fbpx

Bis sich die Wege nicht mehr kreuzen – Matt Ritchie im Porträt

Matt Ritchie und Bournemouth vereint mehr als man denken könnte. Der Blondschopf ist nicht nur bei den Cherries unter Vertrag, sondern hat einen ähnlichen Weg hinter sich wie der Neo-Premier League-Verein. Als Eddie Howe Bournemouth am 1. Jänner 2009 übernahm spielte der Verein noch in der League Two, der vierten Liga Englands. Beinahe wäre es für den Verein sogar noch schlimmer gekommen, doch die Insolvenz konnte vermieden werden.

Währenddessen spielte Matt Ritchie bei Dagenham & Redbridge. Zwei Tage vor Howes Anstellung in Bournemouth verlängerte Ritchie seinen Leihvertrag bei den Londonern um ein halbes Jahr. Der Stamm- und Kindheitsverein des Schotten war eigentlich Portsmouth, doch um mehr Spielzeit zu bekommen wurde er an DagRed verliehen, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein Viertligist.

 

Der rasante Aufstieg von Matt Ritchie

Nach starken Leistungen in London wurde Notts County aus der League Two auf den Blondschopf aufmerksam und lieh den rechten Mittelfeldspieler für ein halbes Jahr aus. Aber Ritchie blieb nicht lange beim Verein, denn bereits im Februar 2010 wurde er, nachdem ein Monat zuvor der Transfer zu Swindon Town scheiterte, an Swindon Town zumindest verliehen. Trotz starker Leistungen, für die er mit dem Robin des Jahres (Swindon Town Spieler des Jahres) belohnt wurde, konnte er den Abstieg aus der dritten Liga nicht verhindern.

Aufgrund vieler Verletzter musste er sogar im April von Portsmouth zurückgerufen werden. Währenddessen wurde Notts County – auch aufgrund Ritchies starker Leistungen in der ersten Saisonhälfte – Meister und stieg damit in die League One auf. Zehn Punkte dahinter auf Platz zwei liegend, und somit auch in die dritte Liga aufgestiegen, war Eddie Howes Bournemouth.


Fussball Blog Patreon

Da sich Ritchie bei Swindon Town wohlfühlte und Trainer und Fans ihn liebten wurde er im Oktober erst für ein und später nochmal für zwei Monate ausgeliehen, selbst wenn das für ihn bedeutete eine Liga tiefer spielen zu müssen. Während Bournemouth aufstieg, ging es für Ritchie nach unten, doch es sollte es ein Schritt nach hinten sein, um danach zwei nach vorne machen zu können.

Unter Paolo di Canio knöpfte der damals 21-Jährige an seine Leistungen an und brachte es auf 14 Vorlagen und war damit hinter Ryan Hall der Spieler mit den zweitmeisten Vorlagen der Liga. Di Canio Siegeswille beeindruckte Matt Ritchie und brachte ihn immer wieder dazu an sein persönliches Limit zu gehen. Seine Leistungen überzeugten den Italiener und er entschloss sich im Winter dazu den Spieler für rund 300.000 Euro fest zu verpflichten.

Ein guter Schritt, denn im Frühling zeigten einige League One-Vereine, vor allem Bournemouth, Interesse am Schotten, doch erste Angebote wurden abgelehnt, da Ritchie laut Di Canio 2,5 Millionen Pfund wert sei. Ritchies Teamleistungen verhalfen Swindon Town zum Meistertitel und Wiederaufstieg in die League One.

Am Ende der Saison wurde er zum Spieler des Jahres in der League Two und des Vereins gewählt und das obwohl Ritchie unter Di Canio damals noch weit weniger für seinen Erfolg arbeitete als heute. Daraufhin verlängerte der Publikumsliebling seinen Vertrag bis 2014.

Erneut kreuzten sich die Wege von Bournemouth und Matt Ritchie. Dieses Mal jedoch eine Liga höher, in der League One. Mit Swindon Town mischte er dieses Mal die dritte Liga auf. Der Wirbelwind wusste erneut zu überzeugen und war erneut einer der besten Spieler der Saison. Während Swindon Town auf Platz drei, einem Play Off-Platz lag, verließ Ritchie „schweren Herzens“, wie er selbst sagte, den Verein und heuerte bei Bournemouth an.

 

Eddie Howe macht aus Matt Ritchie einen Top-Spieler

Erstmals sollte sich der Weg der beiden nicht mehr kreuzen, sondern sie sollten gemeinsam einen erfolgreichen Weg gehen. Die Cherries lagen zu diesem Zeitpunkt auf Platz sechs. Ein eigenartiger Schritt, doch mit dem neuen Flügelspieler in der Startelf konnte sich Bournemouth am Ende der Saison auf Platz zwei, einem direkten Aufstiegsplatz, schießen, während es für Swindon Town mit Platz sechs nur für einen Play Off-Platz reichte. Als Kirsche auf dem Eis wurde Ritchie, nachdem er im Jahr zuvor Spieler des Jahres der League Two ernannt wurde, nun zum Spieler des Jahres der League One gewählt.

Mit Bournemouth spielte Matt Ritchie erstmals in der Championship. Unter Eddie Howe nahm Ritchie eine alte Position mit neuen Aufgaben ein. Es war ein deutlicher Sprung zu merken von Di Canios einfachem Fußball, zu Eddie Howes taktikversierten Ballbesitzfußball.

Der Mittelfeldspieler spielte deutlich offensiver, kam aufgrund der neuen Spielweise jedoch zu weniger Assists. Erstmals musste der Schotte für seinen Erfolg arbeiten, kämpfen, verteidigen und auch laufen, wenn er mal nicht am Ball war. Noch wusste er nicht, dass ihm dieser Spielstil zukünftig entgegenkommen sollte.

Eddie Howe sah das Talent des Blondschopfs und formte nicht nur seinen Spielstil, sondern auch seinen Charakter um. Aus dem Egomanen, der viel Emotionen ins Spiel steckte und sich ärgerte, wenn er mal den Ball nicht bekam, wurde ein Teamplayer, der versucht Fehler seiner Kollegen auszubügeln und von nun an Technik, Kraft und Hirn vereinte.

Während man in der ersten Saison noch Probleme hatte, sollte das darauffolgende Jahr in die Geschichte eingehen. Stürmer Callum Wilson schoss 20 Tore und bereitete 13 vor, sein Stürmerkollege Yann Kermorgant erzielte 15 Tore und bereite 10 vor, Brett Pitman erzielte als Edelreservist 13 Tore, und die beiden Mittelfeldmotoren Marc Pugh und Harry Arter brachten es zusammen auf 27 Scorerpunkte. Dennoch wusste vor allem Matt Ritchie hervorzustechen.

Mit 13 erzielten Toren und 17 Vorlagen war er einer der besten Spieler der Saison. FourFourTwo wählte ihn sogar zum besten Spieler der Football League-Saison. Kein Wunder, war Bournemouth immerhin die Mannschaft mit den meisten Schüssen, den meisten Schüssen aufs Tor, dem höchsten Ballbesitzanteil, den meisten Pässen, der höchsten Passgenauigkeit und den meisten Toren der Liga. Bournemouth profitiert von Matt Ritchie und Matt Ritchie von Bournemouth.

Trotz vieler Interessenten blieb der rechte Mittelfeldspieler bei den Cherries und verbringt mit ihnen ihr erstes Premier League-Jahr der Vereinsgeschichte. Doch es war nicht Ritchies erster Premier League-Einsatz. Bereits im April 2010 wurde er aufgrund einer langen Liste von Verletzen von Swindon Town zurückgeholt und in der 79. Minute eingewechselt. „Für Portsmouth mein Debüt zu geben war traumhaft“, sagte der damals 20-jährige Schotte nach seinem ersten Premier League-Einsatz.

Rund fünf Jahre später spielt er nun endlich wieder in der Premier League, doch seitdem ist viel passiert. Aus dem Premier League-Verein Portsmouth wurde ein Viertligist, der kurz vor dem Aus stand, während Bournemouth und Ritchie sich von ganz unten nach ganz oben kämpften.

Aber die Premier League ist ein härteres Pflaster. Der Neo-Premier League-Verein hat mehr Probleme als gedacht, unter anderem auch aufgrund von Ausfällen einiger wichtiger Spieler. Rekordzugang Tyrone Mings kostete Bournemouth 11,3 Millionen Euro, doch bisher kam er bloß auf zehn Minuten Premier League-Spielzeit, ehe er mit einem Bänderriss bis Saisonende ausfiel. Eine Sekunde kostet dem Verein damit 18.833 Euro. Neuzugang Max Gradel viel nur wenige Tage später mit einem Kreuzbandriss aus und verpasst einen Großteil der Saison.

Zwei Wochen später verletzte sich auch noch Innenverteidiger Tommy Elphick an der Achillessehne und fällt bis Dezember aus und verpasst damit rund 13 Spiele. Nur eine Woche später der nächste schlimme Ausfall: Stürmerstar Callum Wilson riss sich wie Gradel das Kreuzband und die Cherries werden fast die gesamte Saison ohne den Engländer auskommen müssen.

Mit Christian Atsu, der mit einer unbekannten Knöchelverletzung bis unbestimmte Zeit ausfällt, fehlt den Cherries nun an Qualität. Viel Last lastet dabei auf Matt Ritchies Schultern, doch selbst befreiende Momente wie sein Traumtor beim 2:0-Sieg gegen Sunderland reichen nicht aus um den Aufsteiger von einem Abstiegsplatz fernzuhalten.



Ritchies Traumtor gegen Sunderland

Dennoch lässt sich Bournemouth nicht unterkriegen. Unter Eddie Howe wird weiterhin begeisternder Fußball gespielt, wobei vor allem Marc Pugh und Matt Ritchie auf den Flügeln für Gefahr sorgen. Bisher konnten jedoch vor allem die beiden Verteidiger Charlie Daniels und Simon Francis in dieser Saison mit guten Leistungen überzeugen, auch Stürmer Callum Wilson, bis er mit einem Kreuzbandriss ausfiel.

Ritchie agiert in Howes neu erwähltem 4-3-3 oder 4-2-3-1- als invertierter, zentralorientierter rechter Mittelfeldspieler. Ähnlich wie Arjen Robben zieht Matt Ritchie mit viel Tempo von den Außen ins Zentrum und zieht mit seinem linken Fuß gerne auch mal aus der Distanz ab, einzig mit dem Unterschied, dass Ritchie öfter im Zentrum zu finden ist, während Robben meist auf den Außenbahnen für Wirbel sorgt.

Sein Pendant auf der linken Seite, meist Marc Pugh, ist hingegen weitaus öfter an den Außenbahnen zu finden als Ritchie. Pugh macht das Spiel breit und versucht mit viel Tempo Raum zu gewinnen und bis zum Strafraum vorzustoßen um mit Flanken und flachen Pässen die Stürmer zu bedienen.

Doch trotz der vielen Rotationen und Alternativen scheinen Howe die Ideen auszugehen. Der 37-jährige Engländer ist gezwungen im Winter auf dem Transfermarkt aktiv zu werden und guten Ersatz zu finden. Eine genaue Position ist dabei nicht auszumachen.

Im Angriff fehlt beispielsweise ein Ersatz für Wilson, der in sieben Spielen auf fünf Tore kam, während sein Ersatzmann Glen Murray in sieben Spielen „bloß“ auf zwei Tore kam. Auch die anderen Alternativen konnten bisher nicht überzeugen.

Grundsätzlich gilt es für Besitzer Maxim Demin und Eddie Howe auf dem Transfermarkt die richtigen Spieler zu finden, um die Mannschaft doch noch in der Premier League zu halten. Nach 13 Spieltagen liegen die Cherries aktuell auf Platz 19, einem Abstiegsplatz, doch mit Newcastle und Norwich (… und sogar Chelsea?) sind zwei weitere Anwärter für den Abstieg in naher Reichweite.

Mit guten Einkäufen im Winter – wobei man sich vor allem auf den Angriff konzentrieren sollte – und hoffentlich baldigen Rückkehrern könnte Bournemouth tatsächlich den Klassenerhalt schaffen. Zu wünschen wäre es, hatte doch der Neo-Premier League-Verein bisher kaum eine Chance mit seinem modernen Fußball die Liga und die Fans zu begeistern.

Marco Stein
Co-Gründer von Cavanis Friseur und für Alles und Nichts zuständig. Ist Leeds United-Fan und weiß das immer und überall zu erwähnen.

Cavanis Friseur Newsletter

Keine Texte & Podcasts mehr verpassen!

1 comment

Leave a reply

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein