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Legionärsbericht: Koray Günter

Unser nächster Deutsch-Legionär war beinahe in Vergessenheit geraten, bis es vor zwei Jahren Neuigkeiten gab: Innenverteidiger-Talent Koray Günter heiratet Supermodel Betty Taube.

Es war bereits still um den gebürtigen Höxteraner geworden. Seit drei Jahren bei Galatasaray Istanbul spielend, hatte er – auch aufgrund von Verletzungen – den Durchbruch nicht geschafft.

Als sein Vertrag 2018 auslief, zog es ihn nach Italien zum FC Genoa. Mit inzwischen 24 Jahren ist das ehemalige Dortmund-Talent dort bisher kein Stammspieler. Weshalb gelang dem hochgehandelten Günter bisher nicht der letzte Schritt?

Um das nachvollziehen zu können, sollten zuerst die Stärken Koray Günters beleuchtet werden.

Koray kann kicken

Günters größte Qualität ist sein Spielaufbau. Seine Flugbälle sind technisch gut, seine Spielverlagerungen hochwertig und seine linienbrechenden Pässe sensationell. Etwas unterschätzt wird hierbei der linke Fuß des Deutschen: Mit diesem spielt er ebenfalls höchst anspruchsvolle Pässe unter Druck, was kaum ein anderer Innenverteidiger auf dem Niveau kann.

Doch sein Spielaufbau ist – nicht nur – aufgrund seiner technischen Fähigkeiten so stark: Es sind die strategischen Fähigkeiten, die ihn besonders machen.

Spielverlagerungs-Autor Martin Rafelt meinte gar, die einzigen Innenverteidiger mit komplexen strategischen Fähigkeiten, die er kennen würde, wären: Joel Veltman (stimmt), Thiago Silva (habe ich schon einen Text drüber geschrieben), Koray Günter (schreibe ich gerade drüber) und Tim Rieke (warte noch auf Videomaterial).

Doch was ist damit gemeint? Ich meine die Fähigkeit(en), zu wissen, wann man welchen Pass wie und wohin spielen muss; unter Berücksichtigung der eigenen und gegnerischen Staffelung. Und das beherrscht Koray Günter herausragend.

Der Innenverteidiger spielt den linienbrechenden Pass nur, wenn der Ballempfänger eine gute Anbindung besitzt. Ebenfalls nutzt er lange Bälle ausschließlich, wenn der Zielspieler bereit ist und sich in einer vorteilhaften Situation befindet. Ist dies nicht der Fall, dreht Günter nochmal ab oder dribbelt an.

Im Andribbeln trifft der Legionär stets die richtigen Entscheidungen: Er wägt ab, wann er dieses Risiko gehen kann oder lieber den Querpass spielen sollte. Technisch sticht hierbei seine ansprechende Ballführung heraus. Günter nutzt die Dynamik der Szenen gut und attackiert schlechte Staffelungen des Gegners sofort.

Ebenfalls nutzt er Verzögerungen mit dem Ball am Fuß: Der Gegner wird so angelockt und der Passweg zum Mitspieler geöffnet.

Besonders beeindruckend ist die Konstanz Günters und wie er seine Stärken einbringt: Der Innenverteidiger drückt sich dem Spiel nicht auf, sondern passt sich dem Rhythmus seiner Mannschaft an. Ihm unterlaufen kaum Fehler, weil er nahezu jede Situation richtig einschätzt und bespielt.

Außerdem ist das Freilaufverhalten des Innenverteidigers stark. Er bietet stets eine Anspielstation unter Druck. Hierbei zeigt er keine unkonventionellen Bewegungen á la Joel Veltman, ist aber trotzdem sehr aktiv.


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Kernig in den Kerndisziplinen

Und wie verhält sich das ganze gegen den Ball? Körperlich bringt Koray Günter vieles mit: 1,85m groß, ordentlicher Antritt und eine starke Endgeschwindigkeit machen ihn zu einem guten Athleten.

Bei Galatasaray Istanbul hat er ebenso an Muskelmasse aufgebaut.

In Kopfballduellen ist der gebürtige Höxteraner ordentlich. Sein Timing ist solide und die Sprungkraft gut. Es mangelt aber an Konstanz: Besonders gegen körperlich überlegene Zielspieler des Gegners tut er schwer daran, sich in Kopfballduellen durchzusetzen.

Hier hat er sich durch seine physische Entwicklung bereits sehr gesteigert. Jedoch können seine Gegenspieler den Ball noch zu oft und zu einfach gegen ihn behaupten.

Das selbe gilt für die Strafraumverteidigung. Dort bewegt er sich teilweise herausragend antizipativ und kann Bälle in höchster Not klären. Manchmal verhält er sich jedoch zu mannorientiert oder ist sich dem Raum in seinem Rücken nicht bewusst.

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Rückt er auf den Ballführenden heraus oder sichert seine Kollegen ab, wählt er die Abstände passend: Selbst bei einem verlorenen Zweikampf muss der Gegenspieler entweder noch an Günter oder Mitspieler Günters vorbei.

In direkten Zweikämpfen zeigt der Innenverteidiger jedoch größere Probleme: Er reagiert zu stark auf das Verhalten des Ballführenden und nimmt sich die Möglichkeit, den Gegner zu „lenken“. Verzögert der Gegner das Tempo, wird Günter zu schnell statisch.

Da die meisten Dribbler agiler und antrittsstärker sind als er, haben sie leichtes Spiel: Eine Tempoverzögerung, Günter verzögert genauso, anschließend die Tempoverschärfung und Günter kann aufgrund seiner unvorteilhaften Körperstellung nicht hinterher.

Was der Innenverteidiger defensiv jedoch sehr stark macht, ist das Blocken von Schüssen. Er erkennt sauber, wann der Gegenspieler zum Abschluss ansetzt und wohin er diesen platzieren möchte. Dann gelingt es Koray, seinen Körper davor zu schieben und eine gefährliche Torchance zu verhindern.

Insgesamt strahlt Günter defensiv nicht die selbe Brillanz aus wie im Spiel mit Ball. Stattdessen verfügt er über ein rundum solides Gesamtpaket mit einigen Stärken und kleinen Schwächen. Und weshalb setzt sich ein defensiv mehr als solider Spieler mit herausragenden Fähigkeiten am Ball bisher nicht durch?

Das Quäntchen Glück

Ganz ehrlich: Ich verstehe es nicht. Bei Galatasaray warf ihn in der Sommerpause – mitten in einer aufstrebenden Phase – ein Kreuzbandriss zurück. Infolgedessen verpasste er die gesamte Saison. 16/17 kam er in der Liga nur noch zu Kurzeinsätzen.

Bei Genoa erlitt er kurz vor der Winterpause eine unbekannte Verletzung, die ihn einen Monat außer Gefecht setzte. Damals befand er sich ebenfalls in einer aufstrebenden Phase mit einigen Startelfeinsätzen. Seitdem spielte er erst einmal: Dieses Spiel bestritt er direkt über 90 Minuten und lieferte eine souveräne Vorstellung ab.

Danach stand er weiterhin immer im Kader, allerdings ohne zum Einsatz zu kommen. Stattdessen spielen weiterhin die beidem Stamm-Innenverteidiger: Cristian Romero und Ervin Zukanovic. Beide passen besser in den strategischen Ansatz des Teams.

Zukanovic ist kopfballstark, besitzt ein gutes Zugriffsverhalten und ist mit dem Ball zumindest solide. Der junge Romero besitzt einen starken Spielaufbau und gutes Tempo, ist dafür in Kopfballduellen eher schwach und hat Probleme im Stellungsspiel.

“Ein modernes Fußballmärchen: Tahiti beim Confed Cup 2013”. Hier zu lesen

Die Qualitäten der beiden ergänzen sich gut und kaschieren die Defizite des Partners. Für Koray bleibt in der Konstellation kein Platz. Denn: Genoa benötigt keinen weiteren spielstarken Innenverteidiger.

Mit durchschnittlich 44,6% Ballbesitz (Stand:15.04.19) ist der FC Genoa wahrlich kein Ballbesitz-Team. Stattdessen wird bevorzugt auf lange Bälle und eine starke Restverteidigung gesetzt. Dinge, die Koray Günter kann, aber nicht so stark bzw. passend zum Kollegen wie Zukanovic und Romero.

Bei Galatasaray Istanbul fand er das selbe Problem vor: In den meisten Spielen zwar überlegen, setzten seine Trainer nie auf ein ausgeklügeltes Ballbesitzspiel. Stattdessen sollte der Ball so schnell wie möglich nach vorne transportiert werden.

Die individuelle Qualität der Offensivspieler reichte gegen das schwache Pressing der türkischen Teams aus. Ein spielstarker Innenverteidiger wurde nicht gebraucht; stattdessen physisch starke Innenverteidiger mit Wucht im Kopfball und solider Strafraumverteidigung.

Von Hoffnungen und Träumen

Gewissermaßen war Günter Opfer des spielerischen Ansatzes seiner Trainer. Wer weiß, was bspw. Julian Nagelsmann oder Thomas Tuchel mit ihm hätten anstellen können/anstellen könnten. Deswegen ist für Günter-Fans noch nicht die Zeit gekommen, die Hoffnung aufzugeben.

Findet er einen Trainer, der seine Stärken konsequent einbindet, kann es mit seiner Karriere steil bergauf gehen. Mit 24 Jahren befindet sich der Innenverteidiger in einem Alter, indem viele Spieler den letzten und entscheidenden Schritt in ihrer Entwicklung machen.

Und dann werden wir hoffentlich nicht nur von Koray Günter hören, wenn er Betty Taube heiratet.



Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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