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Independencia ara?!

Am 9. November dieses Jahres entscheiden die Katalanen über ihre Unabhängigkeit. Zumindest war das der ursprüngliche Plan.

Inzwischen wurde der Charakter der Abstimmung zu dem einer Volksbefragung verändert, doch was bleibt ist die Frage: Soll Katalonien ein eigenständiger und von Spanien unabhängiger Staat werden? Eine Frage, die auch aus fußballerischer Sicht nicht uninteressant ist. Was würde denn die Unabhängigkeit Kataloniens für den Fußball bedeuten?

 

Unabhängigkeit Katalonien & Fußball: Historische Hintergründe

Die Frage nach dem Status der nordöstlichen Provinz ist eigentlich fast so alt wie der spanische Staat selbst.

Auch wenn die Einheit im Falle von Katalonien nicht durch militärische Eroberung, sondern durch Heirat von Isabella von Kastilien mit Ferdinand von Aragon (die Krone von Aragon umfasste damals nicht nur das heutige Aragon, sondern den gesamten Osten Spaniens sowie Sardinien und weitere Gebiete des westlichen Mittelmeerraumes) erzielt wurde, wurden die Katalanen mit dem spanischen Zentralstaat nie richtig warm.

In diversen innerspanischen Kriegen stellte man sich stets auf die Seite, von der man sich mehr Autonomierechte versprach. Dass diese Kriege häufig verloren wurden, hatte den mehrmaligen Verlust des Autonomiestatuts zur Folge, das jeweils erst einige Machtwechsel später wieder erlangt wurde.

Auch im spanischen Bürgerkrieg stellten sich die Katalanen auf Seiten der Republik und erlebten dafür nach der Niederlage unter General Franco eine schlimmere Unterdrückung als je zuvor.


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In diesen Zeiten, in denen katalanische Symbole und Kultur bis hin zur katalanischen Sprache unter Strafe verboten waren, festigte sich das katalanische Nationalgefühl erneut.

Nach dem Tod Francos und dem Wandel Spaniens zur Demokratie bekamen die Katalanen ihre Autonomierechte – mal wieder – zurück, doch ein gewisser Unmut über den spanischen Zentralstaat blieb bestehen.

Dieser nährte sich vor allem während der Finanz- und Immobilienkrise, in welcher den Politikern in Madrid Misswirtschaft vorgeworfen wurde, und erreichte seinen Höhepunkt am 11. September 2012, dem Katalanischen Nationalfeiertag.

An diesem Tag fanden wie jedes Jahr Unabhängigkeitsdemonstrationen in der katalanischen Hauptstadt Barcelona statt. In diesem Jahr jedoch fanden sich unter dem Motto „Katalonien – neuer Staat in Europa“ bis zu 2 Millionen Menschen zusammen und füllten die Straßen der Mittelmeermetropole, eine Zahl, die sogar die gesamte Einwohnerzahl von Barcelona übertraf.

Nach diesem außergewöhnlichen Ereignis sah sich Ministerpräsident Artur Mas genötigt, Neuwahlen einzuberufen. Gleichzeitig beschloss das Parlament als letzter Entscheid vor der Wahl, innerhalb der nächsten Legislaturperiode ein Referendum über die Zukunft Kataloniens abzuhalten.

Castell de Montjuïc: Heute weht über Barcelona wieder die Flagge Kataloniens
Castell de Montjuïc: Oberhalb von Barcelona weht heute wieder die Flagge Kataloniens

 

Politische Hintergründe

Bei den Wahlen von 2012 wurde die katalanische Zentrumspartei CiU (Convergéncia i Unió) von Artur Mas erneut mit Abstand stärkste Kraft und bildete von da an eine Koalition mit der Linksnationalistischen ERC (Esquerra Republicana de Catalunya).

Die unter Franco verbotene ERC gilt als die Stimme des katalanischen Separatismus und war großer Gewinner der Wahlen von 2012. Mit diesem Bündnis wurde wahr, was sich zuvor schon angekündigt hatte: Das alte links-rechts-Spektrum wurde aufgebrochen und durch die Stellung der Partei zur Unabhängigkeitsfrage ersetzt.

Leidtragender dieser Entwicklung waren die Sozialdemokraten, die sich als einzige in dieser Frage nicht eindeutig positioniert hatten und 2012 ein Drittel ihrer Sitze verloren. Die konservative PP (Partido Popular), neben den Sozialdemokraten die zweite große spanische Volkspartei hatte sich als einzige der größeren Parteien gegen die Abhaltung eines Referendums ausgesprochen.

Für die Abhaltung des Referendums gibt es also im Parlament eine breite Mehrheit, wobei von den großen Parteien nur die ERC wirklich offensiv für die Unabhängigkeit wirbt.

So wurde der 9. November als Termin für die Abstimmung festgelegt, woraufhin sich sofort der spanische Ministerpräsident Rajoy einschaltete und das gesamte Referendum für verfassungswidrig erklärte.

Ähnlich sah dies das spanische Verfassungsgericht und verbot die Abstimmung kurzerhand. Nun ist das Ganze etwas ironisch, denn dass ein Verfahren, an dessen Ende ein Teil des Landes sich eigenständig macht und sich dadurch auch dem Geltungsbereich der spanischen Verfassung entzieht, der spanischen Verfassung widerspricht, ist eigentlich unausweichlich.

Jedoch erschwert die Ablehnung von spanischer Seite den Prozess erheblich. Zunächst einmal wurde das Referendum als solches abgesagt. Für Artur Mas ist ein Ausfall dieses Ereignisses, das immerhin vom katalanischen Parlament angeordnet wurde, allerdings keine Option, denn dies würde ein Abspringen seines Koalitionspartners und dadurch fast sicher das Ende seiner politischen Karriere bedeuten.

Mas hat also sein politisches Schicksal mit dieser Abstimmung verknüpft, die nun also als eine Volksbefragung durchgeführt werden soll.

Auch diese widerspricht der spanischen Verfassung, denn auch Volksbefragungen können in Spanien nur vom Staat angeordnet werden und so soll das ganze nun einen inoffiziellen Charakter erhalten. Dies schließt jedoch eine Verwendung der öffentlichen Wählerregister aus, so dass weiterhin unklar ist, wie genau dieser Tag jetzt eigentlich ablaufen soll.

Dass man in Madrid die Anerkennung jeglicher Unabhängigkeitsbestrebungen ausgeschlossen hat, stellt die Katalanen allerdings noch vor ganz andere Probleme. Man selbst sieht sich als neuer Staat in einem geeinten Europa und von EU-Seite gäbe es sicherlich auch kaum Bedenken gegen einen schnellen Beitritt, zumal Katalonien eine der wirtschaftsstärksten Regionen Spaniens ist.

Allerdings ist ein automatischer Beitritt eines neuen Staates, dessen Staatsgebiet zuvor Teil eines EU-Staates war, in den EU-Statuten nicht vorgesehen und für ein Aufnahmeverfahren ist die Zustimmung sämtlicher Mitgliedsländer nötig.

Dass Spanien allerdings der Aufnahme eines Staates zustimmt, den es nicht anerkennt und den es formal immer noch als eigenes Territorium betrachtet, ist eigentlich ausgeschlossen.

Im Falle einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung wäre für die Katalanen der unmittelbare Abschluss von wirtschaftlichen Kooperationsverträgen mit den EU-Staaten elementar, um sich nicht zu isolieren und das Land einer schweren Wirtschaftskrise auszusetzen.

Doch auch hierbei könnte Madrid am längeren Hebel sitzen und bemüht sich auch schon jetzt, eine gewisse Drohkulisse aufzubauen. Ein unabhängiges Katalonien gegen den Willen Madrids scheint daher eher unwahrscheinlich.

Auf der anderen Seite dürfte es wenig geben, was die Politiker in der Hauptstadt dazu bewegen könnte, eine der finanzstärksten Regionen des Landes freiwillig in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Dennoch wollen wir an dieser Stelle einen Blick darauf werfen, welchen Einfluss eine politische Unabhängigkeit auf den Fußball in Katalonien hätte und wie gleichzeitig der Fußball in Katalonien die Politik beeinflusst.

 
Die Rolle des Fußballs in der Unabhängigkeit Kataloniens

Leicht verschiedene Bilder: Cornellà-El Prat und Nou Camp
Leicht verschiedene Bilder: Cornellà-El Prat und Nou Camp

Will man die Haltung eines Barcelonesen in Fragen der Unabhängigkeit wissen, muss man ihn eigentlich nur nach seinem Lieblingsverein fragen. Denn das Bekenntnis zu einem Verein entspricht dort eigentlich schon einer politischen Einstellung. Dies liegt nicht nur daran, dass Espanyol Barcelona das Bekenntnis zum Zentralstaat schon im Namen verankert hat.

Ein Blick ins Stadion lässt dort eher spanische Flaggen erkennen statt der in Barcelona ansonsten weit verbreiteten katalanischen, etwas, was im Nou Camp höchstens im Gästeblock vorkommt.

Der FC Barcelona versteht sich immer noch als Vertreter des katalanischen Autonomismus. Während der Franco-Diktatur war das Stadion der Blaugrana einer der wenigen Orte, um die in der Öffentlichkeit die verbotene katalanische Sprache zu praktizieren und auch heute noch halten viele an der Tradition fest, innerhalb der Stadionmauern auf Catalan zu kommunizieren.

In den letzten Jahren hat es sich zudem eingebürgert, dem Ruf nach Unabhängigkeit zweimal während eines jeden Barca-Heimspiels mit „independencia“-Sprechchören Luft zu verschaffen.

Der Zeitpunkt nach 17 Minuten und 14 Sekunden jeweils der ersten und zweiten Hälfte spielt dabei auf das Jahr 1714 an, in welchem Barcelona zu Ende des Spanischen Erbfolgekrieges in die Hände der Truppen des Bourbonen-Königs Philip V. fiel, der daraufhin die Autonomierechte der spanischen Provinzen abschaffte (Das genaue Datum war der 11. September, heute wie angesprochen katalanischer Nationalfeiertag).

Die Verantwortlichen des Clubs selbst vermeiden seit dem Abgang von Ex-Präsident Joan Laporta 2010, welcher selbst für eine kleinere, der ERC nahestehende pro-Unabhängigkeitspartei in der Politik aktiv ist, eine klare Aussage zur Frage der Unabhängigkeit, äußerten zuletzt allerdings, dass man die Abhaltung eines Referendums befürworte und dieses als Recht der Katalanen ansehe.

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Unabhängigkeit Katalonien: Auswirkungen auf die Nationalmannschaft

Im Falle eines tatsächlich unabhängigen und allgemein anerkannten Kataloniens wäre die Mitgliedschaft in FIFA und UEFA und die Teilnahme einer eigenen Nationalmannschaft an deren Wettbewerben eine logische Folge.

Ein solches Team existiert bereits in Katalonien, wie auch im Baskenland und einigen anderen spanischen Provinzen, seine Spiele werden jedoch außerhalb des FIFA-Rahmens ausgetragen, denn Katalonien bemüht sich seit Jahren vergeblich um eine FIFA-Aufnahme, welche zur Wahrnehmung als eigenständiges Land beitragen soll.

In letzter Zeit war das spanische Team jedoch eher ein verbindendes Element, denn die Erfolge von 2008, 10 und 12 wären ohne Akteure wie Puyol, Xavi, Busquets, Pique, Alba oder auch Fabregas wohl nicht in der Form möglich gewesen.

Die Erfolge Spaniens waren somit auch die Erfolge Kataloniens. Mit dieser Harmonie wäre es im Falle einer Unabhängigkeit vorbei, das spanische Team würde daraus geschwächt hervorgehen und das katalanische trotz einiger Stars wohl zunächst nicht um Titel mitspielen.

Dass man auf Triumphe wie zuletzt in Zukunft aller Voraussicht nach verzichten müsste, könnte für die fußballverrückten Katalanen tatsächlich ein Argument für die Einheit sein. Für überzeugte Nationalisten allerdings zählen ohnehin nur Erfolge, die man für Katalonien erringt.

 

Auswirkungen im Falle Kataloniens Unabhängigkeit auf den Vereinsfußball

Noch gravierender wären die Auswirkungen einer Unabhängigkeit allerdings auf Vereinsebene. Im Falle eines Ausscheidens der katalanischen Vereine sähe sich die spanische Liga einer ihrer größten Attraktionen beraubt und würde wohl deutlich an Prestige – und damit auch an Einnahmen – verlieren.

Um sich den Stellenwert einer möglichen katalanischen Liga zu verdeutlichen, muss man sich klar machen, dass von den Vereinen, die diese Liga bevölkern würden, derzeit in Spanien zwei erstklassig, drei zweitklassig und acht Drittklassig spielen, eine Liga von mehr als 13 Mannschaften müsste also mit derzeitigen Viertligisten aufgefüllt werden.

Die in La Liga immer wieder vorkommenden Kantersiege von Barca oder auch Madrid würden hier zur Regel werden.

Vor allem für den FC Barcelona hätte dies schwerwiegende Folgen, denn eine solche Liga mit einem Serienmeister Barca und einem auch schon eigentlich feststehenden zweiten Espanyol, in der Messi, Iniesta und co. regelmäßig Teams wie UE Sant Andreu oder UE Olot vom Platz fegen, dürfte international deutlich weniger Interesse wecken als die derzeitige Liga und somit auch nur einen Bruchteil der Vermarktungsgelder erwirtschaften, was die internationale Position des FC Barcelona nachhaltig schwächen dürfte.

Dazu käme noch, dass die geringe Attraktivität der Liga nicht gerade dazu dienen würde, Top-Spieler zu einem Auflaufen für den Verein zu überzeugen.

Ein Modell, in dem die katalanischen Vereine weiterhin in den spanischen Ligen auflaufen, nach Vorbild der walisischen Vereine in der Premier League, wäre zwar denkbar, könnte allerdings im Falle einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung am Widerstand der Spanier scheitern.

Dies mag zwar wenig logisch scheinen, da die spanische Liga ohne Barca wie gesagt selbst an Attraktivität einbüßen würde, allerdings wurde die Tatsache, dass ein Ausscheiden für Barca selbst ungleich schlimmer wäre, zuletzt von spanischer Seite aus genutzt, um die Katalanen mit diesem Szenario ihre Einstellung zur Unabhängigkeit überdenken zu lassen.

Von katalanischer Seite wurden deswegen zuletzt Modelle ins Spiel gebracht, die eigenen Vereine zukünftig in der französischen Liga oder sogar in der Premier League auflaufen zu lassen.

Während letzteres zwar sicherlich eine enorm attraktive Liga zur Folge hätte, aber schon aus logistischen Gründen reichlich abwegig erscheint, könnte ein Auflaufen in der Ligue 1 durchaus eine ernsthaft angestrebte Alternative sein, über dessen Sinnhaftigkeit sich allerdings dennoch streiten lässt.

 

Kommt jetzt also die Unabhängigkeit?

Wird am 9. November eine Mehrheit der Katalanen für ein eigenständiges Katalonien stimmen? Vorrausichtlich ja. Wird die Unabhängigkeit Kataloniens dadurch in den nächsten Jahren Realität werden? Wohl eher nicht. Wieso behauptest du das einfach so, obwohl die meisten Umfragen ein sehr knappes Bild zu Gunsten einer Unabhängigkeit zeigen?

Ganz einfach. Dass die Mehrheit der Katalanen einen völlig von Spanien unabhängigen Staat will, halte ich für ein Gerücht. Auf dem Unabhängigkeitstag vor zwei Jahren konnte ich mich mit einigen Leuten unterhalten, die, obwohl sie dort protestierten, eigentlich gegen eine vollständige Unabhängigkeit waren.

Letztendlich geht es bei all den großangelegten Protestaktionen, den Umfragen wie den Referenden vor allem darum, politischen Druck aufzubauen. Darum ist in einer nichtbindenden Abstimmung, wie sie aktuell für den 9.November vorgesehen ist, auch eine vergleichsweise deutliches „Ja“ für die Unabhängigkeit zu erwarten.

Die Katalanen sehen sich von der Zentralregierung ungerecht behandelt, man müsse die anderswo gemachten Fehler ausbaden und werde bei Investitionen benachteiligt.

Sicherlich wäre das alles kein Thema ohne die katalanische Identität und den historischen Kampf um Autonomie, doch würde die spanische Regierung den Katalanen ein wenig entgegenkommen, in Fragen von Selbstverwaltung und (auch finanzieller) Autonomie, bin ich der Überzeugung, dass sich die Mehrheit der Katalanen in einem bindenden Referendum gegen die vollständige Loslösung aussprechen würde.

Thomas Moch
Seit 2014 bei Cavanis Friseur. Schreibt über den spanischen Fußball. Weil er Spanien mag. Und Fußball. Und erst recht spanischen Fußball.

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1 comment

  1. naja, was weiß ma ob in einer katalanischen liga nicht auf einmal andere mannschaften zu liefern beginnen würden. barca und espanyol würden vermutlich schwächer werden, aber wenn wir uns die beispiele der post-sowjet- und post-jugoslawien-ligen ansehen, sind die mannschaften die dort dominieren (mit der offensichtlichen ausnahme der ukraine) eigentlich nur selten die alten größen.
    pro-unabhängigkeit und pro serienmeister ce l’hospitalet´:P

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