernahm auf Platz drei liegend das Ruder bei den Engländern und unterschrieb einen Vertrag bis ans Saisonende.

Und auch unter der Ägide des Serben erzielte der Nigerianer gleich in seinem ersten Spiel ein Tor. Jokanovic stellte auf ein 4-2-3-1 um, setzte Ighalo aber weiterhin als Stürmer und nicht als hängende Spitze ein. Zusammen mit Forestieri, Vydra und Abdi sorgten die vier Udinese-Leihspieler für viel Gefahr. Ighalo erzielte das 0:1, das Spiel endete 0:3 und bereits nach dem ersten Spiel landeten Jokanovic und Watford auf Platz 1.

Jokanovic outete sich als großer Fan von Odion Ighalo und förderte das Talent des 25-Jährigen. Der Trainer setzte alles daran den Stürmer in England zu halten. Ende Oktober lief sein Vertrag bei Udinese Calcio aus er und unterschrieb bei den Hornets einen Vertrag bis 2017.

Der Nigerianer wurde von Woche zu Woche besser, ging mit mehr Selbstvertrauen auf den Platz und erweiterte sein Spiel. Während er in Granada noch selbst für seine Tore sorgen sollte oder anderen die Vorarbeit machen musste, war Slavisa Jokanovic klar, dass er viel effektiver ist, wenn er derjenige ist, der die Pässe und Flanken bekommt. Er machte aus dem Afrikaner einen richtigen Strafraumstürmer.

Mit einer Größe von 1,88m ist er stark und groß genug für Kopfbälle, aber mit seiner Schnelligkeit und Antizipation auch schnell genug für kurze, flache Pässe in den Strafraum. Während er im Spielaufbau mit Tricks und eleganten Pässen aufzeigt, ist er im Angriff meist im Strafraum zu finden, wo er den Pass seines Mitspielers perfekt antizipiert.

Der Nigerianer änderte seinen Spielstil, zeigte einen guten Torriecher und spielte sich mit Tricks und traumhaften Toren in die Herzen der Fans. Nicht nur einmal singen die Watford Fans Ighalos Namen zur Melodie von Spandau Ballets „Gold“ („Ighalo-OH! Always believe in your soul, you’ve got the power to glow. You’re indestructible. Always believe in … IGHALO”). Hier ein Video dazu:



Anfangs waren Tore noch Mangelware, doch Jokanovics Arbeit zahlte sich aus. Zusammen mit seinem kongenialen Sturmpartner Troy Deeney, der in dieser Saison auch Torschützenkönig wurde, formte er das gefährlichste Offensivduo der Liga. Vor allem ab 2015 war er nicht aufzuhalten und einer der wichtigsten Spieler für den Aufstieg in die Premier League. Während er im Herbst für viele noch als Möchtegern-Dribbler galt, gilt er für viele Watford-Fans nun als einer der besten Hornets-Spieler des Jahrzehnts.

Ab dem Jahr 2015 erzielte der Stürmer 16 Tore in 18 Spielen. Fast 50% seiner Schüsse landeten im Tor, so effektiv war kaum ein anderer auf der Insel. Das blieb auch in seiner Heimat nicht unbemerkt. Für seine Leistungen wurde er im März erstmals in die Nationalmannschaft einberufen und feierte am 25. März sein Debüt für die Super Eagles.

Mit seinen Toren konnte sich Watford als erste Mannschaft der Saison den Aufstieg in die Premier League sichern, doch mussten am letzten Spieltag alle Titelträume begraben, als die Hornets nicht über ein 1:1-Unentschieden gegen Sheffield Wednesday hinauskamen, während Bournemouth auswärts mit 0:3 gegen Charlton
gewann und sich somit den Meistertitel holte.

Hier ein paar von Ighalos besten Tricks und Toren



Endlich war der große Traum „Premier League“ erfüllt. Doch den Start in eine neue Liga musste der Nigerianer ohne seinen Ziehvater und Mentor Slavisa Jokanovic antreten. Der Serbe, dessen Vertrag mit Sommer auslief, konnte sich mit der Geschäftsführung nicht über einen neuen Vertrag einigen. Für ihn übernahm erneut ein Spanier: Quique Sánchez Flores. Doch das konnte Ighalo nicht aus der Fassung bringen.

Selbst ein 10 Millionen Euro-Angebot aus China mit einem deutlich besseren Gehalt lehnte der heute 26-Jährige ab. Seinen Traum, einmal in der Premier League zu spielen, wollte er nicht aufgeben. Und am 8. August war es dann endlich soweit.

In Quiques 4-4-1-1 übernahm zwar Stareinkauf Jurado die Rolle der hängenden Spitze, womit Ighalo auf der Bank Platz nehmen musste, doch nur neun Minuten nach seiner Einwechslung schoss er sein erstes Premier League-Tor und damit beinahe den Siegtreffer für die Hornets, wenn nicht drei Minuten später der 2:2-Ausgleichstreffer von Kone gewesen wäre. Damit erzielte Odion Ighalo seinen 17. Treffer im Jahr 2015 und war damit der erfolgreichste Torschütze in allen englischen Profiligen, kein Spieler erzielte mehr Tore im Jahr 2015 auf der Insel.

„Mein erstes Premier League-Tor war ein Moment, auf den ich schon mein ganzes Leben gewartet hatte. Ich kann noch viel besser werden, solange ich weiter hart arbeite und daran denke, dass mein Tor erst eines von vielen, die noch kommen werden, sein wird.“ Der Stürmer kam seitdem immer von Anfang an zum Einsatz, „doch Quiques Spiel scheint sich doch zu dem seines Vorgängers zu unterscheiden“ – so meine Wortwahl als ich diesen Text schrieb.

Doch wie es das Schicksal so wollte, traf Ighalo in den darauffolgenden Spielen gleich dreimal. Beim 1:0-Heimsieg gegen Swansea und beim darauffolgenden 1:2-Auswärtssieg gegen Newcastle. Wenige Tage zuvor verlängerte der Nigerianer seinen Vertrag bei Watford um drei Jahre bis 2020 und doch wenn er weiterhin so trifft, wird er Watford sicherlich schon bald verlassen. Vier Tore in sechs Spielen werden sicher nicht unbemerkt bleiben. Nach sechs Spielen liegt Watford als bester Aufsteiger mit neun Punkten auf Platz zehn.

Aber auch wenn sein Traum, einmal in der Premier League zu spielen, nun erfüllt ist, weiß Ighalo, dass sich weiterhin viele auf ihn verlassen. Seit seinem Engagement in Europa unterstützt er seine Familie in seiner Heimat, indem er ihnen Monat für Monat Geld zuschickt.

„Wenn ich mich nicht um meine Mutter kümmere, was mache ich dann da? Nach Gott kommt meine Mutter. Ich tue mein Bestes um sie glücklich zu machen. Jeden Monat schicke ich einen Teil meines Gehaltes an meine Eltern, denn ich möchte mich um sie kümmern, genauso wie sie sich um mich gekümmert haben.“ Doch nicht nur seiner Mutter, sondern auch seiner Heimtstadt Ajegunle will er helfen. „Eines Tages, wenn ich viel Geld gemacht habe, will ich zurück nach Ajegunle und dort für bessere Plätze sorgen und den Kindern helfen.“

Marco Stein
Co-Gründer von Cavanis Friseur und für Alles und Nichts zuständig. Ist Leeds United-Fan und weiß das immer und überall zu erwähnen.

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