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Tribalismus, Re-Branding & weitere Problemstellen in England

Vorbei die Premier League-Saison. Schon lange ist bekannt, dass Manchester City Englischer Meister wurde. Ein Verein aus der Arbeiterklasse, ein Verein für die einfachen Bürger aus Manchester. Ein Verein mit protestantischen Wurzeln.

Während viele bekannte Anhänger wie Liam und Noel Gallagher von Oasis dem Verein seit Jahren die Treue schworen, kamen viele Fans in den letzten Jahren hinzu. Doch was ist der Grund für den Anstieg?

City war in den letzten Jahrzehnten immerhin nicht für seine großen Erfolge bekannt. Vielmehr verbrachte er sein Dasein als Mittelfeldverein, den es hin und wieder mal sogar in die zweite Liga verschlug.

Heutzutage assoziiert man mit Manchester City aber nicht nur Erfolg, sondern auch Reichtum. Vor wenigen Jahren wurde der Verein von Thailands ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra übernommen, aber bereits ein Jahr später an ein Investmentunternehmen aus dem Abu Dhabi verkauft.

Ein Unternehmen hinter dem der heutige Besitzer der Citizens Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan steckt. Der Verein leidet seitdem unter den Extremen der Besitzer. Doch nicht erst seit der Übernahme des Scheichs: Die Begriffe „Extrem“ und „Manchester City“ gehen Hand in Hand.

Im einem Moment noch ein Drittligist (1998), im nächsten einer der reichsten Vereine der Welt (2005), dann wieder im Mittelfeld (2005-2008) und dann einer der besten Vereine der Welt, sowie Englischer Meister.


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Doch was macht diesen unglaublichen Wandel möglich? Fördert der Verein etwa die Jugend aus Manchester und Umgebung? Ganz und gar nicht. Der Verein hat in der Tat eine sehr gute Jugend, aber wirft man einen Blick in die Jugend- und Reservemannschaften, so erkennt man schnell, dass beinahe die Hälfte aller Spieler aus dem Ausland kommen.

Die „eigene“ Jugend wird also nicht gefördert, eher werden gute Talente gekauft und auf den Trainingsplätzen zu zurechtgeschliffen. Steckt in dem Verein also noch immer der Verein aus der Arbeiterklasse? Der Verein für die einfachen Leute aus Manchester? Wie viel Manchester steckt nun wirklich in Manchester City?

Nun sind wir beim eigentlichen Thema angekommen. Die Geschichte und die Werte des Vereins rücken immer weiter in den Hintergrund, während der schnelle, kommerzielle Erfolg immer mehr im Vordergrund steht, als einen guten Verein, mit regional guter Arbeit zwischen der Stadt und den Einwohnern, aufzubauen.

 

Tribalismus im Fußball

Um das Beispiel mit Manchester City weiterzuführen: Der Verein ist im Besitz eines Sohnes einer Herrscherfamilie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, das Stadion trägt den Namen „Etihad“ – das arabische Wort für „Gemeinschaft“ oder „Verein“, die Mannschaft wird von Manuel Pellegrini trainiert – einem Chilenen.

Schlussendlich besteht der Kader zu 75% aus Legionären, von den restlichen 25% ist kein einziger auch nur aus der Umgebung Manchesters. Ähnlich sieht es im Nachwuchs aus. Aber nicht nur bei Manchester City, bei immer mehr Vereinen in England. Dies nennt man in England „Tribalismus“ und ist unter den englischen Bürgern ein großes Thema, doch bekommt medial nur wenig Aufmerksamkeit.

„Um den Fans Erfolg zu bieten“ – so oder ähnlich werden oft Übernahmen eines Vereins vorgestellt, aber arbeiten die Besitzer wirklich für die Fans oder sind sie bloß eine Art Spielzeug um etwas für sich selbst zu kompensieren?

Die Besitzer haben oft teilweise nicht mal Interesse am Sport oder der Stadt und krempeln alles um was möglich ist. Bestes Beispiel wäre Cardiff City. Ein Verein aus Cardiff, Wales. Jahrelang leistete man gute Arbeit in der Championship, der zweiten Liga Englands, genauso wie man jahrelang eine Drossel im Vereinslogo hatte und die Vereinsfarben blau-weiß waren.

Nach der Übernahme des malaysischen Unternehmers Vincent Tan wurden die Vereinsfarben prompt in rot-schwarz geändert und in dem Logo findet sich plötzlich ein Drache wieder.

Erst nach Protesten der Fans wurde der Bluebird im unteren Bereich des Logos eingefügt – natürlich so klein wie nur möglich. Nach dem rschen Re-Branding des neuen Besitzers gelang – nach vielen gescheiterten Versuchen in den Vorjahren – der erste Aufstieg in die höchste englische Spielklasse seit 51 Jahren. Dennoch gab sich der Malaysier nicht zufrieden.

Er forderte gute Ergebnisse, ohne das große Geld investieren zu wollen. Der Verein landete am Ende der Saison auf dem letzten Platz – so schnell wie der Erfolg kam, war er auch schon wieder weg.

Der Verein war keineswegs eine Anlage wie viele glauben mögen, er war einfach eine Heimat für sein Vermögen. Man erspart sich hohe Steuern, man muss keine hohen Abgaben an Banken leisten, uvw. So eine Vereinsübernahme zieht schon einige Vorteile mit sich.

Aber natürlich ist es auch ein Wetteifern der Superreichen. Es hat nichts mehr mit dem Wetteifern der Städte beziehungsweise Vereine zu tun. Es geht nicht mehr darum, aus welcher Region die besten Spieler stammen oder welche Fans und Anhänger den besten Verein auf die Beine stellen, sondern womöglich um eine neue Weise Geld auszugeben und damit zu protzen.

Welchen Sinn hat es noch Derbies zu veranstalten, wenn keine Rivalität herrscht. Ich bin Pazifist und gegen Gewalt, dennoch ein ehrgeiziger Sportler und weiß, dass es nicht besseres gibt als eine sportliche Rivalität.

Doch wo steckt der Sinn etwas London-Derby zu nennen, wenn 8 Franzosen gegen 7 Spanier spielen? Sicherlich wollen beide gewinnen, denn es sind immerhin trotzdem Sportler, doch macht es das zu einem besonderen Spiel? Was ist nun der Unterschied zwischen Manchester United und Manchester City?

Im Endeffekt treffen keine Spieler aus Manchester aufeinander, zudem Fans aus dem Nahen Osten und Asien, die dem Verein seit ihrer Marketing-Reise vor dem Saisonauftakt „die Treue schworen“. Würde man den Standort der beiden Vereine um viele hunderte Kilometer versetzen, würde es womöglich keinen allzu großen Unterschied machen.

Tribalismus wird ein immer größeres Problem. In der abgelaufenen Saison der Premier League waren fast 70% aller Spieler Legionäre. Doch die Fans nehmen es immer öfter mit Humor. In der Saison 2012/13 waren die Hälfte aller Spieler von Newcastle United Franzosen oder hatten zumindest französische Wurzeln.

Die Fans machten sich im Internet über die kleine französische Kolonie in Newcastle upon Tyne lustig. Ähnlich ist es beim Rivalen von Cardiff City. Bei Swansea City wuchs in den letzten Jahren eine spanische Kolonie. Diese Saison waren es immerhin schon acht Spanier im Kader der Waliser.

All das wirkt sich natürlich auch auf die Nationalmannschaft aus. Immer weniger Spieler bleiben aus der Goldenen Generation. Beckham, Owen, Scholes & Co. haben die Schuhe an den Nagel gehängt, die vernachlässigte Jugendarbeit macht sich nun sichtbar.

Jahr für Jahr gibt es Talente, die gute Leistungen erbringen, nach kurzer Zeit in den Himmel gepriesen werden, aber nach genauso schneller Zeit wieder belächelt und als Fehlinvestition abgestempelt werden. Es sei denn es handelt sich um Schotten, Waliser oder Iren, denn dann ärgert man sich, dass es sich nicht um einen Engländer handelt.

Nur noch selten schaffen es junge, englische Spieler sich bei einem englischen Topverein als Stammspieler durchzusetzen. Michael Owen und Steven Gerrard bei Liverpool, David Beckham, Paul Scholes, Gary und Phil Neville bei Manchester United, James Milner bei Leeds United, Sol Campbell bei Tottenham, John Terry beim Chelsea, Wayne Rooney bei Everton, … all diese Spieler haben es vor etwas mehr als zehn Jahren noch geschafft, doch heute sind junge Stammspieler bei Topklubs in England eine Rarität.

Aber es gibt auch Vereine, die dem entgegenwirken. Bei Southampton setzt man sehr wohl auf Eigenbauspieler. Bereits früh werden Talente aus der Jugend zu den Profis hochgezogen, wo sie dann auch schnell Einsatzminuten bekommen. Die gute Arbeit wurde schnell belohnt.

Trotz des damaligen Abstiegs in die dritte Liga konnten einige Talente gehalten werden. Rund um diese wurde eine gute Mannschaft aufgebaut, die es bis heute in die Premier League geschafft hat. Seit Kindheitsjahren beim Verein sind beispielsweise Adam Lallana, Luke Shaw, James Ward-Prowse, Calum Chambers und Lloyd Isgrove.

Manche von ihnen sind sogar aus Southampton. Aber schon in den Jahren zuvor schafften Wayne Bridge, Alex Oxlade-Chamberlain, Theo Walcott sowie Gareth Bale den Sprung in Kampfmannschaft.

Dieser wurde bereits im Alter von neun Jahren von den Saints gescoutet, doch wurde im Satelliten-Ausbildungscenter des Vereins in Bath ausgebildet. Nach Beendigung seiner Schulausbildung wechselte er kurz nach seinem 16. Geburtstag in den Süden Englands und trainierte offiziell mit den Profis mit.

Aber nicht nur Southampton, auch West Brom, West Ham, sowie Crewe Alexandra in der League One, der dritthöchsten Liga Englands, bringen immer wieder gute Leistungen in der Jugendförderung. Letztere spielten in der Saison 2012/13 in manchen Spielen Ausnahmslos mit Eigenbauspielern.

Anstatt viel Geld in überflüssige, überteuerte Transfers oder Scouting ausländischer Spieler zu setzen, sollten die Vereinsbosse ihre Kontakte zu den Anhängern und Fans knüpfen, und die Region in allen Bereichen rund um den Sport und der Anhängerschaft fördern, wie es beispielsweise in Belgien gemacht wird.

Dort wurde in den letzten Jahren viel Geld in den Nachwuchs gesteckt. Durch diese Investition wurden viele potentielle Problemkinder von der Straße geholt, ihnen eine gute Ausbildung ermöglicht und zudem hervorragende Trainingsbedingungen.

Die Früchte ernten nun Vereine wie Standard Lüttich oder Anderlecht, die bereits viele grandiose Spieler in ihren Reihen haben. Eine Entwicklung die definitiv mit Amsterdam‘schen Glanzzeiten verglichen werden kann.

Marco Stein
Co-Gründer von Cavanis Friseur und für Alles und Nichts zuständig. Ist Leeds United-Fan und weiß das immer und überall zu erwähnen.

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