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Von der Tragödie zur Farce – Oder warum Farfán wieder für Alianza spielt

Dass der Ex-Schalker Jefferson Farfán zu seinem Stammklub Alianza Lima gewechselt ist, hat vielleicht der ein oder andere mitbekommen. Die Geschichte hinter Alianzas Beinahe-Abstieg und Farfáns Rückkehr erzählen wir hier.

Dies ist ein Gastbeitrag von Daniel Bramkamp

Geschichte passiert immer zweimal – einmal als Tragödie, einmal als Farce: Dieses Diktum stammt von Karl Marx. Eine Geschichte kann als Tragödie und als Farce funktionieren: Diese Lehre kann man aus dem Abstieg von Alianza Lima, Perus beliebtestem Verein, ziehen. Am Ende steht die Rückkehr eines Ex-Schalkers.

 

Prolog:

Alianza Lima ist ein Gigant des peruanischen Fußballs. 23 Meistertitel hat der landesweit wohl beliebteste Klub in seiner Trophäensammlung stehen, nur drei weniger als Rekordmeister Universitario de Deportes. Die meisten der großen Spieler Perus wie etwa Teófilo Cubillas, Claudio Pizarro, Jefferson Farfán oder Paolo Guerrero haben einmal das blauweiße Hemd getragen.

Die großen Erfolge wurden zuletzt allerdings spärlicher. Nach der denkbar knappen Niederlage im Meisterschaftsfinale 2019 verharrten die Intimos bei nur einem Meistertitel aus zehn Jahren, in der Copa Libertadores gab es sogar 17 sieglose Spiele am Stück.

 

Die Tragödie:

Erster Teil, Januar 2020: Alianza Lima startet in die Saison 2020 als Titelkandidat. Trainer ist Pablo Bengoechea, der 2017 den Titel und 2019 die Rückrundenmeisterschaft gewonnen hatte. Die Betreibergesellschaft Fondo Blanquiazul lässt sich auch nicht lumpen und schlägt auf dem Transfermarkt zu.

Es kommen (Ex-)Nationalspieler wie der frühere Wolfsburger Carlos Ascues und der langjährige Portugal-Profi Alberto Rodríguez, dazu (frühere) Toptalente wie Jean Deza, Beto Da Silva und Alexi Gómez. Nach Schätzungen ist Alianzas Budget das höchste der gesamten Liga, auf jeden Fall liegt der Marktwert der Blanquiazules laut transfermarkt.de auf Platz 1.

Neben dem nationalen Titel liegt der Fokus auch auf der Copa Libertadores. Die Gruppe mit dem argentinischen Racing Club, dem uruguayischen Club Nacional und den venezolanischen Estudiantes de Mérida wirkt machbar. Gerüchte um die früheren Bundesligastars Claudio Pizarro und Jefferson Farfán, die immer wieder ihre Liebe zu Alianza betonen, zerschlagen sich allerdings. Farfán hat noch Vertrag in Moskau, Pizarro in Bremen.

Zweiter Teil, März 2020: Die Saison wird im Zuge der Corona-Pandemie unterbrochen. Alianza liegt mit sieben Punkten aus sechs Spielen auf Platz 13 (von 20 Klubs) und hat seine ersten beiden Spiele in der Copa Libertadores verloren.

Pablo Bengoechea reicht seinen Rücktritt ein, glaubt aber dennoch an die Möglichkeit des Titelgewinns mit einem neuen Coach. Der ist auch schon gefunden: Er heißt Mario Salas und hat in seiner Vita schon einige Titel stehen, darunter die Meisterschaft 2018 mit Lokalrivale Sporting Cristal.


(© Daniel Bramkamp)

Den chilenischen Großklub Colo-Colo hatte er kurz vor der Corona-Pause allerdings in einer prekären Lage hinterlassen (letztlich retteten sich die Albos erst in einem Entscheidungsspiel Anfang 2021 vor dem Abstieg).

Dritter Teil, Juni/Juli 2020: Das Land steckt im Corona-Chaos. Erst nach über zwei Monaten darf Trainer Salas nach Peru einreisen und wird dann prompt positiv auf Corona getestet. Es ist Anfang Juli, als er erstmals in Kontakt mit seinen Spielern treten darf. Derweil wird ein neues Ligakonzept ausgearbeitet.

Die Saison wird ab August vor leeren Rängen in Lima fortgeführt. Für die Erfolgsaussichten der Blanquiazules ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits fehlen die Fans, die das Heimstadion Matute in einen Hexenkessel verwandeln können. Andererseits hat die Konkurrenz oft viel weniger Breite im Kader und besonders die Klubs aus den Provinzen benötigen jeden Cent Einnahmen aus den Heimspielen sowie in einigen Fällen auch den Höhenvorteil.

Eine weitere Änderung: Die Copa Perú, die normalerweise einen Aufstiegsplatz bekommt, wird nicht ausgetragen, daher wird es 2020 nur drei statt vier Absteiger geben. Aber zur Erinnerung – Alianzas Ziel bleibt der Titelgewinn. Die Bundesliga-Altstars wollen dabei nicht helfen: Nach Farfáns Vertragsende in Russland lehnt er eine Rückkehr ab und bleibt zunächst vereinslos. Claudio Pizarro beendet seine Karriere und bleibt in Deutschland.

Vierter Teil, 22. Oktober 2020: Nach einem wahren Spielemarathon beendet Alianza die Hinrunde auf einem enttäuschenden 12. Platz. Noch aber ist der Titel über die (verkürzte und in zwei Gruppen ausgetragene) Rückrunde möglich. Viel schlimmer erscheint das Gruppenaus in der Copa Libertadores mit nur einem kümmerlichen Zähler. 23 sieglose Spiele in Folge bedeuten einen kontinentalen Negativrekord.




 

Fünfter Teil, 31. Oktober 2020: Zwei Spiele, zwei Niederlagen in der Rückserie, insgesamt ein Schnitt von 0,84 Punkten pro Spiel: Es geht auch mit Salas einfach nicht aufwärts. Dementsprechend wird der Chilene gefeuert und durch Daniel Ahmed ersetzt. Alianza gewinnt das erste Spiel unter dessen Ägide mit 4:0 und schielt wieder auf den Gruppensieg.

Sechster Teil, 25. November 2020: Die Weißblauen haben nur einen Punkt aus den folgenden vier Spielen geholt und stecken nun sogar im Abstiegskampf. Die Situation erscheint kritisch, aber im Großen und Ganzen doch lösbar: Bei zwei noch ausstehenden Spielen liegt Alianza drei Punkte vor Carlos Stein und vier vor Atlético Grau, hat dazu die deutlich beste Tordifferenz der Abstiegskandidaten.

Da Llacuabamba bereits als Absteiger feststeht, rettet sich der Beste aus dem Trio Alianza/Stein/Grau. Die neben Alianza genannten Klubs sind institutionell schwache Aufsteiger aus den nördlichen Provinzen, die durch den Wegfall der Zuschauereinnahmen finanziell gebeutelt sind. Doch Stein schlägt Rekordmeister Universitario, Grau den amtierenden Champion Binacional. Alianza verliert mit 0:1 gegen Mannucci.

Siebter Teil, 28. November 2020: Der große Tag, den niemand wollte: Gegen Huancayo muss Alianza gewinnen, um sicher die Klasse zu halten. Das Spiel beginnt schlecht, Alianza gerät durch einen Fernschuss des Ex-Intimos Valverde früh in Rückstand. Die Mannschaft verfällt in Apathie.

Zu Beginn der zweiten Hälfte schießt Huancayo das 2:0. Wenig später gibt es Elfmeter für Alianza. Ascues übernimmt die Verantwortung, schiebt den Ball aber in die Arme des Torhüters. Es ist der Genickschlag. Stein rettet derweil ein Unentschieden ins Ziel und feiert den Klassenerhalt. Alianza muss in Liga 2! Es ist ein historisches Ereignis, selten sind Ziele so weit verfehlt und Möglichkeiten so schlecht genutzt worden.

Selbst die Abstiege anderer südamerikanischer Grandes wie Corinthians oder River Plate fanden in weit wettbewerbsstärkeren Ligen statt und/oder hatten sich über Jahre angedeutet. So verdient der Abstieg aus sportlicher Sicht ist, so tragisch ist er aus Sicht der zahlreichen treuen Anhänger*innen.

Anstatt sich international mit den größten Namen Südamerikas zu messen, wie es die Geschichte gebietet, muss der größte Name des peruanischen Fußballs zum ersten Mal seit 1940 wieder in die zweite Liga. In eine Liga voller Kleinklubs und auch ohne Corona mit meist nur dreistelligen Zuschauerschnitten.

 

Die Farce:

Erster Teil, Ende November 2020: Spätestens seit der Niederlage gegen Huancayo arbeiten Alianzas Anwälte auf Hochtouren. Der Klassenerhalt soll nun am grünen Tisch erstritten werden. Es gibt zwei favorisierte Lösungen: Das Aussetzen der Abstiegsplätze angesichts der besonderen Umstände der Pandemie (wie bspw. in Argentinien geschehen) oder ein Punktabzug für einen Konkurrenten.

Ins Visier gerät, dass Carlos Stein wie einige andere Klubs seine Sozialversicherungsbeiträge nicht immer pünktlich bezahlt hat. Das hat der peruanische Verband FPF wie in den vergleichbaren Fällen mit einer Geldstrafe geahndet, auch aus Verständnis für die finanziellen Probleme unter den gegebenen Umständen. Im Regelwerk ist tatsächlich aber ein Abzug von zwei Punkten vorgesehen.

Zweiter Teil, Dezember 2020: Die Abstiegsregelung wird beibehalten. Alianzas Strategie fokussiert sich nun auf den Punktabzug für Carlos Stein, doch die Intimos erleiden vor den Gerichtshöfen der FPF mehrere Niederlagen. Immerhin: Die Klage schafft es bis an den internationalen Sportgerichtshof TAS in die Schweiz.

Dritter Teil, Januar-Februar 2021: Alianza plant für die 2. Liga. Mit 13 Mio. Dollar ist das Budget luxuriös, dementsprechend will man auf Nummer sicher gehen und fragt einige große Namen an, darunter Jefferson Farfán. Doch der möchte sich Liga 2 nicht antun und sagt ab. Carlos Stein stellt derweil seinen Kader für die erste Liga zusammen.

Vierter Teil, 15. März 2021: Die Erstligasaison 2021 beginnt. Carlos Stein debütiert mit einem 0:0 gegen Alianza Atlético. Die 2. Liga startet dagegen wie jedes Jahr später.

Fünfter Teil, 17. März 2021: Der TAS urteilt: Stein müssen zwei Punkte abgezogen werden. Weitere Handlungsanweisungen, insbesondere zur Handhabung der bereits begonnenen Saison 2021, gibt es nicht. Die FPF nimmt das Urteil auf und beschließt, die Abschlusstabelle 2020 nachträglich zu modifizieren. Damit steht Carlos Stein statt Alianza Lima auf einem Abstiegsplatz – und tatsächlich ersetzt Alianza Stein in der schon begonnenen Saison 2021.

 

Epilog:

21. März 2021: Jefferson Farfán unterschreibt beim frischgebackenen Erstligaklub Alianza.

6. April 2021: Der verlorene Sohn ist zurück. Nach 17 Jahren streift sich Jefferson Farfán wieder das Trikot von Alianza über, als er nach 57 Minuten ausgerechnet gegen seinen Jugendklub Municipal eingewechselt wird. Keine dreißig Minuten später erzielt La Foquita per Kopf den 1:0-Siegtreffer.

Dies war ein Gastbeitrag von Daniel Bramkamp

(Titelbild: © IMAGO Images)

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Daniel Bramkamp
Mag vieles, aber keinen Hochglanz und schaut im Zweifel statt Champions League eher zweite uruguayische Liga. Kann es trotzdem nicht lassen, dort nach Supertalenten und taktischen Revolutionen zu suchen. Spoiler: Meistens vergeblich. Aber wenn es mal jemand von den Rampla Juniors zum Champions-League-Sieger bringen sollte - Daniel hat ihn als Erster gekannt.

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