Nachdem ich im letzten Text ausführlich auf die Vorteile von Beidfüßigkeit eingegangen bin, blieben natürlich Fragen offen: Wie trainiere ich Beidfüßigkeit? Und wann sollte ich damit beginnen?
Der folgende Text wird sich damit beschäftigen, wie ich Beidfüßigkeit in eine Spielform integrieren kann. Wichtig dafür: So früh wie möglich ein hohes Augenmerk auf die Schulung beider Füße legen. So bildet sich eine bevorzugte Seite nicht so schnell heraus.
In einem Interview mit spielverlagerung.de sagte Coach Martin Lienhard:
“Liefert etwa eine Körperseite dem Gehirn mehr und präzisere Informationen als die andere oder liefert ein Auge beziehungsweise ein Teil des Gleichgewichtssystems deutlichere und präzisere Informationen als die übrigen, werden diese auch mehr benutzt. Die Folge davon: Der Körper verdreht sich.”
Diese Aussage beinhaltet ein großes Problem: Fühle ich mich als Spieler nicht wohl mit meinem schwachen Fuß, werde ich diesen intuitiv im Spiel nicht benutzen. Wenn es dem Gehirn des Athleten erfolgsstabiler erscheint, eine Bewegung mit unnatürlicher Körperhaltung auszuführen, nur um den Ball mit dem präferierten Fuß zu spielen, als die Bewegung mit “natürlicher” Körperhaltung, aber mit dem schwachen Fuß den Ball zu spielen, dann wird der Athlet die erfolgsstabilere Variante bevorzugen.
Damit der Spieler auch in Spielsituationen auf den schwachen Fuß zurückgreift, muss erst eine gewisse Sicherheit im Umgang mit diesem geschaffen werden.
Mir als Trainer stellt sich daran anschließend die Frage, wie ich bilaterales Training möglichst gut in mein Training integrieren kann. Da ich, besonders im Amateur- und Jugendbereich, nicht mehr als drei Trainingseinheiten pro Woche leite, ist meine Zeit begrenzt. Daher gilt es für mich, das Training beider Füße möglichst in eine Spielform zu integrieren.
So sollen die Spieler daran gewöhnt werden, ihren schwachen Fuß auch in komplexen Situationen mit Zeit- und Gegnerdruck zu nutzen.
Einbindung in Spielformen
Um diese Sicherheit zu erlangen, kann der Coach in einzelnen Spielformen ein Belohnungssystem implementieren oder Provokationsregeln nutzen.
Eine Trainingsform, für die es viele mögliche Variationen gibt, ist das „Rondo“. In Deutschland wird es, besonders im Amateurbereich, “Gammeleck” oder “Kreis” genannt. Das Spielfeld ist dort oft quadratisch aufgebaut und an jedem Eckpunkt des Quadrates befindet sich jeweils ein Spieler. Im Feld befinden sich ein oder zwei verteidigende Spieler, die versuchen, den Ball von einem der vier offensiven Spieler zu gewinnen. Die offensiven Akteure dürfen den Ball, je nachdem, wieviele Verteidiger sich im Feld befinden, mit einem oder mit zwei Kontakten spielen.
Es gibt beim Rondo nahezu unendlich viele Optionen, die Übung etwas umzugestalten. Im Rondo lassen sich gewünschte Verhaltensweisen implizit trainieren, beispielsweise durch eine Begrenzung der Kontaktanzahl oder der Einführung eines Minimums an „Pflichtkontakten“.
Unsere Form des Rondo, die beide Füße ausbilden soll, sieht nun eine Mischung aus begrenzter Kontaktanzahl und einem Minimum an Pflichtkontakten vor: Die Spieler können selbst entscheiden, ob sie mit einem oder mit zwei Kontakten spielen. Spielen sie den Ball mit einem Kontakt weiter, gibt es keine vorgegebene Richtlinie, mit welchem Fuß sie den Ball spielen sollen.
Spielen sie allerdings mit zwei Kontakten, muss einer der beiden Kontakte mit dem schwachen Fuß stattfinden (entweder die Ballkontrolle oder der Pass). Dies lässt sich ebenfalls so ausweiten, dass die Spieler bei zwei Kontakten jeweils den linken und den rechten Fuß benutzen müssen.
Ideen für das Rondo
Diese Regel beschränkt sich aber nicht aufs Rondo, sondern kann in jeder anderen Spielform ebenfalls benutzt werden.
Die Spieler haben keine direkte Einschränkung, den Ball mit einem Kontakt spielen zu müssen. Sie müssen sich aber überlegen, wann sie den Ball mit zwei Kontakten spielen und ob sie den schwachen Fuß für die Ballkontrolle oder für die Ballweitergabe nutzen. So wird implizit die (Vor-)Orientierung und die Entscheidungsfindung trainiert, weil der Spieler im Voraus die erfolgsstabilste Variante für sich auswählen muss.
Anfangs werden die Spieler damit Probleme haben, weil sie sich intuitiv den Ball auf den starken Fuß mitnehmen und dann in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt sind. Es sollten sich aber schnell Fortschritte in mehreren Bereichen einstellen, weil die Akteure hier ganzheitlich geschult werden.
Es wird nicht isoliert die Technik des schwachen Fußes trainiert, sondern das Ganze ist als Spielform, die sich hervorragend zum Aufwärmen spielen lässt, verpackt.
Belohnungssystem
Die Benutzung des schwachen Fußes in Spielformen kann man ebenso belohnen: Um die Intensität im Rondo zu erhöhen, gibt der Trainer eine bestimmte Anzahl an Pässen vor, die das Offensivteam erreichen muss, damit die Defensivspieler eine weitere Runde verteidigen müssen. Hier kann der Trainer Anreize für das Offensivteam schaffen, indem ein Pass mit dem schwachen Fuß doppelt gewertet wird.
Dieses Belohnungssystem lässt sich nun auf andere Spielformen genauso ausweiten: In Spielformen mit Toren zählt ein Tor mit dem schwachen Fuß doppelt etc.
Die Spieler werden so nicht dazu „gezwungen“, ihren schwachen Fuß zu benutzen. Stattdessen können sie in den Spielformen selbst entscheiden, ob es sinnvoll ist, ein erhöhtes Risiko mit dem Spielen des Balles mit dem schwachen Fuß einzugehen.
Zum Beginn werden die Akteure ihren schwachen Fuß nur nutzen, wenn ihnen eine erfolgsstabile Umsetzung möglich erscheint. Dies werden vor allem äußerst simple Situationen (viel Raum und Zeit für die technische Ausführung) sein, mit denen die Spieler aber schnell eine grundlegende Sicherheit im Umgang mit ihrem schwachen Fuß erlangen.
Provokationsregeln
Um die Benutzung des schwachen Fußes direkt in der Spielform zu installieren, kann der Trainer mit Provokationsregeln arbeiten.
Kehren wir dafür zum Rondo zurück: Das Offensivteam kann dem Defensivteam eine „Doppelrunde“ zufügen, indem eine bestimmte Anzahl an Pässen gespielt wird, ohne dass das Defensivteam an den Ball kommt. Eine ebenso bestimmte Anzahl dieser Pässe muss allerdings mit dem schwachen Fuß gespielt werden.
Je nach Leistungsniveau können das bei vorgegebenen 10 Pässen für die Doppelrunde 3-5 mit dem schwachen Fuß sein.
Eine ähnliche Provokationsregel lässt sich in Spielformen mit einem Felderwechsel als Ziel einbauen. So wird der Felderwechsel erst möglich, wenn eine vom Trainer festgelegte Mindestanzahl an Pässen mit dem schwachen Fuß gespielt wurde.
In der folgenden Tabelle sind alle oben genannten Ideen mit noch einigen anderen Ideen nochmal aufgeführt:
Hybridregel: | Bei Nutzung mehrerer Kontakte mindestens ein Kontakt mit dem schwachen Fuß |
Belohnungsregeln: | Pässe/Tore mit schwachem Fuß ergeben doppelte Punktzahl
Pässe/Tore mit einem Kontakt mit dem schwachen Fuß zählen doppelt/dreifach |
Provokationsregeln: | Jeder Kontakt muss mit schwachem Fuß stattfinden
Ballannahmen/Pässe/Schüsse nur mit dem schwachen Fuß vorgegebene Anzahl an Pässen mit dem schwachen Fuß für Felderwechsel/Punkt/ um aufs Tor abschließen zu dürfen |
Fazit
Es gibt einige Möglichkeiten, das Training des schwachen Fußes in Spielformen zu integrieren. Ob man als Trainer dafür das Belohnungssystem oder die Provokationsregeln nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.
Ich persönlich bevorzuge hier das Belohnungssystem: Die Spieler können – wie im Spiel auch – selbst entscheiden, ob und wann sie ihren schwachen Fuß benutzen. Wenn sie ihn nur in sehr simplen Situationen nutzen, verzeichnen sie normalerweise viele Erfolgserlebnisse und fühlen sich dadurch sicherer mit ihrem schwachen Fuß.
Die Spieler werden nicht dazu gezwungen, ihren schwachen Fuß zu benutzen, wenn sie nicht möchten (und vor allem, wenn es in der Situation vielleicht auch gar keinen Sinn ergibt).
Wichtig ist, den Spielern eindeutig zu vermitteln, dass erfolgreiche Aktionen mit dem schwachen Fuß eine Belohnung zufolge haben und kein Zwang sind. Ich habe als Trainer die Erfahrung gemacht, dass die Spieler, falls es nicht eindrücklich erklärt wurde, häufig nur noch auf die vermeintliche Belohnung abzielen.
Daher ist es wichtig, vorher explizit den mannschafts- oder gruppentaktischen Bereich, den man mit der Spielform vorrangig trainieren möchte, herauszuheben. Das Belohnungssystem dient als kleiner Zusatz, welcher die Spieler individualtaktisch schulen soll.
Provokationsregeln erfüllen den Zweck, dass die Spieler keine andere Wahl haben, als den schwachen Fuß zu verwenden. So gibt es vermutlich mehr Aktionen mit dem schwachen Fuß als beim Belohnungssystem. Dementsprechend wird es zu deutlich mehr Misserfolgen kommen, weil die Quantität und die Komplexität der Aktionen steigt.
Da wir als Trainer jedoch den Spielern jedoch Sicherheit und Komfort am Ball vermitteln wollen, mag dies (anfangs) die falsche Herangehensweise sein. Wenn die Spieler bereits fortgeschritten im Umgang mit ihrem schwachen Fuß sind, können vermehrt Provokationsregeln zum Einsatz kommen.
Umso höher die technische Qualität der Spieler mit ihrem schwachen Fuß ausgebildet ist, umso komplexer lassen sich die Spielformen gestalten.
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