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Swansea City – Vom hässlichen Entlein zum eleganten Schwan

Die ersten Reaktionen, die ich in der Regel erhalte, wenn ich mit meinem Swansea-Trikot beim Freizeitkick oder anderswo erscheine, reichen von Unverständnis bezüglich der Vereinswahl, über verächtliche Anerkennung, bis hin zur Frage, was da vorne überhaupt auf dem Trikot steht.

Ein in asiatischer Schriftart angehauchter GWFX-Print prangert auf der Vorderseite des Jerseys, das Logo einer Investmentgruppe aus Fernost.

Doch was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Warum ist ein asiatischer Finanzdienstleister Hauptsponsor eines walisischen Clubs aus der „ugly, lovely town“, wie sie Swanseas berühmtester Dichter Dylan Thomas einst liebevoll nannte? Wie wurde aus diesem kleinen „Pissverein“ ein etabliertes Premier League-Team, das sogar in der Europa League spielte?

Turbulente Anfänge

Als 1912 Swansea Town AFC gegründet wurde, war man eine wahre Rarität in Wales: Bis dahin waren Fußballclubs in dieser Region wenig gefragt, da Rugby hier die vorherrschende Sportart jener Jahre war.

Folglich teilte man sich das erste „Stadion“, das Vetch Field, inmitten von Gurkenfeldern und anderem angebauten Gemüse. Der Traum eines jeden Kreisliga-Kickers!

In der ersten Saison gewann der neugegründete Verein prompt den walisischen Pokal und erreichte ein Jahr später als erstes Team Wales‘ die erste Runde des FA Cups. Dort schlug man sensationell die Blackburn Rovers, zu jener Zeit das Topteam schlechthin im englischen Vereinsfußball.

Das ist etwa so sensationell, als würde ein Fast-Absteiger im Jahr darauf den Ligatitel holen. Ihre Spielweise war, wie für diese Zeit auf der Insel üblich, sehr körperlich geprägt gewesen.

Die Beziehung zum Rugby war augenscheinlich, auch der unbedingte Siegeswille der stolzen Swans, die in jenem Spiel gegen Blackburn die letzten 15 Minuten sogar mit nur neun Mann spielten.


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Die Schwäne waren auf dem besten Weg, sich etwas aufzubauen, wären da nicht die beiden Weltkriege gewesen, die sie, wie viele andere Vereine auch, in finanzielle Nöte brachte. Dennoch schaffte man 1925 den Aufstieg in die Second Division, indem sie am letzten Spieltag Exeter City mit 2:1 wieder Heim schickten.

Beeindruckend war dabei, dass sie keines ihrer Heimspiele verloren. Im darauffolgenden Jahr erreichten Sie das Halbfinale des FA Cups, ihr bis 1964 größter Erfolg der Vereinsgeschichte.

In einem Freundschaftsspiel schlugen sie Real Madrid mit 3:0 und erreichten 1926/27 wieder das Viertelfinale des FA Cups, ehe die Waliser gegen Reading ausschieden.

Nachdem sie sich nach dem ersten Weltkrieg in der Second Division etabliert hatten, stiegen sie nach Ende des zweiten Weltkrieges erstmals seit 1925 in die Third Division ab.

Ein anschließender Wiederaufstieg im Folgejahr war der Startschuss für eine 15 Jahre andauernde Residenz in der Second Division, angeführt von Swanseas Star dieser Tage, Ivor Allchurch, der über 150 Tore in weit über 400 Spielen für Swansea erzielte.

Alles in allem lebte Swansea Town ein recht tristes Dasein als Mittelfeldteam. Das Ende dieser recht stabilen Ära fand dann 1964 statt, als die Swans abermals das Halbfinale des FA Cups erreichten und auf ihrem Weg dahin sogar den FC Liverpool mit 0:2 an der Anfield Road schlugen.

Schwäne im Sturzflug

So schön sich diese Story auch lesen mag, am Ende der Saison ging es wieder in Third Division. Den sofortigen Wiederaufstieg schaffte man nicht, stattdessen fanden sich die Schwäne Ende der 60er Jahre irgendwo in der vierten Liga wieder.

Anfang 1978 entschied man sich, den ehemaligen Liverpool-Stürmer John Toshak als Trainer zu verpflichten, der zum damaligen Zeitpunkt nicht mal 28 Jahre alt war.

Dieser hauchte den mittlerweile in Swansea City AFC umbenannten Schwänen wieder neues Leben ein: Es folgte ein Durchmarsch bis an die Spitze der First Division. Funfact: Trainer Toshak wechselte sich im Aufstiegsspiel 1979 für die Second Division selbst ein und erzielte das entscheidende Tor gegen Chesterfield. John Toshak, most badass of Wales!

Wie auch immer: Dem rasanten Aufstieg folgte ein ebenso rasanter Fall. Aufgrund von vielen Verletzungen und diversen Abgängen von Leistungsträgern fanden sich die Swans in der Third Division wieder.


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Die totale Implosion konnte einzig der Geschäftsmann Doug Sharpe verhindern, der den Verein vor dem finanziellen Crash bewahrte. Es nützte jedoch alles nichts: Swansea City musste wieder in die 4. Liga runter, dort, wo sie acht Jahre zuvor begonnen hatten.

Auch die Folgejahre gestalteten sich schwer: bis in die späten Neunziger hinein krebste man irgendwo in der Bedeutungslosigkeit herum. Die Achtungserfolge im FA Cup vergangener Dekaden blieben aus und so verflog Swanseas Zauber, sollte er überhaupt jemals existiert haben.

Fuck you very much!

Als um die Jahrtausendwende mit Tony Petty ein australischer Geschäftsmann das Ruder bei den Swans übernahm, machte sich Unmut bei den Fans breit. Und das ist noch harmlos ausgedrückt.

Unter Pettys Leitung wurden zahlreiche Verträge aufgelöst, Verantwortliche gefeuert und es drohte der Identitätsverlust Swanseas. Wenn man die Fans dieses Vereins verstehen will, muss man das Umfeld kennen. Menschen, die ihr letztes Hemd für einen Stadionbesuch geben würden, die stolz sind auf ihre „ugly lovely town“.

Der hier vorherrschende Traditionsgedanke widersprach also den Vorstellungen Pettys. So wie man St. Pauli den Totenkopf nicht nehmen kann, kann man diese Vorstellungen nicht bei Swansea einpflanzen


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So entschlossen sich die Fans Anfang 2002, den Club von seinen 300.000 Pfund Schulden zu befreien und Tony Pettys Anteile für 25.001 Pfund abzukaufen. Den einen Pfund schmissen ihm die Köpfe dieses „Aufstandes“, David Morgan und John van Zweden, in kleinen Münzen vor die Füße.

Anhand dieser beiden lässt sich Swanseas Selbstverständnis und Kultur wohl am besten verdeutlichen: Aufgrund seiner schlechten Englischkenntnisse versuchte der Niederländer John van Zweden 1978 eine Brieffreundschaft mit einem Muttersprachler herzustellen und stellte kurzerhand eine Annonce in Swanseas Stadionheft.

Allein schon auf diese wahnwitzige Idee zu kommen, so etwas in ein Programmheft eines unterklassigen Vereins zu setzen ist für mich sensationell. Der Waliser David Morgan reagierte auf diese Annonce und es entstand eine Freundschaft fürs Leben.

Seit dieser spektakulären Übernahme gehört dem „Swansea City Supporters Trust“ 20% des Vereins und ist auch mitverantwortlich dafür, dass es mit Verein nach dem Fastabstieg im Jahre 2003 gegen Hull City wieder bergauf geht. Steil bergauf sogar.

In Roberto we trust

Nach der Rettung im letzten Saisonspiel 2003 zogen die Swans zu Beginn der Saison 2005/2006 ins Liberty Stadium um, wo man das erste Pflichtspiel prompt gegen die Tranmere Rovers mit 1:0 gewann. Man war wieder jemand.

Swanseas Stolz und Zusammenhalt zeigte sich jetzt auch abseits des Platzes. Die Idee, dass der Verein von Personen aus dem Umfeld gefördert werden solle, fruchtete.

Mitte der Saison ersetzte man Trainer Kenny Jackett durch einen gewissen Roberto Martínez. Der Spanier war bereits Teil des 2003er Teams und mit dem Umfeld Swanseas bereits bestens vertraut.

Nachdem man aufgrund einer 6:3-Niederlage am letzten Spieltag gegen Blackpool nur knapp die Play-Offs verpasste, wollte man in der Saison 2007/2008 den großen Wurf schaffen: Martínez sollte die Swans aus der League One hinein in die Championship, Englands zweithöchster Spielklasse, führen.

In dieser Saison überzeugte Martínez‘ Team mit einer für diese Zeit moderne Spielweise: Sie verschoben bereits sehr aggressiv und raumorientiert und fokussierten bei eigenem Ballbesitz immer wieder ihr überragendes Sturmduo Scotland-Bauza.

Zusammen erzielten die beiden in dieser Saison 42 Tore. Weiterhin hatte man mit dem Engländer Andy Robinson einen ebenfalls torgefährlichen und kreativen Offensivmann in den eigenen Reihen.



In der Defensive sorgten Garry Monk, Dennis Lawrence, sowie der vor der Saison verpflichtete Ángel Rangel für Stabilität und besonders Rangel für offensive Akzente. Im Mittelfeld dribbelte neben Leon Britton das englische Raubein Darren Pratley auf.

Formativ wechselte man immer wieder zwischen flachen 4-4-2 Anordnungen oder Rautenformationen. 18 Spiele lang waren die Schwäne unbesiegt, am Ende standen 92 Punkte, bis dahin unerreicht von einer walisischen Mannschaft, und der Aufstieg in die Football League Championship.

Mit dem Titelgewinn verlängerte Martínez seinen Vertrag bei den Swans und setzte ein Zeichen für die Zukunft.

Schließlich war der Verein nach 24 Jahren Abstinenz wieder in der zweiten Liga angekommen. Die Rückkehr war zunächst ernüchternd: Das erste Spiel verlor Swansea auswärts bei Charlton Athletic mit 2:0.

In den folgenden 30 Spielen verlor man jedoch nur vier Partien, womit der Klassenerhalt frühzeitig gesichert war. Hinzukam dieser alte, fast vergessene Swansea-Flair in Pokalspielen.

Im FA Cup haute man mal eben den Titelverteidiger Portsmouth mit 2:0 aus dem Wettbewerb. Am Ende stand ein solider achter Platz für die Schwäne.

Martínez, der die Auszeichnung zum Trainer des Monats in zwei aufeinanderfolgenden Monaten zum Jahresende gewann, weckte mittlerweile Begehrlichkeiten bei größeren Clubs.

Er betonte jedoch immer wieder, dass er Swansea die Treue halten wolle und das Team nicht von sich aus verlassen will. Sicher keine schlechte Aussage, sich dem Club so zu verschreiben.

Gegen Ende der Saison kritisierte er jedoch öffentlich ehemalige Spieler, die Swansea für Titel oder Geld mutmaßlich verließen. Aufgrund solcher Kleinigkeiten tat sich eine komische Stimmung im Umfeld der Swans auf, was letztlich unter anderem dazu führte, dass Martínez zu Beginn der Saison 2009/2010 bei Wigan Athletic anheuerte.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Aber Swansea City wäre nicht Swansea City, wenn man darauf keine passende Antwort finden würde. Ab Juli 2009 nahm mit Paulo Sousa abermals ein Vertreter des modernen Fußballs das Zepter in die Hand.

Sousa ließ ein Stück weit defensiver und weniger spektakulär spielen, als es noch Martínez tat. Er integrierte das Juego de Posicíon, das Ballbesitzspiel bei den Walisern. Zusätzlich verstärkte man sich mit Spielern wie Nathan Dyer und verlängerte den Vertrag von Leistungsträger Ashley Williams.

Hier legte Sousa bereits den Grundstein für die kommenden Jahre und führte das weiter, was Martínez in den Jahren zuvor aufgebaut hatte. Am Ende der Saison scheiterte man nur knapp an einer Platzierung für die Play-Offs.

Überschattet wurde diese Saison einzig vom tragischen Tod ihres Stürmers Besian Idrizaj. Der Österreicher starb im zarten Alter von 22 Jahren an einer Herzattacke. Die Rückennummer 40 wird seitdem bei den Swans nicht mehr vergeben.

Nach Ablauf der Saison verließ Paulo Sousa die Waliser wieder, um bei Leicester City seine Arbeit zu verrichten. Nach gerademal einem Jahr mussten sich die Verantwortlichen bei Swansea nach einem neuen Trainer umschauen.

Jeder normale Club hätte womöglich kein so gutes Händchen gehabt wie der Swansea City AFC. Sie holten den soeben bei Reading gescheiterten Brendan Rodgers für die Saison 2010/2011. Er verband die beiden Spielweisen seiner Vorgänger.

Er vermischte Martínez‘ offensiven, pressingfokussierten Fußball mit jener strukturierter Spielweise, die das Team unter Sousa an den Tag legte. Mit Nathan Dyer und dem vor der Saison von Chelsea transferierten Scott Sinclair hatte Rodgers auf den Flügeln pfeilschnelle Akteure, die immer wieder diagonal in die gefährlichen Zonen starteten.

Sinclair erzielte wettbewerbsübergreifend 24 Treffer, war in seiner ersten Saison Topscorer der Schwäne.

Weiterhin kam mit Neil Taylor ein überaus talentierter Linksverteidiger nach Südwales, der sofort das Vertrauen seines nordirischen Trainers genoss.

Im Mittelfeld war neben Darren Pratley der junge Joe Allen eine wichtiger Spieler in Rodgers Spielweise: Allen hat ein hervorragendes Gespür dafür, eigene Spielzüge einzuleiten. Er konnte das Spiel aus der Tiefe heraus bestimmen und im Verlaufe des Angriffs nach vorn rücken.

Ebenso war er für die Ballzirkulation in höheren Zonen wichtig, da er über eine sehr saubere Technik und Ruhe am Ball verfügt.

Pratley hatte hier eine ähnliche Rolle inne, wie sie derzeit Arturo Vidal bei den Bayern besitzt: Er rückte bei Flanken immer wieder aggressiv in den Sechzehner auf und erzielte in dieser Saison 11 Treffer.

Im Winter kehrte der „verlorene Sohn“ wieder ins Liberty Stadium zurück: Leon Britton.

Vor der Saison ging er ablösefrei zu Sheffield United, ehe er im nächsten Transferfenster umgehend zurückkehrte. Zudem lieh man das Sturmtalent Fabio Borini von Chelsea aus.

Auch hier besaß Rodgers ein gutes Gespür: Der Italiener erzielte in seinen neun Einsätzen sechs Treffer für die Schwäne und trug seinen Teil zum dritten Platz bei, der sie für eine Teilnahme an den Play-Offs berechtigte. Jene Play-Offs für die Premier League.

Ich glaub‘ mein Schwan pfeift!

In diesen Play-Offs traf man im Halbfinale zunächst auf Nottingham Forest. Bereits nach zwei Minuten sah Neil Taylor damals die rote Karte.

Zu zehnt brachten die Swans das 0:0 über die Zeit, und so trafen die Teams vier Tage später im Liberty Stadium aufeinander. Leon Britton und Stephen Dobbie trafen innerhalb von fünf Minuten.

Erst kurz vor Schluss kam Nottingham nochmals ran, ein später Treffer vom aufopferungsvoll kämpfenden Pratley führte dann die Entscheidung herbei.

Im Endspiel stand Brendan Rodgers Team dann Reading gegenüber, für die er drei Jahre selbst in der Jugend spielte aber aufgrund einer Verletzung im Alter von 20 Jahren seine Karriere beendete und von da an über viele Jahre Jugendtrainer und später sogar Cheftrainer war Austragungsort war kein geringerer als das legendäre Wembley Stadium.

Tausende Anhänger der „Swans Army“ hüllten das Nationalstadion Englands in schwarz und weiß. Rodgers verkniff sich beim Einlaufen seiner Schwäne sogar die ein oder andere Träne. Ein Doppelschlag Scott Sinclairs in der 21. und 22. Minute brachte die Waliser in Führung.

Dem 0:1 ging ein Elfmeter, herausgeholt durch Nathan Dyer, voraus. Verursacher? Mein persönlicher Superstar – zumindest, was den Namen angeht: Zurab Khizanishvilli.

Auch beim aus Swansea-Sicht 3:0 hatte der georgische Innenverteidiger seine Füße im Spiel: Beim Klärungsversuch spielte er Dobbie genau in den Fuß, der wenig Mühe hatte, den Ball über die Linie zu drücken.

Was nach einer lockeren zweiten Hälfte aussah, entwickelte sich zu einem echten Nervenkrimi: Joe Allen traf nur vier Minuten nach Wiederanpfiff ins eigene Tor. Der aufgerückte Innenverteidiger Matt Mills traf nach einer knappen Stunde zum 2:3-Anschlusstreffer.

Brendan Rodgers beschreibt die folgenden 20 Minuten gerne als „gelebter Horror“. Eine vermeintlich klare Angelegenheit schienen die Swans doch noch aus der Hand zu geben.

Reading erspielte sich Chancen, traf dabei sogar das Aluminium oder Keeper Dorus de Vries musste sein Können unter Beweis stellen. Es folgte die 79. Spielminute: Fabio Borini stahl sich im Strafraum davon und konnte nur noch durch ein Foulspiel gestoppt werden.

Den fälligen Elfmeter verwandelte abermals Scott Sinclair im von ihm aus linken unteren Eck. Wembley schien von den Swans abgerissen zu werden. Mit Idrizaj-Shirts feierten die Spieler den Aufstieg. Wie familiär und geschlossen kann ein Verein überhaupt sein?

Damit standen die Waliser zum ersten Mal seit der Gründung der Premier League Anfang der 90er Jahre im Oberhaus des englischen Vereinsfußballs.

Ihr Premier League-Debüt ging allerdings gehörig in die Hose, als man mit 4:0 bei Manchester City unterging und erst am fünften Spieltag gegen West Bromwich die ersten eigenen Treffer erzielte.

Auch sonst verlief die Hinrunde eher schleppend: hohen Niederlagen gegen Chelsea, Arsenal oder Blackpool folgten immerhin Siege gegen die direkte Konkurrenz.

Brendan Rogers musste feststellen, dass seine Spielweise verbunden mit dem vorhandenen Spielermaterial vorerst noch keine Erfolge gegen den physischen Fußball der Premier League generieren konnte.

Zwar punktete Swansea regelmäßig gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte, gegen die Top-Teams setzte es jedoch Pleiten. Wenn sich zwei Teams auf Augenhöhe befinden, setzt sich in der Regel jenes mit den besseren Individualisten durch.

Diesem Mangel an Einzelkönnern versuchte Rodgers in der Rückrunde entgegenzuwirken: Aus Hoffenheim lieh man sich Gylfi Sigurðsson für den Rest der Saison aus. Schnell avancierte der Isländer zu einem zentralen Bestandteil im Spiel der Swans.

Der offensive Mittelfeldspieler gab dem Angriffsspiel der Waliser die nötige Direktheit und jenen Zug zum Tor, der noch in der Hinrunde fehlte. Arsenal schlug man zu Jahresbeginn sensationell mit 3:2, Chelsea trotze man ein Unentschieden ab und der spätere Meister Manchester City wurde mit 1:0 im heimischen Liberty Stadium bezwungen.

Auffällig war hier einmal mehr, mit welcher Konstanz die Schwäne versuchten ihr konstruktives Flachpassspiel gepaart mit Raumkontrolle durchzudrücken. Sigurðsson wurde in dieser Phase der Saison sogar zum Spieler des Monats erklärt.

Ab hier geriet Swansea nicht mehr in ernsthafte Abstiegssorgen. Die eigentliche Hiobsbotschaft kam erst zum Ende der Saison: Brendan Rodgers, das Gesicht des Swansea-Erfolges, jener Mann, der den Underdog-Fußball mit Ballbesitzanspruch etablierte, verließ „seine“ Swans für den Liverpool FC.

Gylfi Sigurðsson wollte man nach der Saison wenig überraschend fest verpflichten, letztlich gingen die Hoffenheimer aber nicht auf die von Swansea gebotenen 8,5 Millionen Euro ein. Dass er wenig später für fast die gleiche Summe in Tottenham landete, ist vielen heute noch ein Rätsel.

Hispanisierung des Schwanenlandes

Zur neuen Saison kam der Däne Michael Laudrup, der vorher bei RCD Mallorca tätig gewesen war, jedoch aufgrund von Unstimmigkeiten mit der Clubführung Ende September 2011 das Handtuch geschmissen hat.

Laudrup kam natürlich nicht alleine nach Wales; er brachte sich zahlreiche Spieler mit, die seinem Ideal entsprachen.

Chico Flores und Pablo Hernández gehörten zur spanischen Garde, welche sich insgesamt für etwa acht Millionen Euro das Trikot mit dem Schwan überstreiften. Der Südkoreaner Ki Sung-Yueng war ebenfalls ein Wunschspieler des Dänen.

Er kam für knappe sechs Millionen Taler nach Wales. Jenes Geld, welches man für Joe Allen vom Liverpool FC bekam, wurde gänzlich in neue Spieler investiert – ebenso wie die sechs Millionen, welche man mit dem Verkauf Scott Sinclairs an Manchester City erzielte.

Als Königstransfer sollte sich jedoch ein schlaksiger Mittelfeldspieler herausstellen, der zum Torjubel regelmäßig wie Luca Toni am Ohr schraubte: Miguel Pérez Cuesta, in Fachkreisen auch Michu genannt.

Selten personifizierte ein einziger Spieler die Spielweise eines Clubs so eindrücklich wie der Spanier. Am ehesten schafft dies vielleicht noch Leon Britton oder Xavi Hernández.

Michu war in dieser Saison für Swansea das, was Lionel Messi für Barcelona war: Zentraler Fixpunkt bei sämtlichen Angriffen, Initiator bei Torchancen und ein Killer vor dem Tor. Bei Rayo Vallecano war er bis dahin vornehmlich im Mittelfeld als robuster vorstoßender Achter eingesetzt wurden.

Laudrup schob ihn um eineinhalb Positionen nach vorn, auf die Stürmerposition. Michu interpretierte diese taktisch jedoch sehr unorthodox, indem er zwischen einer hohen Position als klassischer Neuner, einer spielmachenden Zehnerrolle und einer Rolle als hängende Spitze variierte.

Mal ließ er sich nach hinten fallen, um den Ball ins letzte Drittel zu tragen, mal hielt er sich in der Box auf. Dank seiner physischen und technischen Fähigkeiten konnte er sich in all diesen Situationen mit großer Erfolgsstabilität durchsetzen.

Diese Wichtigkeit schlug sich auch in den Statistiken nieder: Michu erzielte in der Liga 18 Treffer und war an 9 weiteren direkt beteiligt.

Laudrup führte genau jene Spielweise fort, die Brendan Rodgers‘ Swansea in der Vorsaison in der Liga hielt. Der ehemalige Star des FC Barcelona trieb diese Philosophie allerdings auf die Spitze.

Die Swans orientierten sich sehr am damaligen Über-Team aus Katalonien. Sie propagierten weiterhin ein flaches Aufbauspiel mit vielen Positionswechseln und Überladungen in ballnahen Zonen.

Hinzukam eine noch stärkere Fokussierung auf die Kollektivität im Verteidigen: Ihre hervorragende Raumdeckung erlaubte es ihnen, selbst gegen physisch überlegene Mannschaften zu bestehen. Und Swansea war eigentlich immer physisch unterlegen. Was folgern wir daraus?

Am Ende der Saison stand ein solider neunter Platz. Die eigentliche Sensation ereignete sich allerdings im League Cup, den man im Finale gegen das unterklassige Bradford City gewann.

Auf dem Weg dorthin setzten sich die Waliser unter anderem gegen Liverpool und Chelsea durch. Das Märchen war perfekt. Swansea City, dieser kleine Verein aus der „ugly, lovely town“ sollte in der Saison 2013/14 also in der Europa League spielen.

Der Weg dorthin hätte nicht kitschiger und verschmuster sein können. Freiheitsstadion, ein Schwan im Logo und eleganter Fußball in einer physischen Liga. Der Vergleich zu Gallien mit Asterix und Obelix wirkt hier wie ein billiger Abklatsch.

Das Ganze wird mit dem extra eigens Produzierten Film nochmals dokumentiert und auf die Spitze getrieben. Ein Kassenschlager – zumindest in Wales.

Es ist eine andere Erfolgsgeschichte. Anders als diese typischen Underdogs, die aufopferungsvoll kämpfen und mit „dreckigem“ Fußball die Großen ärgern.

Klar, die Story lässt sich erstmal gut vermarkten und dem geneigten Gelegenheitszuschauer gefällt es, wenn ein kleiner das Feld aufmischt. Leider geht diesem Szenario immer eine gewisse Ästhetik ab.

Welcher Underdog spielte in den letzten Jahren etwas anderes als diesen „herkömmlichen“ kampfbetonten Fußball? Am ehesten noch der FC Augsburg, die TSG Hoffenheim unter Julian Nagelsmann und in Spanien Rayo Vallecano.

Mannschaften wie Swansea City sind in dieser Hinsicht eine Rarität, da nur sehr wenige den Mut besitzen eine solche Spielweise unter solch schwierigen Umständen zu praktizieren. Dabei sollte die Erfolgsstory Swanseas gerade kleinen Teams als Vorbild dienen.

Guter, konstruktiver Fußball zahlt sich irgendwann aus, egal, was der Kontostand oder Zuschauerzahlen sagen.

Identitätsverlust

Laudrups Schwäne zeigten der ganzen Premier League, dass es auch anders geht. In der darauffolgenden Saison hatten sie jedoch mit der zusätzlichen Belastung der Europa League zu kämpfen.

Zwar zog man in die Zwischenrunde ein und unterlag dort dem SSC Neapel, in der Liga war man aber stark abstiegsgefährdet. Zentrale Akteure wie Britton, Ki und auch Michu hatten mit Verletzungen und Formschwächen zu kämpfen.

Auch Neuzugang Wilfried Bony hatte noch seine Probleme mit der Spielweise der Swans. Stimmen gegenüber Laudrups Arbeit worden laut. So zog der Club im Februar 2014 die Reißleine und ernannte Garry Monk zum Interimscoach bis Saisonende.

Monk genoss und genießt auch heute noch einen exzellenten Ruf innerhalb des Vereins. Der Engländer war wichtiger Bestandteil der Aufstiegsteams und über eine ganze Dekade hinweg Wortführer bei den Schwänen.

Das Vertrauen zu ihm wuchs noch mehr, als er bei seinem Debüt auf der Trainerbank prompt das Wales-Derby gegen Cardiff mit 3:0 gewann.

Monk ließ Swansea wieder pragmatischer Spielen: Im 4-4-2 waren die Schwäne meist auf simple Flügelangriffe und lange Bälle beschränkt. Bony blühte hier immer weiter auf und erzielte bis Saisonende 16 Treffer.

Am Ende stand man auf Platz 12 und sicherte sich den Klassenerhalt wenige Spieltage vor Schluss. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass man in den letzten vier Spielen drei Siege erringen konnte. Bonys fünf Treffer waren hier überlebenswichtig.

Die kommende Saison 2014/15 sollte wesentlich ruhiger werden. Monk hielt Swansea in jener Spielzeit von den Abstiegsrängen weg. Michu gab man aufgrund mangelnder Spielpraxis ab, Ki kam aus Sunderland zurück und mit Jefferson Montero kam ein Offensivmann für die Flügel.

Bony wurde im Winter für fast 40 Millionen Euro an Manchester City verkauft. Bis dahin war der Ivorer die Torgarantie für die Waliser gewesen. Wirklich viel hatte Monks Mannschaft allerdings nicht mehr mit den vorherigen Swansea-Teams gemein.

Die offensive Durchschlagskraft und der Fokus auf individuelle Aktionen wurden auf Kosten der Kollektivität und Eleganz in den Fokus gerückt.

Gerade die Verpflichtung Monteros passte überhaupt nicht ins Konzept der Schwäne, ist der Ecuadorianer ein sehr auf Einzelaktionen bedachter Akteur, welcher Schwächen im gruppen- und mannschaftstaktischen Bereich hat.

Er war quasi die absolute Antithese zu Alejandro Pozuelo, den man vor der Saison an Rayo Vallecano abgab. Auch die Verpflichtung Bafétimbi Gomis schlägt in diese Kerbe, wenngleich der französische Stürmer wesentlich mannschaftsdienlicher ist als Montero. Weiterhin kam Sigurðsson wieder zurück nach Wales, was eine Bereicherung für alle Beteiligten war.

Der achte Tabellenplatz, welchen man am Ende der Saison erreichte täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass Swansea ein wenig von seinem Weg abgekommen war. Dieser besondere Flair, der typisch war für diesen Verein, war nur noch in Ansätzen zu sehen.

Dieser durchstrukturierte Fußball wich dem in England typischen wenig kompakten Gebolze. Monks Spielweise war auf Dauer weniger erfolgsstabil als noch unter Rogers oder Laudrup.

Dies musste auch er selbst und die Clubführung Ende 2015 einsehen, als er den abstiegsbedrohten Verein zum Jahreswechsel verließ. Monks Job übernahm zunächst „The Legend“ Alan Curtis, seines Zeichens Vereinsikone und Publikumsliebling.

Der rüstige Waliser betreute das Team bis Februar 2016, ehe mit Francesco Guidolin der Trainer für die restliche Saison verpflichtet wurde. Der Italiener, der bis 2014 beachtliche Leistungen bei Udinese Calcio zeigte, sollte die Schwäne wieder in ruhigeres Gewässer führen.

Unter seiner Ägide spielte Swansea wieder strukturierter. Zumeist schickte er seine Spieler im 4-3-3 oder im 4-2-3-1 aufs Feld.

Dabei setzt er auf Sigurðsson, den vor der Saison verpflichteten André Ayew und in der Regel Wayne Routledge, wobei Montero gegen Ende der Saison stark aufdrehte.

Das Mittelfeld besetzen abwechselnd Leon Britton, Jack Cork, Leroy Fer und Ki Sung-Yueng. In der Verteidigung setzte Guidolin bisher auf Williams, Naughton, Taylor und Fernandez.

Alles in allem macht Swansea City wieder mehr Spaß. Das Team schien zum Ende hin die Spielphilosophie ihres neuen Trainers gut zu verinnerlichen und sicherte sich den Klassenerhalt drei Spieltage vor Schluss.

Folgerichtig erhielt Guidolin einen neuen Vertrag über zwei Jahre. Mich persönlich freut diese Entscheidung, da der Italiener womöglich der richtige Mann für die Swans ist.

Er versucht das etwas zerbröckelte Grundgerüst Rodgers und Laudrups wieder aufzubauen und mit deutlich proaktiverem Fußball zu agieren. Er will sehen, dass sein Team den Ball und Gegner dominiert und selbst aktiv zu sein – kein schlechter Ansatz finde ich.

Für die neue Saison wird es dennoch die eine oder andere Neuverpflichtung benötigen, will man den bisher eingeschlagenen Weg fortführen. Gerade in der Verteidigung bräuchte Swansea einen adäquaten Backup für Williams und eine Alternative auf den Außenverteidigerpositionen.

Über eine Rückholaktion Ben Davies‘ von den Spurs wird spekuliert. In der Offensive benötigt das Team noch einen Mittelstürmer, sollte man mit Ayew im Mittelfeld planen. Alberto Paloschi deutete seine Klasse bereits mehrfach an, aber auch für ihn bräuchte man eine Alternative.

Es wird spannend zu sehen sein, ob Francesco Guidolin Swansea wieder zu neuem alten Glanz verhelfen kann.

Sascha
Hat genauso eine Daseinsberechtigung wie Torrichter während der Champions League Spiele. Passionierter Schachtelsatzschreiber. Gilt intern nicht umsonst als L’Akquisiteur – wenn nicht da, dann zumindest bei sich selbst. Man soll sich immerhin treu bleiben wie Javier Pinola den Überresten seiner Haare. Glaubt noch immer, dass in Enes Ünal ein Weltklassestürmer schlummert, den aber nicht einmal Houdini hervorzaubern könnte. Einziges Vorbild von Max Dettmer.

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