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Ein Grund den Fußball zu lieben – Andres Iniesta

Eine Auswechslung, das Stadion erhebt sich, Standing Ovations. Ein Fan fordert die Umsitzenden, von denen sich noch nicht alle erhoben haben, wild gestikulierend dazu auf, dies zu tun, weil ein Spieler der gegnerischen Mannschaft den Platz verlässt. Solche Bilder wie die des diesjährigen Copa del Rey Finales werden am Ende in Erinnerung bleiben, wenn von Andres Iniesta die Rede ist.

Iniesta im Porträt

Solche und vermutlich die des WM-Finales 2010. An diesem 11. Juli schießt Don Andres nicht nur sein Land zum bisher einzigen Weltmeistertitel, auch sein Jubel mit der Widmung für den befreundeten und bis zu seinem Tod beim Lokalrivalen unter Vertrag stehenden Dani Jarque trägt zur Legendenbildung bei

Sportlich ist Iniesta da noch nicht am Zenit angekommen, setzt 2012 noch einen drauf, befördert eine bis dahin nur selten überzeugende Spanische Mannschaft fast im Alleingang ins Finale der EM, wo dann endlich auch die anderen Granden groß aufspielen. Es folgt der Titel für Spanien und für Iniesta Auszeichnungen als Spieler der EM und Europas Fußballer des Jahres. Außergewöhnliche Ehrungen für einen, der normalerweise eher im Team brilliert.

Iniesta kann auf eine große Karriere und unzählbare Titel zurückblicken, wenn er nun von der großen Bühne abtritt. Zeit ein bisschen sentimental zu werden. Denn nicht nur für Spanien war Iniesta die letzten Jahre ein besonderer Spieler, auch für mich. Wie sieht so eine Geschichte wohl aus? Als kleiner Junge kaufte mir mein Vati damals mein erstes Trikot. Natürlich war es von Iniesta und seither war ich sein größter Fan….

Nein, eigentlich nicht. Eigentlich  das komplette Gegenteil. Mein erstes Trikot war von Zidane, danach kamen noch einige weitere dazu, bunt gemischt, von allen möglichen Teams, das gehörte als Knirps für mich einfach dazu. Irgendwann wurden Trikots weniger, man steigt um auf neutralere Sportklamotten und ehe man sich versieht, sind die Trikots alle zu klein. Das heißt, alle außer einem. Dem einen Trikot, das ich mir viele Jahre nach dem letzten von meinen Eltern als einziges selber kaufte.

Das letzte Trikot ist eigentlich wirklich aussagekräftiger als das erste. Warum Iniesta? Nun, sein zurückhaltendes, bodenständiges Auftreten auf und neben dem Platz wird seinen Teil beigetragen haben, gerade in Zeiten der Neymars dieses Sports. Letztendlich war es aber seine Art Fußball zu spielen, diese Ästhetik, diese Magie des Spiels, diese Fähigkeit, Lösungen zu sehen, auf die man als Zuschauer selbst nach 10 Minuten 3D-Standbildanalyse nicht gekommen wäre, die mich wie auch viele andere so begeisterte.

„El Ilusionista“ wird er in Spanien genannt oder auch „El Mago“, beides übersetzt sich grob zu „Der Zauberer“ und ich finde, der Name passt. Zumindest einmal hatte ich das Vergnügen, so einem magischen Iniesta-Moment beizuwohnen. Spanisches Supercopa-Finale 2012 gegen Madrid. Konter Barcelona, Xavi und Iniesta gegen drei Blancos. Iniesta führt den Ball. Dann Zauberei. Xavi steht alleine vor dem Tor. Wie das passieren konnte, mit drei Verteidigern, die sich um zwei Gegner zu Kümmern hatten, die beide nicht die großen Solokünstler waren? Mir unerklärlich.

Ebenso unerklärlich finden bis heute wahrscheinlich die beiden Santos-Akteure bis heute, wo Iniesta damals im Club WM-Finale hin verschwunden ist, als sie ihn eigentlich schon in der Mangel hatten und er plötzlich auf dem Absatz kehrt machte und beide ins Leere liefen. Mit der Aufzählung solcher Szenen könne ich ewig weiter machen. Magie produziert Iniesta auf so viele Art und Weisen.


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Die „Croqueta“, das schnelle hin und her Spielen des Balles zwischen den Beinen, das einem ein unerwartetes Slalomdribbling gegen mehrere Gegner erlaubt, ist in frühen Jahren sein Signature Move. Später sieht man das eher selten, viel typischer wird die plötzliche Tempoverschärfung mit Richtungswechsel, die im Ballbesitzreichen Fußball Guardiolas sowie von La Roja so besonders gut funktionieren. Iniesta, der Name wird zusammen mit Xavi auch immer für das ballbesitzorientierte Kurzpassspiel stehen, dass den Weltfußball für ein paar Jahre so sehr dominierte und für meine Begriffe danach nie wieder erreicht wurde.

In den Jahren nach 2013, als sich Barca immer weiter von dieser Spielidee verabschiedet, wird das besonders deutlich. Ich weiß nicht, wie viele Stunden an Youtube-Videos ich mir angeschaut habe, mit den besten Pässen, den besten Dribblings und dem besten was weiß ich alles von Iniesta, im Anschluss an Spiele, die immer mehr durch Einzelkönner entschieden werden. Highlights eines Spielers aus Enttäuschung über ein als zu individualistisch empfundenes Spiel? Eigentlich gar nicht seltsam, denn viele der herausragenden Szenen Iniestas wären ohne die entsprechenden Mitspieler kaum möglich gewesen.

Einen Busquets, der genau richtig steht um den Doppelpass zu spielen, um sich zu befreien, einen Pedro, der als einziger den absurden Passweg sieht und den Steilpass erläuft, auch das sieht man, wenn man sich Highlights von Iniesta anschaut. Vom Zusammenspiel mit Messi ganz zu schweigen.

Wenn man sagen müsste, welche Eigenschaft Iniesta als Fußballer so besonders macht, würde ich etwas auswählen, was ich sein Gespür für die kurzfristige zukünftige Entwicklung der Situation nennen würde. Ein Gespür, das ihm hilft, immer wieder Dribblings zu gewinnen, obwohl er nie der Spieler war, der mit Ankündigung ins eins gegen eins gehen und dieses mit Speed dann doch für sich entscheiden konnte. Viel mehr weiß er eben hervorragend, welche Situationen er sich auszusuchen hatte und wann er den Gegner unerwartet erwischen kann.

Viel mehr jedoch noch half es ihm, selbst in einem Team mit Messi und Xavi, die tödlichsten aller tödlichen Pässe zu spielen. Die Art von Pässen, die fünf Verteidiger eben nur fast erreichen und an deren Ende ein Stürmer alleine aufs Tor zuläuft. Die Art von Pässen, bei denen man, obwohl man weiß, dass er sie spielen kann, jedes Mal aufs Neue erstaunt ist. Dazu nötig ist natürlich auch eine Ballbehandlung, wie sie auch nur einige der besten Kicker dieses Planeten verfügen, aber Technik wäre für einen wie Iniesta ja das geringste Problem.

Ausgenommen vielleicht Schusstechnik. Denn Tore hat er für einen Offensivspieler seiner Klasse wirklich erstaunlich wenige geschossen. Das lag zum einen natürlich an seiner uneigennützigen Spielweise, in der er stets den lieber den besser positionierten Mitspieler einsetzte. Zum anderen aber auch daran, dass sein Abschluss wirklich nie sonderlich gut war. Nur in den großen Momenten, 2009 im Champions League Halbfinale gegen Chelsea zum Beispiel oder eben im WM-Finale 2010, wenn er wirklich gebraucht wurde, dann vergaß er auch schon mal seinen mäßigen Abschluss.

Die großen Momente, die kleinen Gesten, der schöne Fußball. Ganz Spanien feiert dieser Tage einen Spieler, der von der großen Fußballbühne abtritt. Die WM wird sein letztes Turnier für La Roja sein, seinen Verein verlässt er im Sommer nach 22 Jahren. Wohin es geht soll in Kürze feststehen, außerhalb Europas wird es auf jeden Fall sein hat Iniesta bereits angekündigt, gegen seinen FC Barcelona will Don Andres auf keinen Fall spielen.

Für mich wird Iniesta immer als der Größte in Erinnerung bleiben, vielleicht nicht als der individuell Beste, aber zumindest als der Spieler, der mich als Zuseher am meisten verzaubert hat. Fünf Mal hatte ich das Glück, ihn live erleben zu dürfen. Es wird wohl kein weiteres Mal dazukommen.

Thomas Moch
Seit 2014 bei Cavanis Friseur. Schreibt über den spanischen Fußball. Weil er Spanien mag. Und Fußball. Und erst recht spanischen Fußball.

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