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Sarri vs. Guardiola: Manchester City – SSC Napoli 2017/18

(Grafiken: Erstellt von Cavanis Friseur / © Footyrenders)

Am 17. Oktober 2017 standen sich zwei Teams gegenüber, die in der Saison wohl die beiden Musterbeispiele für attraktiven Ballbesitzfußball waren: Manchester City, trainiert von Pep Guardiola und der SSC Napoli, trainiert von Maurizio Sarri. Sarri ist nun zum FC Chelsea gewechselt und wird morgen im Community Shield auf Guardiolas Citizens treffen. In Erwartung des morgigen Spiels haben wir das erste Aufeinandertreffen der beiden in der letzten Saison analysiert.

Die beiden Mannschaften trafen am 3. Spieltag der Champions League aufeinander. Manchester war bereits auf dem Weg in Richtung Gruppensieg, während Napoli durch die Niederlage am ersten Spieltag gegen Donezk unter Zugzwang war.

Manchester City begann in ihrer üblichen 4-3-3 Grundformation mit dem angestammten Mittelfeldspieler Fabian Delph auf der Position des Linksverteidigers, da Benjamin Mendy mit einem Kreuzbandriss die gesamte Saison ausfiel. Als zentraler Mittelstürmer begann Gabriel Jesus anstatt des erst kürzlich wieder genesenen Sergio Agüero.

City übernimmt Kontrolle

Vor dem Spiel war bereits viel darüber diskutiert worden, welche der beiden Mannschaften die Kontrolle über den Ball und das Spiel übernehmen würde. In den ersten Minuten war dies klar Mancity, welche sich von dem sehr agressiven Pressing der Neapolitaner nicht aus der Ruhe bringen ließen.

Napoli nutzte für ihr Pressing wie auch für ihr Spiel in Ballbesitz ein 4-3-3, wobei es beim Pressing einige Umformungen gab: So rückte der nominell als linker Achter aufgestellte Kapitän Hamsik immer wieder sehr forsch aus dem Mittelfeld heraus und presste die Innenverteidiger und sogar den Torhüter mit Bogenläufen. Dafür ließ sich der ballferne Flügelspieler der Sarri Schützlinge ins Mittelfeld fallen, um wieder das ursprüngliche 4-3-3 herzustellen.

Generell versuchten die Italiener, nachdem ihre erste Pressinglinie überspielt wurde, so schnell wie möglich wieder in ihre Grundformation zu kommen. Ansonsten belauerte Hamsik auch teilweise Fernandinho, welcher eventuell als kleine Schwachstelle im Aufbauspiel der Citizens ausgemacht wurde, und setzte ihn immer wieder von seiner blind side unter Druck.

Die gleiche Systematik war auf der anderen Seite bei Zielinski zu sehen, allerdings agierte dieser im Pressing nicht so weiträumig wie Hamsik. Mertens positionierte sich vorrangig zwischen den beiden Innenverteidigern, während die Flügelspieler erst passiv im Halbraum verweilten, um die Außenverteidiger bei einem Anspiel direkt agressiv anzulaufen.

Den Citizens gelang es aber besonders in der Anfangsphase, dieses Pressing sauber zu überspielen. Hierfür nutzte Guardiola abermals Fabian Delph als einrückenden Außenverteidiger, welcher sich beim Aufbauspiel neben Fernandinho positionierte und somit eine Doppelsechs herstellte.

 

Screenshot von BT Sport.

 

Wenn das Pressing überspielt war, agierte Delph weiter absichernd und als Rückpassoption für Sane, im Gegensatz zu Walker auf der anderen Seite, welcher Sterling hinter- und vorderlief und sich mit seiner Athletik so immer wieder in die Angriffe einschaltete.

City agierte im Pressing ebenfalls in ihrem 4-3-3 und nutzte wenige Umformungen. Gerade in der Anfangsphase gelang es ihnen herausragend, mit intensivem Gegenpressing Napoli gar nicht erst eine längere Ballbesitzphase zu erlauben. Hierfür wurden bevorzugt Pässe auf Raul Albiol als Trigger genutzt, um von dem im Pressing sehr aktiven Gabriel Jesus unter Druck gesetzt zu werden. Dadurch provozierten sie immer wieder Befreiungsschläge oder hektische Pässe ins Mittelfeld, welche anfangs von den Neapolitanern schwer behauptet werden konnten.

Wie im folgenden Bild gut zu sehen ist, stellte City ihren Gegner bei Abstößen mannorientiert zu.

 

Screenshot von BT Sport.

 

Jesus läuft hier Reina an und hat Diawara in seinem Deckungsschatten. Sane auf der einen bzw. Sterling auf der anderen Seite belauern die beiden Innenverteidiger. Beide sind in der Lage, sie bei der Ballannahme direkt unter Druck zu setzen.

Reina reagierte darauf, indem er lange Bälle nach außen schlug, um entweder Delph oder Walker in Kopfballduelle zu zwingen. Beide zeigten sich teilweise unsouverän, doch gelang es trotzdem selten, den Ball zu behaupten. Hier zeigte sich auch der vermutlich größte Vorteil der Citizens: Ihr Gegenpressing griff deutlich besser und so eroberteten sie sich vorrangig die zweiten Bälle.

Interessant zu beobachten war das Zusammenspiel von David Silva und Leroy Sane, welche als Pärchen auf der linken Seite agierten. Silva schaffte es immer wieder, zwischen den Linien die Bälle zu empfangen und sie an Sane weiterzugeben. Beide balancierten die Bewegungen des Anderen aus. So fiel auch das erste Tor durch eine dieser Aktionen, indem Silva Sane vorderlief und eine Rückgabe in den Strafraum anbringen konnte.

 

Screenshot von BT Sport.

 

Die Aufteilung der Italiener im Strafraum ist bei diesem Gegentor allerdings katastrophal: Während Walker und Sterling beide zentral komplett frei vor dem Tor stehen, befinden sich drei Verteidiger auf einer Linie. Obwohl Koulibaly den ersten Ball noch blocken kann, prallt der Ball zurück zu Sterling, welcher es noch einfacher als Walker hat und den Ball im Tor unterbringt.

Schon kurz danach konnte Jesus auf 2:0 erhöhen. Albiol konnte einen langen Ball nicht sauber klären, de Bruyne fing den Kopfball ab und nutzte die kurze Konfusion in der Hintermannschaft aus, um Jesus mit einer scharfen und flachen Hereingabe vor dem Tor zu bedienen. Dieser musste nur noch den Fuß hinhalten.

Sarri reagiert

Napoli stellte dann ab der 20. Minute etwas um und fand so langsam ins Spiel. Im Pressing gab es nun 4-2-2-2 artige Strukturen zu sehen, bei dem das Vorrücken von Hamsik weiter eingebunden wurde, sodass dieser teilweise auf einer Linie mit Mertens agierte. Callejon und Insigne belauerten weiterhin die Passwege zu den AV´s, während Zielinski und der Diawara im Mittelfeld absicherten. Bei den Italienern gelang es nun immer besser, dauerhaft für Kombinationen nutzbare Dreiecke herzustellen.

Hier zeigte sich die größte Stärke der Sarri-Mannen, indem sie sich häufiger mit technischen höchst anspruchsvollen One-Touch Kombinationen aus dem Pressing der Citizens befreiten. Die athletischen Insigne und Callejon wurden dadurch mehr eingebunden. Beide konnten nun mit ihrem diagonalen Movement Richtung Tor immer wieder Gefahr entfachen. Gerade über die linke Seite mit dem ankurbelndem Hamsik und dem dribbelstarken Ghoulam brachten sie die Engländer immer wieder in Verlegenheit.

Ghoulam diente ähnlich wie Hysaj auf der anderen Seite als Breitengeber. Nur leichte Unsauberkeiten in der Vorbereitung der Chancen verhinderten hier, dass Napoli zu hochkarätigen Abschlüssen kam. Außerdem vergab Mertens einen Elfmeter.

Manchester City passte nun auch das eigene Aufbauspiel an. Es gab Szenen, in denen John Stones ins Zentrum rückte, während Fernandinho seine Rolle des rechten Innenverteidigers übernahm. Der englische Innenverteidiger machte ein sensationelles Spiel und destabilisierte den Gegner immer wieder mit seinen raumüberbrückenden Pässen.

 

Screenshot von BT Sport.

 

Hier ist Fernandinho nicht im Bild, weil er bereits aufgerückt ist, um bei einem langen Ball direkt ins Gegenpressing kommen zu können. Stones steht sehr zentral, während Walker seine Position übernommen hat. Der Passweg zu ihm wird von aber nicht im Bild befindlichen Insigne belauert, sodass Ederson sich für einen langen Ball entscheidet.

Die umgestellte Systematik änderte aber wenig daran, dass Napoli auch in der zweiten Halbzeit immer stärker aufspielte. Die Einzelspieler zeigten auch häufiger starke Dribblings, um sich aus dem Gegenpressing zu lösen. Bei Fernandinho und Delph wurde deutlicher, dass sie individuell nicht auf allerhöchstem Niveau sind. Beide zeigten kleine Schwächen im Aufbauspiel.Fernandinho verursachte auch kurz vor Schluss nach einer starken Einzelaktion Ghoulams einen Elfmeter. Diawara verwandelte diesem zum verdienten 2:1. Der 20-jährige machte auch sonst einen sehr guten Job im zentralen Mittelfeld und erwies sich als ballsicher und passstark.

Den Italienern gelang es jedoch nicht mehr, den Ausgleich zu erzielen, welcher auch etwas schmeichelhaft gewesen wäre. Der englische Meister demonstrierte in den letzten Minuten seine ganze Klasse im Aufbauspiel und ließ trotz zunehmendem Drucks den Gegner immer wieder ins Leere laufen. Es war beeindruckend zu sehen, dass ein Team in einer Situation, in der die meisten Teams ausschließlich auf Befreiungsschläge setzen und sich hinten verbarrikadieren, mit einer solchen Ruhe von hinten heraus aufbaut.

Fazit

Im Spiel wurden die Unterschiede zweier Teams deutlich, welche sich strategisch sehr ähnlich sind: Manchester machte das Spiel möglichst breit, um den Gegner auseinanderzuziehen. Pässe auf den Flügel zu Sterling bzw. Sane wurden auch genutzt, um den beiden isolierte Situationen zu ermöglichen, in denen sie Richtung Grundlinie durchbrechen können, um eine Flanke bringen zu können. Wenn die Staffelung für die beiden nicht ideal ist, versucht City den Gegner hier anzulocken, um das Spiel wieder aufzulösen.

Im Offensivspiel der Italiener gibt es keine isolierten Situationen am Flügel, stattdessen sollten die beiden Flügelspieler sich vorrangig diagonal bewegen. Um den Gegner anzulocken, überladen die Neapolitaner lieber den Halbraum und zieht sich dort eng zusammen. Der englische Meister war gezwungen, sich ebenfalls dort zu ballen und Napoli löste sich wiederum.

Im Aufbauspiel agierte City mit viel “Vertikal-Klatsch” auf einen dritten Mann, indem kein “sauberes” Dreieck hergestellt wurde, sondern der dritte Mann meistens leicht schräg hinter dem Passempfänger des Vertikalpasses stand. Dieses Stilmittel wurde bevorzugt im Aufbauspiel genutzt, im Offensivspiel war dies eher selten zu sehen. Sarris Mannschaft bildet hingegen sehr saubere Dreiecke. Diese wurden vorrangig im zweiten Drittel genutzt, um dort den Gegner anzulocken und das Spiel wiederum aufzulösen. Im Spielaufbau gab es dafür seltener herausragende Szenen als beim Gegner.

Dieses Spiel war das für mich beste Spiel der Saison. Zwei Teams mit herausragenden Trainern und gutem bis sehr gutem Spielermaterial lieferten sich ein Spiel, welches besonders für Fans von Ballbesitzspiel unheimlich attraktiv war.

Napoli zeigte sehr saubere Strukturen in eigenem Ballbesitz, die Dreiecksbildung funktionierte im Laufe des Spiels immer besser und einzelne One-Touch Kombinationen waren schlichtweg Weltklasse. Doch auch indivuell gesehen zeigten sie eine starke Leistung. Koulibaly war als Innenverteidiger nicht nur physisch sehr präsent, sondern zeigte auch eine souveräne Leistung im Aufbauspiel. Diawara war wie bereits erwähnt sehr ballsicher und bewies eine nicht nur für einen 20-jährigen beeindruckende Ruhe.

Lest auch “Götterdämmerung am Vesuv”. Hier gehts zum Text.

Hamsik strahlte eine unheimliche Energie im Pressing und mit Ball aus. Außerdem initiierte er einige gefährliche Angriffe im Verbund mit dem durchschlagskräftigen Insigne. Dries Mertens vergab zwar einen Elfmeter, zeigte aber vereinzelt technisch sehr anspruchsvolle Ablagen und agierte trotz seiner geringen physischen Präsenz als Wandspieler. Auch das Timing, mit dem er sich für diese Ablagen fallen ließ, war sehr sauber.

Die Citizens zeigten ebenfalls ansprechende Strukturen im Aufbauspiel, doch wodurch sie sich den Sieg schlussendlich verdienten, war ihr Gegenpressing. Vor allem in der Anfangsphase ließen sie den Kontrahenten kaum atmen, so schnell hatten sie den Ball bereits zurückerobert. Hier war Jesus im Vergleich zu Agüero als Sturmspitze die bessere Wahl, da er ein sensationelles Timing im Herausrücken besitzt und so besonders bei Albiol einige unkontrollierte Pässe provozierte.

Otamendi dribbelte immer wieder an und zwang den Gegner so zum Verschieben, während sein Pendant Stones im Passspiel noch zwingender und raumüberbrückender war. De Bruyne strahlte ähnlich wie sein Gegenüber Hamsik eine wahnsinnige Energie mit und ohne Ball aus, allerdings war er noch durchschlagskräftiger in Tornähe. Die Pärchenbildung von Silva und Sane funktionierte gut, auch wenn Sane keinen guten Tag erwischte. Der Deutsche traf einige hektische Entscheidungen mit Ball und ihm unterliefen einige Stockfehler.

Doch am beeindruckendsten war die Leistung der Neuverpflichtung Ederson: Der brasilianische Torwart war einer der Hauptgründe dafür, dass Napolis Angriffspressing so häufig versandete. Ederson löste das Pressing immer wieder unter höchstem Druck mit technisch hochwertigen One-Touch Pässen ins Mittelfeld auf. Zusätzlich war der Gegner bei Abstößen dazu gezwungen aufgrund seiner unfassbaren Reichweite im Passspiel zwischen den verschiedenen Mannschaftsteilen große Abstände zu lassen. Wenn die Innenverteidiger wie im Angriffspressing üblich bis zur Mittellinie vorgerückt wären, könnte Ederson sie schlichtweg überspielen.

Nach diesem denkwürdigen Spiel verliefen die Saisons der beiden Teams unterschiedlich: Napoli schied bereits in der Gruppenphase der Champions League aus, verlor in der Europa League gegen RB Leipzig und musste sich auch im Meisterschaftsrennen Juventus geschlagen geben. Manchester City brach in der Premier League den Rekord für die meisten Punkte mit 100 von 114 möglichen Punkten. In der Champions League flogen sie in zwei aufregenden Spielen im Viertelfinale gegen den FC Liverpool raus.

Auf das morgige Duell dürfen wir gespannt sein: Wie gliedern sich jeweils die wichtigsten Neuzugänge ein (Jorginho bei Chelsea, Mahrez bei City)? Ist es Sarri gelungen, innerhalb so kurzer Zeit die Spielkultur der Londoner umzustellen? Wird Chelsea in der von Sarri bevorzugten 4-3-3 Formation auflaufen?

Auch wenn es „nur“ ein Spiel im Community Shield ist, so steckt doch einiges an Brisanz in der Partie, spätestens seit Jorginho Manchester City trotz vorheriger Zusage abgesagt hat, um seinem alten Trainer nach London zu folgen. Doch wird dies nicht das einzige Duell der beiden in dieser Saison bleiben, stattdessen können sich die Fans auf mehrere spannende Partien freuen, die für den Ausgang der Premier League entscheidend sein könnten.

Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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