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Jorginho Geschichte – Jorginho im Porträt

Immer Sommer 2013 wurde ein 21-jähriger Brasilianer mit Arsenal und Liverpool in Verbindung gebracht. An und für sich nichts Besonderes, sind brasilianische Talente doch äußerst begehrt in der Premier League. Bei den Gerüchten um Jorginho waren dennoch viele verwunderte englische Fans die Folge. Denn Jorginho ging einen etwas anderen Weg als die meisten seiner Landsleute.

Mit 20 spielte er gar noch bei AC Sambonifacese. Lega Pro Seconda Divisione. Vierte Liga also. 21 Jahre alt war er gerade erst mit Hellas Verona in die Serie A aufgestiegen.

Auch Milan, Lazio und PSG hatten Jorginho nach dessen Aufstieg mit Hellas auf dem Zettel, er blieb aber noch in Verona. Doch schon kurz danach sollte sich diese Verwunderung wieder legen, denn wer Hellas ein wenig verfolgte, wusste schon nach wenigen Spieltagen, warum Jorginho so begehrt war.

Nach acht Runden hatte der Mittelfeldspieler bereits fünf Tore erzielt. Mit fünf Torschüssen wohlgemerkt. Zugegeben, vier davon waren per Elfmeter, doch es sind auch nicht seine Qualitäten vor dem Tor, die Jorginho so besonders machen.

Vielmehr war es sein Passspiel, seine Art das Spiel von Hellas zu gestalten und wie er sich neu in der Serie A zurecht fand. Hellas erwischte einen super Saisonstart, gewann gleich mal 2-0 gegen Milan, und fand sich schnell auf den vorderen Plätzen der Tabelle wieder.

Mit Luca Toni sorgte vorne ein Altstar für die Tore, als Spielgestalter im 3er-Mittelfeld von Mandorlini hatte aber ein sehr junger Spieler einen sehr großen Anteil am Erfolg von Hellas: Jorginho.


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Jorge Luiz Frello Filho, wie er mit vollem Namen heißt, wurde das Fußballspielen schon in die Wiege gelegt. Bereits sein Opa war ein guter Fußballer und spielte auf hohem Niveau, seine Mutter ebenso, allerdings beendete sie ihre Karriere um ihre Kinder großzuziehen.

„Ich wurde geboren um Fußballer zu sein“, sagte Jorginho deshalb. Seine Mutter brachte ihn jeden Tag zu den Stränden seiner Heimatstadt Imbituba, wo er das Fußballspielen erlernte. Irgendwann wurde er von Scouts entdeckt und mit 13 fand er sich plötzlich mit 50 anderen Burschen in einer Fußballschule wieder.

200 Kilometer weit weg von seiner Heimat. Die Leiter der Schule waren Italiener und so wurden die talentiertesten Kicker von ihnen nach Italien gebracht. Mit 15 Jahren landete Jorginho also in Verona, fand dort aber anfangs keinen Verein und so begannen die 18 härtesten Monate seines Lebens.

Er war über ein Jahr ohne Vertrag, trainierte bei unterklassigen Teams, lebte in einem kleinen Gasthaus und bekam pro Woche 20 € von seinem Berater. Jorginho war kurz davor aufzugeben, wollte zurück nach Brasilien, seine Familie überredete ihn aber zum Weitermachen in Italien.

Das sollte sich auszahlen, denn schließlich nahm ihn Hellas Verona zu einem Probetraining auf und verpflichtete ihn danach für 35 000 € von seinem Berater.

Von da an begann es besser zu laufen für Jorginho. Rafael, der brasilianische Torhüter von Hellas, nahm den jungen Landsmann unter seiner Fittiche und Jorginho lernte seine neue Heimatstadt Verona zu lieben.

Im Jänner 2014 musste er Verona allerdings verlassen. „Ein Angebot eines so großen und wichtigen Klubs kann man einfach nicht ablehnen“, gestand Jorginho.

„Verona wird für immer in meinem Herzen bleiben“ klingt zwar ein wenig nach einer Standardphrase, kennt man aber Jorginho und seinen Werdegang, weiß man, wie viel diese Stadt für ihn bedeutet.

Am Flughafen in Verona flossen Tränen bei ihm, vermutlich nicht nur, weil er Verona verließ, sondern weil er spätestens jetzt merkte, dass sich all die Opfer, die er in den Jahren zuvor bringen musste, bezahlt machten.

Der sehr bodenständige Jorginho wirkte überwältigt, von der Chance, die sich ihm in Napoli bieten sollte: „Der Transfer ist eine unglaubliche Freude, ein Traum, der endlich wahr wird.“

Napoli hatte zur Saison 2013-2014 einiges verändert, Cavani wurde an PSG verkauft, Trainer Mazzarri verließ den Verein und landete schließlich bei Inter.

Aurelio De Laurentiis holte Rafa Benitez als Nachfolger, eine wegweisende Entscheidung, die eine große Änderung der Spielphilosophie mit sich brachte. Statt dem dynamischen, schnellen Konterfußball von Mazzarri brachte Benitez jetzt Ballbesitzfußball nach Neapel. Für diese Umstellung wurden bereits im Sommer einige Transfers getätigt, das Schweizer Trio für das defensive Mittelfeld – Inler, Behrami, Dzemaili – blieb aber noch.

Während Walter Mazzarri keinen Spielgestalter auf der Sechs wollte und sogar Marco Verratti ablehnte, da er nicht ins System passen würde, suchte Napoli genau so einen im Jänner 2014. Mit Jorginho, der für nur 5 Mio. € in Comproprietà kam, fand man scheinbar die perfekte Lösung.

Schnell konnte er sich in die Stammelf spielen und holte sich den Platz neben Gökhan Inler. Bereits bei seinem ersten Einsatz in der Startelf, einem 3-1 Sieg gegen Milan, konnte Jorginho voll überzeugen. Den Platz in der Startelf gab er danach nicht mehr ab, nur gegen Udinese wurde er einmal eingewechselt.

Jorginho ist in seiner Spielweise relativ schwer zu beschreiben, ist er doch ein recht unscheinbarer, aber sehr vielfältig einsetzbarer Mittelfeldspieler. Er wird gerne mal mit Andrea Pirlo verglichen, allerdings ist er kein derart klassischer tiefliegender Spielmacher.

Während er bei Hellas noch in einem 3er-Mittelfeld agierte und dabei meistens alleine für den Spielaufbau hauptverantwortlich war, spielt er in Napoli in einer Doppelsechs und wechselt sich hier mit Inler öfter ab. „Ich muss mehr laufen und mehr für die Offensive tun“, beschreibt er die Umstellung auf das System von Benitez.

Er übernimmt dabei auch gerne eine etwas höher stehende Rolle, während der Schweizer das Spiel aus der Tiefe eröffnet. Jorginho ist dabei aus höheren Positionen extrem wichtig für die Ballzirkulation, wenn man ihn schon mit einem Star vergleichen möchte, wäre das daher aufgrund der Ähnlichkeiten im Passspiel eher noch Busquets als Pirlo.

Jorginho hält den Ball meist nur sehr kurz, mehr als zwei Ballkontakte braucht er selten und sorgt so für den nötigen Spielfluss. Seine Präzision dabei wird von einer Passgenauigkeit von 89,6 % bestätigt. Bei Napoli ist er insgesamt mehr eingebunden in das Offensivspiel und brachte es im Schnitt sogar auf 67,7 Pässe pro Match.

Lediglich drei Spieler in der Liga passten häufiger: De Rossi, Pirlo und Chiellini. Mit Pirlo, den er als sein Vorbild bezeichnet, hat er vor allem die Qualität der langen Bälle gemeinsam, wobei Pirlo diese natürlich weitaus öfter und auch präziser spielt.

Seine schier unglaubliche Ruhe ist eine weitere Gemeinsamkeit mit Pirlo, einen großen Anteil daran hat laut Jorginho sein Mentalcoach, Nicolà Fittà, mittlerweile ein guter Freund von ihm.

„Jetzt gehe ich ruhig und unbeschwert in die Spiele und bin immer bei 100%“, behauptet der defensive Mittelfeldspieler.

Dank dieser Ruhe und seiner großen Geschicklichkeit kann er sich trotz seiner körperlichen Schwächen auch aus engen Zweikämpfen zumeist lösen oder zumindest einen Freistoß herausholen.

Mit seinen gelegentlichen Vorstößen erinnert er nämlich auch phasenweise an einen Box-to-Box-Spieler, wofür es ihm allerdings an Dynamik fehlt. Seine körperlichen Schwächen beziehen sich aber eher auf seinen Körperbau, nicht auf seine sehr gute Laufleistung.

Aufgrund seiner insgesamt eher unauffälligen, sehr ruhigen Spielweise, wird Jorginho oft noch unterschätzt. Dabei hätte er sicherlich die nötige Qualität für das Nationalteam.

Für das Italienische, nicht das Brasilianische. Denn Jorginho hat seit 2013 die italienische Staatsbügerschaft und würde auch gerne für Italien spielen. An Brasilien dagegen denkt er gar nicht: „Italien ist meine Heimat geworden. Hier hat man mir die Möglichkeit gegeben mich weiterzuentwickeln, in Brasilien dagegen hatte man nie Patz für mich.

In Italien hatte ich die Möglichkeit meine Träume zu realisieren“, sagte er vor kurzem in einem Interview mit dem Corriere dello Sport. Ein Anruf von Prandelli blieb bisher zwar aus, eine Einberufung nach Coverciano zum italienischen Nationalteam würde er aber sofort akzeptieren.

Bisher ist Jorginho überhaupt noch ohne Einsätze für italienische Nationalteams, nur einmal wurde er für die U21 nominiert, aufgrund von bürokratischen Problemen war er aber noch nicht spielberechtigt.

Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien blieb der Italo-Brasilianer wohl wegen der großen Konkurrenz zu Hause, doch da mittlerweile alle Hindernisse überwunden sein sollten, wird Jorginho unter dem neuen Teamchef hoffentlich bald seine Chance bekommen.

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