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Sporting CP – Ein Verein zerstört sich selbst

Gibt es für einen Club ein größeres Horrorszenario als sämtliche Leistungsträger zu verlieren und im Gegenzug fast gar nichts dafür zu bekommen? Sporting ist gerade dabei dies herauszufinden.

Seitdem Bruno de Carvalho 2013 zum Präsidenten des Vereins gewählt wurde, ging der Trend bei Sporting dauerhaft nach oben. Man verkürzte die Distanz zu Benfica und Porto, den beiden Mächten in Portugal. 2015 gewann man sogar den Taça de Portugal nach Elfmeterschießen gegen Sporting Braga. Weiterhin entwickelte der Club hoffnungsvolle Talente und verbuchte mit ihnen ordentliche Erlöse. Vier der fünf wertvollsten Transfers entstammen aus dieser Periode.

Besonders auffällig ist dabei die Dominanz an starken Flügelspielern, die aus der Academia Sporting hervorgegangen sind. Von Figo und Simão über Cristiano Ronaldo und Nani bis hin zu aktuellen Tempodribblern wie Gelson Martins und Daniel Podance. Rui Caeiro, seines Zeichens Repräsentant der Jugendakademie, beschreibt die Ausbildung der Außenstürmer folgendermaßen: „In Trainingsspielen lassen wir im Zentrum stets mit zwei Kontakten Spielen und auf dem Flügel ohne Kontaktbegrenzung. Die Spieler sollen am Flügel ins Dribbling gehen, Eingaben schlagen und Tore schießen.“

Sporting schien also in eine rosige Zukunft zu blicken und der erste Liga-Titel seit 2002 schien nicht mehr allzu fern. Aber de Carvalho ist eben ein verrückter Typ. Also nicht „positiv verrückt“. Der Typ schlägt manchmal einfach über die Stränge.

So betitelte er die West-Ham-Bosse David Sullivan und David Gold im letzten Sommer als „Dildo Brüder“ und suspendierte im April 19(!) Spieler. Grund für die Suspendierung waren eine Befleckung des guten Namens von Verein und Präsident. Diese wurde jedoch prompt wieder aufgehoben. Trainer Jorge Jesus verlangte nach diesem Intermezzo eine sofortige Freistellung. Seit dem 06.06. ist er offiziell nicht mehr im Verein und mittlerweile bei Al-Hilal Riad.

Wer jetzt denkt, dass es chaotischer nicht mehr werden könnte, sieht sich getäuscht.

Nachdem Sporting in der Liga doch noch die CL-Plätze verpasste, wurde das Trainingsgelände von einer großen Menge Fans gestürmt. Das Pokalfinale wurde kurze Zeit später ebenfalls verloren, aber darüber sprach kaum einer mehr.

Fans attackierten einige Spieler körperlich. Bas Dost erlitt sogar Schnittwunden am Kopf. Viel schlimmer waren aber die mentalen Verletzungen. Fans beschuldigten Bruno de Carvalho eine so aufgeladene Stimmung eskalieren gelassen zu haben. Zudem kümmerte sich der Präsident nicht um ausreichenden Schutz für seine Spieler.

In Folge dessen machten sich einige Spieler – verständlicherweise – Gedanken um ihre Zukunft im Verein. Der langjährige Kapitän und Keeper Rui Patricio verfasste einen 34-Seitigen Abschiedsbrief, wo er nochmals die Ereignisse schilderte. Daniel Podence, der den gleichen Berater wie Patricio besitzt, tat es ihm gleich.

Die Kündigungswelle schwappte Anfang dieser Woche erneut über Lissabon. Neben dem erst im Sommer für 10 Mio.€ gekommenen Bruno Fernandes baten die Eigengewächse Martins und William um Freigabe. Der Topscorer der letzten beiden Saisons, Bas Dost, soll der sechste sein. Für de Carvalho sind diese Briefe jedoch keine wirkliche Grundlage, um Transfers in Erwägung zu ziehen.

Unabhängig davon, dass diese ganze Geschichte weitreichende Folgen für die portugiesische Liga und die Nationalmannschaft haben könnte, ergeben sich für viele Vereine interessante Transfers.

Rui Patricio, seit 10 Jahren Stammkeeper bei Sporting, stand im Sommer bereits kurz vor einem Wechsel zu Wolverhampton. Dass es ihn nach der WM zum Aufsteiger zieht, ist am naheliegendsten. Dennoch sollten gerade Liverpool und der BVB die Fühler nach dem 30-Jährigen ausstrecken. Sein Profil ist überaus komplett. Er besitzt eine sehr starke Strafraumbeherrschung und ist mit Ball am Fuß enorm sauber. Auf der Linie zeichnen ihn eine präzise Beinarbeit gepaart mit guter Positionierung aus. Trotz seiner Ausstiegsklausel dürfte er für etwa 20 Mio.€ zu haben sein und eine Verstärkung für jedes CL-Team darstellen.



Ähnliches gilt für William Carvalho. Der 26-Jährige wird seit einiger Zeit stark mit West Ham United in Verbindung gebracht. Bereits bei der EM 2016 gehörte er zum Stammpersonal Portugals und wird auch bei der WM eine tragende Rolle einnehmen. Schwer vorzustellen, dass er zu einem Mittelfeldteam wechseln wird. Arsenal, Manchester United oder Everton, die unter Marco Silva (endlich) oben angreifen könnten, gelten als Interessenten. Der portugiesische Bulle dürfte in der Premier League schnell Fuß fassen.

Gelson Martins ist ebenfalls ein Name, der künftig für Furore in Europas Flügelzonen sorgen dürfte. Seine explosive Spielweise zusammen mit seinem eleganten Laufstil und enger Ballführung ergeben einen der gefährlichsten Flügelspieler Europas. 26 Torbeteiligungen in dieser Saison sprechen für sich. In 1-gegen-1-Situationen ist er mitunter noch ein wenig unsauber, wenn es darum geht die strategisch richtige Entscheidung zu treffen. Gerade für Manchester United wäre er ein echtes Upgrade auf dem Flügel.

Der nächste Mann, dessen kommender Transfer in der Kategorie „Schnapper“ steht, ist Bruno Fernandes. Der zweitteuerste Transfer der Sporting-Geschichte war einer der Leistungsträger in der abgelaufenen Saison. 16 Tore und 20 Vorlagen in 56 Spielen stehen zu Buche. Er ist durchaus als eine Art klassischer Zehner einzuordnen. Er ist im letzten Drittel überaus aktiv und kreativ, ohne jedoch die strategische Weitsicht eines Özil. Dennoch besitzt er eine hervorragende Technik, dirbbelt gern und sucht oft den tödlichen Pass. Gegen den Ball ist er sehr handlungsschnell und nutzt seinen Deckungsschatten intelligent. Seitdem der Wechsel Fekirs geplatzt ist, könnte Klopp seine Fühler nach dem 23-Jährigen Portugiesen ausstrecken. Nur für den Fall. Bei Villarreal oder gar Atletico kämen seine Stärken ebenfalls gut zur Geltung.

Fakt ist, dass es in diesem Sommer ein Wettbieten um sämtliche Sporting-Stars geben wird. Da nützt auch der von Bruno de Carvalho angekündigte Rücktritt nichts. Sporting war wenige Jahre wieder auf gutem Wege die großen Zwei Portugals unter Druck zu setzen. Dem steilen Aufstieg folgte ein freier Fall. Mittlerweile steht der harte Aufprall kurz bevor.

Sascha
Hat genauso eine Daseinsberechtigung wie Torrichter während der Champions League Spiele. Passionierter Schachtelsatzschreiber. Gilt intern nicht umsonst als L’Akquisiteur – wenn nicht da, dann zumindest bei sich selbst. Man soll sich immerhin treu bleiben wie Javier Pinola den Überresten seiner Haare. Glaubt noch immer, dass in Enes Ünal ein Weltklassestürmer schlummert, den aber nicht einmal Houdini hervorzaubern könnte. Einziges Vorbild von Max Dettmer.

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