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Legionärsbericht: Marko Marin

In der letzten Woche gab es Neuigkeiten über einen Spieler, der schon etwas in Vergessenheit geraten war: Marko Marin, einst als „german Messi“ getauft, gab seine Vertragsverlängerung bis 2021 beim Roten Stern Belgrad bekannt. Vom ersten Tag an habe er sich dort „heimisch“ gefühlt und empfände großes Vertrauen.

Floskeln, die man von jedem gewöhnlichen Fußballprofi nicht nur bei Vertragsverlängerungen hört. Doch selbst eingefleischte Marko Marin-Fans werden vermutlich nicht alle Teams aufzählen können, bei denen er mal gespielt hat; jedoch werden sie wissen, dass ihr Liebling keinen gewöhnlichen Karriereweg eingeschlagen hat.

Schauen wir dafür ein paar Jahre zurück:

Zuerst machte der 1,70m große Mittelfeldspieler bei Borussia Mönchengladbach auf sich aufmerksam. Nachdem er 2008 mit 19 Jahren sein Debüt für die Nationalmannschaft gab, wurde er 2009 von Werder Bremen für 8,2 Millionen Euro unter Vertrag genommen.

Dort beeindruckte Marin ebenfalls die ausländischen Scouts. 2012 unterschrieb er im Alter von 23 Jahren einen Vertrag bei Chelsea London. Die Engländer überwiesen im Gegenzug acht Millionen Euro an Werder. Damals noch unter dem Zepter von Roberto di Matteo und anschließend Rafa Benitez, stellte dieser Wechsel den Anfang einer Weltreise für Marko Marin dar.

Vier wechselhaft verlaufende Leihgeschäfte später flog er schließlich aus dem Chelsea-London-Leihkarussell heraus. Für drei Millionen Euro transferierte man ihn zum griechischen Rekordmeister Olympiakos Piräus. Dort zeigte er durchaus ansprechende Leistungen, bis es ihn ins drei Autostunden von seinem Geburtsort entfernte Belgrad zog.

Beim Roten Stern Belgrad scheint er nun nach langer Suche angekommen zu sein: Die Verantwortlichen sprechen gar davon, sie hätten lange nicht einen Spieler mit einer solchen Qualität gehabt.

More than One Night in Belgrad

Der Ex-Nationalspieler machte sogar in der Champions League nochmal auf sich aufmerksam. Gegen den Liverpool FC gab er beim 2:0 Sieg beide Torvorlagen und gegen Paris Saint-Germain erzielte er ein Tor (bei einer 6:1 Niederlage, aber muss ja niemand wissen).

https://youtu.be/qHIIb-uj5o8?t=144

Das Tor veranschaulicht die Qualitäten Marko Marins gut: Trotz seiner inzwischen 30 Lenzen besitzt er einen dynamischen Antritt und eine enge Ballführung. Der kleine Dribbler kommt im Wechsel auf allen offensiven Mittelfeldpositionen zum Einsatz.

Hierbei kommt ihm eine Freirolle im Spiel mit dem Ball zu: Wird Marin als Zehner aufgeboten, driftet er oft nach außen und sucht das Kombinationsspiel – wie damals bei Werder Bremen. Andererseits lässt er sich teilweise bis auf die Sechserposition fallen, um von dort das Spiel aufzubauen.

Marin kommt hierbei seine enorme Agilität und Dribbelstärke zugute. Diese nutzt er inzwischen bevorzugt, um das Pressing des Gegners aufzulösen. Seltener geht er in isolierte Dribblings, weil es ihm inzwischen an Geschwindigkeit mangelt.

Seine technischen Fähigkeiten und seine Wendigkeit machen ihn in hohen Zonen extrem ballsicher. Wenn Marin vier Schritte macht, machen die meisten seiner Gegenspieler gerade mal einen. Die Ballführung ist extrem eng und ermöglicht es ihm, jederzeit die Richtung zu wechseln.

Der erste Kontakt des Deutschen kann sich ebenfalls sehen lassen. Marin orientiert sich vor der Ballannahme sauber und nimmt den Ball direkt in die angestrebte Spielrichtung mit. Hierbei unterlaufen ihm selbst auf teilweise katastrophalen Fußballplätzen kaum Fehler.

In den hohen Zonen wird er von seinen Mitspielern meist zwischen den Linien gesucht. Der Gegner wird dadurch zusammengezogen und auf außen entsteht Platz für… Marins Pässe.

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Der neue Marin

Eine weitere Komponente seines Spiels ist nämlich das Passspiel. Der gebürtige Jugoslawe zeigt sich hier überaus kreativ: Früher vor allem auf kurze Schnittstellenpässe bedacht, gewann sein Passspiel in den letzten Jahren an Facettenreichtum dazu. Seitenverlagerungen über 40-60 Meter, Chipbälle über die Abwehr und gefährliche Standards – Marins Fähigkeiten geben einiges her.

Am wohlsten fühlt sich Marin aber immer noch in kleinräumigen Aktionen. In hohen Zonen stellt er mit seinen Bewegungen gut nutzbare Strukturen her. Hier zeigt er sich äußerst kombinationsstark: Er gewichtet seine Pässe angenehm und hat ein Gefühl dafür, wann der Pass in die Spitze kommen muss und wann er horizontal zirkulieren sollte.

Besonders ist hierbei vor allem, wie viel Dynamik der Deutsche bei den Kombinationen aufnimmt. Im Anschluss an seine Pässe bewegt sich Marin im höchsten Tempo, um direkt wieder anspielbar zu sein. Der Sprint ist die Nachricht an seinen Mitspieler, dass die Kombination jetzt zielgerichtet zum Tor stattfinden soll.

Obwohl Marin einiges an Sprintgeschwindigkeit eingebüßt hat, ist er immer noch schneller als der Großteil seiner Kontrahenten. Das erlaubt ihm, auf den ersten Metern die Gegenspieler bereits abzuhängen. Danach weiß er seinen schmächtigen Körper im Zweikampf geschickt einzusetzen.

Doch wenn Marin so ein guter Fußballspieler ist, warum konnte er sich dann bei Chelsea und etwaigen anderen Vereinen nie durchsetzen?

Ein bisschen wie Messi ist nicht Messi

Für Außenstehende mutete der Wechsel zu Chelsea sehr eigenartig an: Die Saison vor seinem Wechsel, 2011/2012, war einer der schwächsten in Marins Karriere. In 21 Spielen in der Bundesliga erzielte er lediglich ein Tor und gab fünf Vorlagen. Außerdem verpasste er erstmals aufgrund von mehreren kleinen Verletzungen 10 Spiele in dieser Saison.

Während der Hype in Deutschland gerade abebbte, nahm ihn plötzlich das Team unter Vertrag, welches soeben die Champions League gewonnen hatte. Am bisherigen Tiefpunkt seines Schaffens machte Marin den Schritt zu einem Topteam.

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Dort wurde er mit komplett überzogenen Erwartungen konfrontiert: „The german Messi“ war nur eine von vielen Lobhudeleien, die dem nahezu bemitleidenswerten Dribbler zuteil wurde.

In 6 (!) Wettbewerben kam er in seiner ersten Saison nur zu 16 Einsätzen mit 426 Minuten Spielzeit. Langsam wurde den Verantwortlichen bewusst, dass sie dort nicht den nächsten Messi verpflichtet haben: Sie hatten es eher mit einer lite-Version vom Argentinier zu tun, die zwar ähnliche Stärken mitbringt, aber: Auf deutlich niedrigerem Niveau und besonders in Tornähe bei weitem nicht so durchschlagskräftig.

Marin gegen den Ball

Ähnlichkeiten besitzen die beiden zumindest im Verhalten gegen den Ball: Marins Intensität im Pressing ist mehr als ausbaufähig. In der serbischen Liga erlaubt ihm seine individuelle Qualität (im Vergleich zu den anderen Spielern), sich hier und da mal Pausen zu nehmen.

Sein Trainer und seine Mitspieler werden es ihm verzeihen, wenn er das Spiel am Ende wieder entscheidet. Doch in den Top-Ligen dieser Welt (Spanien, England) hebt ihn seine Qualität nicht so stark ab. Ein weiterer Kontrast zu Messi ist nämlich: Möchte Messi defensiv mitarbeiten, ist er herausragend.

Er findet den Zugriff stark und nutzt seine Agilität überragend, um hüftsteiferen Verteidigern den Ball abzunehmen. Schiebt er im Pressing mit, beachtet er die Abstände und nutzt seinen Deckungsschatten clever.

Marin hingegen fehlte dieses Verständnis schon seine ganze Karriere: Aufgrund seiner Flinkheit kann er manchmal nette Ballgewinne verzeichnen, doch das war es dann. Nach eigenen Ballverlusten setzt er teilweise sehr aggressiv nach, allerdings ohne dabei ein gutes Timing zu besitzen.

Und soll Marin diszipliniert mitschieben, geht er etwas schludrig mit den Abständen um und reißt kleine Lücken in den Mittelfeldverbund.

Seine individualtaktische Qualität reichte ihm und gegen Top-Teams nicht mehr aus. Stattdessen wurden seine Schwächen wie sein sehr schmächtiger Körperbau sowie die fehlende und schwache Defensivarbeit offensichtlich.

Ausblick

Es wäre mühsam, sich jede einzelne Station seiner Karriere nochmal anzuschauen. Für Außenstehende ist es eh schwierig, die genauen Gründe herauszufinden: Faktoren wie das Privatleben, der Umgang mit der neuen Kultur und wie der Spieler von seinen Kameraden aufgenommen wird können die Leistungen fast genauso beeinflussen wie die taktische Einbindung.

Taktisch zumindest wird Marin bei Belgrad so gut eingebunden wie nie, weil er so frei ist wie nie: Er darf fast auf dem ganzen Feld herumdriften und nach Kombinationspartnern suchen. Daran haben die Belgrad-Fans Freude und ihm selbst scheint es ebenfalls zu gefallen.

Marin spürt die Liebe der Fans, das Vertrauen des Trainers und die Akzeptanz seiner Mitspieler. In Belgrad scheint es ihm so gut zu gehen wie lange nicht mehr.

Es könnte das Ende einer langen Reise sein. Oder?



Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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