Preview: Champions League Finale 2019

(Grafiken: Erstellt von Cavanis Friseur / © Footyrenders)

Dreieinhalb Wochen nach zwei denkwürdigen Spielen treffen die Comeback-Spezialisten der diesjährigen Champions League Saison im Finale aufeinander. Der FC Liverpool und Tottenham Hotspur haben die Chance, in Madrid den begehrten Henkelpott zu gewinnen.

Beide Teams sehnen den Titelgewinn herbei: Die Jungs von der Anfield Road gewannen die CL letztmalig 2005, damals noch unter Rafa Benitez. Außerdem wird niemand die bittere Finalniederlage im letzten Jahr gegen Real Madrid vergessen haben.

Für die Spurs wäre es gar der erste CL-Titel in der Vereinshistorie. Harry Kane & Co. würden Historisches vollbringen, was ihnen vor der Saison niemand zugetraut hatte.

Die Rollen scheinen verteilt: Liverpool kommt aus einer Rekordsaison mit 97 von 114 möglichen Punkten und wurde nur aufgrund des noch konstanteren Citys nicht Meister. Außerdem warfen sie den FC Barcelona raus, einen großen Titelfavoriten – mit einem 4:0 an der Anfield Road.

Tottenham hingegen hat die Saison mit 71 Punkten auf dem vierten Platz abgeschlossen. Im Halbfinale kegelten sie in einer vielleicht noch verrückteren Aufholjagd Ajax Amsterdam aus dem Wettbewerb.

In den beiden Aufeinandertreffen diese Saison setzte sich Liverpool jeweils mit 2:1 durch. Dabei besitzen die Teams einige Parallelen.

 

So spielt Tottenham

Pochettinos Schützlinge agieren aus einer 5-3-2/5-4-1 Grundformation heraus. Schlüsselspieler im System des Argentiniers sind Innenverteidiger Toby Alderweireld, Eriksen im zentralen Mittelfeld und natürlich Toptorschütze Harry Kane.

Der Belgier Alderweireld ist der spielstärkste der drei Innenverteidiger und kümmert sich vorrangig um den Spielaufbau. Christian Eriksen schafft – wie Dele Alli – Übergänge in höhere Zonen. Außerdem sorgt er mit seinen Schnittstellenpässen und Distanzschüssen für Gefahr.

Und Harry Kane? Der schießt die Tore, wenn er nicht gerade verletzt ist. Sein Bewegungsspiel im und um den Strafraum sind Weltklasse. Ebenso wichtig für das Spiel der Spurs sind die spielerische Dimension, die er dem Team gibt: Llorente mag ein starker Zielspieler sein, der Ablagen anbringen kann – Kane kann den Ball zusätzlich verteilen und Angriffe einleiten.

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Die Stärken der Spurs sind das Gegenpressing und die Konterabsicherung. Sechser Harry Winks ist gegen den Ball äußerst stark und kann viele Bälle abfangen. Sissoko gelingt es inzwischen besser, seine Athletik gewinnbringend einzusetzen. Das generelle Nachrückverhalten des gesamten Teams befindet sich auf gutem Niveau und kann einige brenzlige Situationen ausmerzen.

In der Konterabsicherung stechen besonders die drei Innenverteidiger heraus: Sanchez besitzt eine überragende Athletik, Vertonghen ein herausragendes Timing im Herausrücken und Alderweireld ein starkes Zugriffsverhalten. Außerdem sind formativ bedingt stets mindestens 5 Spieler in der Restverteidigung: Der ballferne Flügelverteidiger, Sechser Winks sowie die drei Innenverteidiger.

Das erleichtert die Restverteidigung ungemein. Mit Ball agiert Tottenham unspektakulär und kommt vor allem durch die individuelle Qualität der Stürmer zu Abschlüssen. Gruppentaktisch zeigen sie oftmals gute Ansätze, kommen jedoch nicht konstant zu hochkarätigen Torchancen.

 

So spielt Liverpool

Klopps Mannen laufen im 4-3-3 auf. Schlüsselspieler sind Innenverteidiger Virgil van Dijk, der zentrale Mittelfeldspieler Fabinho sowie der rechte Flügelspieler Mohammed Salah. Der Niederländer van Dijk ist in dieser Saison der vermutlich beste Innenverteidiger der Welt und hat in seiner aktuellen Form keine Schwäche.

Fabinho ist für das Spiel gegen den Ball genauso wichtig wie für das Spiel mit Ball. Dabei ist es äußerst schade, dass Naby Keita das Finale verletzt verpassen wird. Im Pressing hat sich Keita deutlich weiterentwickelt und seine Pressingresistenz wäre gegen die Aggressivität Tottenhams äußerst wertvoll gewesen.

Zu Salah ist wohl genug gesagt geworden: Er kreiert gefährliche Szenen, durchbricht jede Abwehr und kann die Angriffe selbst abschließen.

Nachdem die Engländer in den letzten Saisons besonders durch Pressing a la Klopp überzeugten, kam nun eine neue Dimension hinzu. Liverpool besticht ebenfalls durch ihr überragendes Spiel mit Ball. Salah bewegt sich häufig zentral und sucht Kombinationen mit dem ausweichenden Roberto Firmino. Mane geht oft in die Tiefe und zieht damit Raum für die nachrückenden Achter auf.

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Davon profitiert vorrangig Wijnaldum. Der weiträumig agierende Niederländer kann in den Strafraum nachstoßen und seine Abschlusstärke einbringen.

Wichtig sind außerdem die Außenverteidiger Trent Alexander-Arnold und Andrew Robertson. Die Explosivität der beiden äußert sich in Sprints bis zur letzten Linie und anschließenden Hereingaben. So schaffen sie außerdem Raum für die Dribblings der Flügelspieler.

Das Gegenpressing befindet sich ebenfalls auf Topniveau. Die Stürmer zeigen sich äußerst engagiert. Daher können viele Angriffe des Gegners bereits in der Entstehung abgewürgt werden.

Falls es einem Gegner gelingt, das Pressing zu überspielen, wartet dann Virgil van Dijk. Zusammen mit dem immer noch unterschätzten Joel Matip bildet er eine herausragende Innenverteidigung. Beide rücken intelligent heraus, sichern ihren Nebenmann sauber ab und können mit ihrer Dynamik auch schnelle Flügelspieler verteidigen.

Liverpool besitzt die selben Stärken wie Tottenham und ein ausgereifteres Ballbesitzspiel. Doch im letzten Aufeinandertreffen der beiden zeigte sich, dass die Spurs die Jungs von der Merseyside ärgern können.

 

So gewinnt Tottenham

Nachdem die Spurs im letzten Spiel früh in Rückstand gerieten und kaum an den Ball kamen, stellte Pochettino die Formation seiner Mannschaft passend um. Liverpool war vorrangig über Spielverlagerungen auf die hochschiebenden Außenverteidiger gefährlich geworden. Daher änderte Pochettino von einem 5-3-2 zu einem 5-4-1

Mit vier Mittelfeldspielern gelang es deutlich besser, die Breite des Spielfelds abzudecken. Die Offensivkraft Liverpools konnte so größtenteils eingedämmt werden. Mane, Salah und Firmino hatten es schwer und konnten kaum Durchbrüche kreieren.

In Ballbesitz werden die Flügelverteidiger von herausragender Wichtigkeit sein. Im Spielaufbau liefen die drei Stürmer Liverpools jeweils den ihnen nächsten Innenverteidiger an, also: Salah Vertonghen, Firmino Sanchez und Mane Alderweireld.

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Das 3er-Mittelfeld kümmerte sich mit losen Mannorientierungen um das 3er-Mittelfeld der Spurs. Passte das Anlaufverhalten Liverpools nicht und Mane und Salah gelang es nicht, einen Deckungsschatten auf die Flügelverteidiger zu werfen, waren diese die freien Spieler. Daher war und wird deren Bewegungsspiel und Aufbaustärke von großer Bedeutung sein.

Trippier ist auf rechts gesetzt, kann aber vor allem in höheren Zonen für Gefahr sorgen. Links hat Pochettino die Wahl zwischen dem athletischeren Danny Rose und dem aufbaustärkeren Ben Davies. Für Rose entscheidet er sich, wenn er die Dynamik Salahs fürchtet.

Für Davies spricht, dass er das Ballbesitzspiel der Spurs stabilisiert. In jedem Fall wird es spannend sein, welchen Ansatz Pochettino für das wichtigste Spiel seiner Laufbahn wählen wird.

 

So gewinnt Liverpool

Favorit in der Partie sind jedoch die Jungs von der Merseyside. Beide Spiele gegen Tottenham wurden diese Saison gewonnen. Dabei wird interessant sein, ob Klopp seinem Team die selbe Marschroute wie in den letzten Spielen vorgeben wird.

Dort agierte Liverpool stark auf Sicherheit bedacht. In beiden Spielen hatten Salah&Co. weniger Ballbesitz als die Spurs. Unter Druck schlugen van Dijk und Matip den Ball lang und setzten auf konsequentes Gegenpressing.

Das funktionierte gut. Zu Torchancen kam man bevorzugt über Spielverlagerungen auf die hochschiebenden Außenverteidiger. Das könnte im Finale wieder ein wichtiger Punkt sein, je nachdem, wie Pochettino seine Mannschaft aufstellt.

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Agieren die Spurs im 4-5-1, wird das Andribbeln der Innenverteidiger relevanter. Joel Matip präsentierte sich gegen Barca in dieser Disziplin herausragend und wird seine Stärken wieder in die Waagschale werfen.

Ansonsten ist es noch die individuelle Qualität, mit der Liverpool Tottenham in die Knie zwingen könnte. Das Trio aus Mane, Salah und Firmino bereitet jeder Abwehr große Probleme. Über 90 Minuten ist das Tempo der Sturmreihe kaum zu verteidigen.

 

Ausblick

Die Spurs gehen als Underdog in die Partie: Ein Sieg für Liverpool ist quasi Pflicht, noch eine Finalniederlage würde einen großen Schatten auf die Klopp-Ära werfen. Denn: „Kloppo“ konnte in vier Jahren bei Liverpool bisher keinen Titel gewinnen.

Tottenham hingegen kann das Finale befreiter angehen. Vor der Saison wurden genau 0€ für neue Spieler ausgegeben. Der Finaleinzug ist bereits ein großer Erfolg, der Titelgewinn wäre das Sahnehäubchen.

Schaut man sich jedoch die sportlichen Voraussetzungen an, ist Liverpool der klare Favorit.

Mit 97 Punkten kommen sie aus einer Rekordsaison, das Team strotzt nach dem fulminanten 4:0 gegen Barcelona vor Selbstvertrauen und entschied in der Liga beide Duelle für sich.

Alles andere als ein Sieg Liverpools wäre eine faustdicke Überraschung – es wäre jedoch nicht die erste in dieser Champions League Saison.


Fussball Blog England

Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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