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Copa America 2019 – Vorschau: Chile

Der Sieger der letzten beiden Copa América Ausgaben gehört auch in diesem Jahr nicht unbedingt zum absoluten Favoritenkreis. Aber das hat die Nation vom Westhang der Andenkordillere noch nie davon abgehalten, für Überraschungen zu sorgen.

Von Chiles goldener Generation, die 2010 erstmals größere Aufmerksamkeit erlangte, ist zwar noch ein Großteil vorhanden, sie ist aber deutlich in die Jahre gekommen.

Mit einem Altersschnitt von 28 Jahren bringen die Chilenen das älteste Team des Turniers mit. Womöglich ist die diesjährige Copa América die letzte Chance für Vidal, Alexis & Co., noch einen großen Titel einzufahren.

Copa America 2019 – Chile im Porträt

– Das Team
– Der Trainer
– Der Schlüsselspieler
– Der Player to Watch

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Chile in der Analyse

Wirft man einen ersten groben Blick auf den Kader der Chilenen, fällt sofort auf, dass sie keine wirklich starken Keeper in ihren Reihen haben, seitdem Claudio Bravo seine Nationalmannschaftskarriere beendet hat.

Als erster Torhüter wird wohl der 31-jährige Gabriel Arias starten, der mit Racing Club jüngst die argentinische Meisterschaft gewann. Seine Ersatzleute, Bryan Cortés (24, CSD Colo Colo) und Yerko Urra (22, Huachipato FC) sind bestenfalls Kennern des chilenischen Fußballs bekannt.

Schon in der Vorbereitung auf die Copa América wurde deutlich, dass sich die Chilenen im Umbruch befinden – es aber nicht so recht wahrhaben wollen.

So ließ Trainer Reinaldo Rueda beispielsweise mit Ángelo Araos und Víctor Dávila zwei U23-Spieler außen vor, die der Offensive durchaus guttun würden.

Schließlich ruhen die Hoffnungen in der Offensive auf Alexis Sánchez, der bei Manchester United alles andere als ein Stammspieler ist, sowie auf Eduardo Vargas und Nicolás Castillo, die in der mexikanischen Liga MX ihr Geld verdienen.

 

Im Mittelfeld dürften Superstar Arturo Vidal und Charles Aránguiz im 4-3-3/4-2-3-1 der Chilenen gesetzt sein. Fraglich ist nur, wer der dritte Mann im Mittelfeld sein wird.

Mit Erick Pulgar steht ein durchaus interessanter Sechser im Aufgebot, dessen endgültiger Durchbruch noch auf sich warten lässt.

Als Achter bzw. Zehner stehen mit Esteban Paves und Diego Valdés zwei technisch solide Spieler im Kader, die ihr Geld in Chile und Mexiko verdienen. In der Generalprobe gegen Haiti erhielt der 29-Jährige Paves den Vorzug.

Die Innenverteidigung ist mit Kapitän Gary Medel, Guillermo Maripán und Paulo Díaz ordentlich besetzt, da alle im direkten Zweikampf kompromisslos sind und gleichzeitig im Spielaufbau sehr viel Durchschlagskraft erzeugen können.

Problematisch sind hingegen die Außenverteidigerpositionen, wo Rueda neben Mauricio Isla und Óscar Opazo nur Altmeister Jean Beausejour nominiert hat.

Eine dünne Besetzung, bedenkt man, dass die Chilenen noch immer von ihrer Intensität leben, wenn auch nicht mehr so stark wie früher.

Bereits im Spielaufbau schieben die Außenverteidiger frühzeitig nach vorn, um den Gegner zurückzudrängen.

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Die Innenverteidiger übernehmen die Ballzirkulation zusammen mit einem Sechser im ersten Drittel. Wichtig ist hierbei, dass die Räume vor bzw. neben Maripán, Díaz oder Lichnovsky dynamisch besetzt werden.

Aránguiz & Co. versuchen sich stets mit weiträumigen Bewegungen aus der Deckung des Gegners zu befreien.

Das hat zur Folge, dass das Aufbauspiel von La Roja meist sehr dynamisch und ein bisschen wild wirkt. Im zweiten Drittel geht es etwas langsamer zur, wenngleich man beim Übergang ins letzte Spielfelddrittel enorm wuchtvoll spielt.

Alexis Sánchez und insbesondere Vidal haben Freirollen in der Offensive und besetzen auch die Räume zwischen den Ketten dynamisch durch Einrücken oder diagonales Aufrücken.

Schafft es der Gegner nicht rechtzeitig diese Lücken zu schließen, werden die Chilenen am gefährlichsten.

Gelingt der sofortige Durchbruch im Zentrum nicht, sollen die aufgerückten Außenverteidiger eingesetzt werden. Vor allem Opazo tat sich im Vorbereitungsspiel gegen die USA positiv hervor, als er neben seinem Tor die ein oder andere gefährliche Hereingabe schlug.

Den Strafraum besetzt Chile gar nicht so druckvoll, wie man es erwarten könnte, obwohl man mit Mittelstürmer Nicolás Castillo einen bulligen Abnehmer hat. Vielmehr hat La Roja seine Stärken in der Verarbeitung abgewehrter Bälle.

Vidal & Co. sind sehr aufmerksam im gegnerischen Strafraum und konnten schon so manchen Abpraller noch im zweiten Anlauf verwerten.

In Summe wirken die Chilenen aber weniger stark als noch während der letzten beiden Copa-Ausgaben. Das liegt auch daran, dass sie defensiv anfälliger sind.

Vor allem bei Kontern ist ihre Tiefensicherung nur unzureichend und die Außenverteidiger haben nicht die Luft, um über 90 Minuten die Linie zu beackern.

Schnittstellenpässe sind für die Gegner der Chilenen also ein probates Mittel. Vor allem Ecuador könnte ihnen hier mit dem passablen Konterspiel wehtun.

Da auch das Positionsspiel von Reinaldo Ruedas Team nicht mehr auf allerhöchstem Niveau ist, tut man sich schwer, Gegner systematisch zu bespielen.

Eine Teilnahme an der K.O.-Phase sollte dennoch realistisch sein. Für eine Titelverteidigung wird es dieses Mal jedoch nicht reichen.



Chile-Trainer Reinaldo Rueda im Porträt

Wenn es einen Experten für den Posten des Nationaltrainers einer südamerikanischen Mannschaft gibt, dann ist es Reinaldo Rueda. Der Kolumbianer erlangte erstmals 2010 größere Aufmerksamkeit, als er Underdog Honduras zum ersten Mal zu einer WM-Endrunde führte.

2014 war er für die Nationalmannschaft Ecuadors verantwortlich, die in der Gruppenphase der WM scheiterte. Der mittlerweile 62-Jährige war bereits vorher fast ausschließlich auf Nationalmannschaftsebene tätig.

So betreute er die kolumbianische U21-Mannschaft, welche beim prestigeträchtigen Toulon-Turnier 2000 und 2001 im Finale stand. Weiterhin trainierte er die U20, welche er bei der WM im Jahr 2003 zum dritten Platz führte.

Rueda spricht übrigens fließend deutsch. Zwischen 1990 und 1991 studierte er an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

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Nachdem er 2014 keinen neuen Vertrag mehr beim ecuadorianischen Verband erhielt, machte er ein Jahr Pause und übernahm im Sommer 2015 den kolumbianischen Verein Atlético Nacional. Die erste größere Station im Vereinsfußball sollte für Rueda überaus erfolgreich werden.

Unter ihm gewann Nacional zweimal die Meisterschaft und 2016 sogar die Copa Libertadores. Im gleichen Jahr zog das Team auch in das Finale der Copa Sudamericana ein. Dieses Spiel wurde allerdings vom tragischen Flugzeugabsturz Chapecoenses überschattet.

Im August 2017 folgte dann der Wechsel nach Brasilien, zu Flamengo Rio de Janeiro um genau zu sein. Dort trainierte er unter anderem Talente wie Lucas Paquetá, Vinícius Júnior und Lincoln.

Nichtsdestotrotz war bereits Ende des Jahres Schluss für Rueda, da dieser nach nur 26 Spielen für Flamengo überraschend den Posten des chilenischen Nationaltrainers annahm.

Seitdem hat der in Cali geborene Rueda nun also die Verantwortung für die Chilenen. Seine Bilanz ist bis dato mit vier Siegen und drei Niederlagen in elf Spielen durchwachsen.

Reinaldo Rueda soll unabhängig vom Ausgang der Copa der Mann sein, der den Umbruch bei La Roja vorantreiben soll.



Chiles Schlüsselspieler: Arturo Vidal

Man kennt ihn. Krieger auf dem Platz, Irokesenschnitt und Tattoos am ganzen Körper. Seit Jahren ist Arturo Vidal Chiles Aushängeschild in Sachen Fußball und prägte zusammen mit Alexis Sánchez und Claudio Bravo die erfolgreichste Ära des chilenischen Fußballs.

Der mittlerweile 32-Jährige ist nach wie vor ein Heißsporn auf dem Platz. Allerdings brennen ihm nicht mehr so leicht die Sicherungen durch wie es noch zu seiner Anfangszeit in Leverkusen war.

Beispiele gefällig? In der Saison 2008/09 sammelte er in 29 Spielen zehn gelbe Karten und flog zusätzlich noch zweimal mit Gelb-Rot vom Platz.

In der Folgesaison waren es bei ähnlich vielen Einsätzen knackige 14 gelbe Karten. 2011/12, also in seiner ersten Juve-Saison waren es 12 Karten.

Der Vidal aus Leverkusen ist aber wenig mit dem von heute bzw. mit dem aus Turin zu vergleichen. Antonio Conte zog den Chilenen etwas weiter zurück und ließ ihn an der Seite von Andrea Pirlo und Paul Pogba spielen.

Das hatte zur Folge, dass Vidal einerseits defensive Verpflichtungen hatte, aber andererseits seine später berüchtigten Läufe aus der Tiefe in die Box machen konnte.


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Vidal war oft Initiator des Juve-Pressings aus dem 3-5-2 heraus und Vollstrecker bei Hereingaben und Querpässen. 2012/13 war er an 27 Toren direkt beteiligt und galt als einer der besten Mittelfeldspieler Europas.

Eine ähnliche Rolle nahm er in Chiles Hochphase auch ein, als man unter Jorge Sampaoli in allen Spielphasen ein hohes Tempo ging. Allerdings war er hier weniger Vollstrecker, sondern Achter in einem 4-3-3.

Im Pressing schob er häufig nach vorn und konnte seine Läufe aus der Tiefe nicht so gut zeigen. Nichtsdestotrotz war er in dieser Phase neben Alexis Sánchez der vielleicht wichtigste Offensivakteur. Er war überall.

Nach Sampaolis Abgang spielte der in San Joaquín geborene Vidal vereinzelt sogar als Mittelstürmer. Eine durchaus gute Rolle für ihn, ist er doch als tiefer Sechser nicht so gut geeignet, wie er es teilweise in München gespielt hat.

Er hat schlichtweg nicht die strategischen Voraussetzungen, die beispielsweise Aránguiz oder Medel mitbringt, um aus der Tiefe das Spiel zu gestalten.

Zudem werden dadurch seine Qualitäten in der Offensive ein wenig verschenkt, wenn er den Ball so weit schleppen muss. Auf engstem Raum ist der Barca-Star zudem auch nicht der Sicherste, als dass man ihn als Dribbler im Zentrum einbinden könnte.

Bei der diesjährigen Copa wird man wieder einen Vidal sehen, der sich für sein Team aufopfert und das Mittelfeld umpflügt. Mit 32 Jahren steht er noch immer voll im Saft und kann Spiele auch über die kompletten 90 Minuten gehen.

Spannend wird nur zu sehen sein, ob ihn Trainer Rueda als Offensivmann sieht, der früh den Weg nach vorne sucht oder ob er ihn als Achter auflaufen lässt.

Gegen spielstarke Gegner wie Argentinien oder Brasilien ist Vidal im Mittelfeld Gold wert. In den Partien gegen Japan und Ecuador bringt er als hängende Spitze den meisten Mehrwehrt für Chile.

Vidals Rolle wird über Chiles Abschneiden bei der Copa América entscheiden.



Chiles Player to Watch: Paulo Díaz

Der 23-Jährige hat einen wahrlich ungewöhnlichen Karriereweg eingeschlagen. Beim zweimaligen chilenischen Meister CD Palestino ausgebildet, feierte er im Mai 2013 sein Debüt im Profibereich.

2015 ging es dann zum Kultverein Chiles CSD Colo Colo, wo er satte zwei Minuten Spielzeit verbuchen konnte. Ende Januar des Folgejahres ging es dann zum argentinischen Supercopa-Sieger CA San Lorenzo.

Díaz avancierte bei El Ciclón zum Stammspieler und erzielte in seinen 63 Spielen sechs Treffer und bereitete vier weitere vor.

Vorrangig wurde er als rechter Verteidiger eingesetzt, der in erster Linie mit defensiven Aufgaben betraut war. Díaz ist mit 1,84 Metern Körpergröße und breiten Schultern alles andere als ein flinker Außenverteidiger.

Vielmehr ist er ein sehr guter Athlet, der über die Endgeschwindigkeit und direkte Zweikämpfe kommt.

Da er aber auch mit Ball am Fuß gut dribbeln und passen kann und er in seiner Anfangszeit bei San Lorenzo einige Schwächen in der Verteidigung hatte, stellte ihn sein damaliger Trainer Diego Aguirre auf die Außen.

In der Regel ist es ja so, dass talentierte Kicker aus Südamerika das große Ziel Europa vor Augen haben, sollten sie den Durchbruch in der heimischen Liga haben. Der Chilene hingegen wählte einen unkonventionelleren Weg.

Im August 2018 wechselte er nach Saudi-Arabien zu Al-Ahli – mit nicht mal 23 Jahren. Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass sich Díaz vom Geld hat leiten lassen.

Da wir das an dieser Stelle jedoch nicht beurteilen können, konzentrieren wir uns auf seine spielerische Entwicklung seit seinem Wechsel.

Der mittlerweile 24-Jährige zeigt auch heute noch Schwächen im Herausrücken. Hin und wieder stürzt er mit schlechtem Timing auf den Gegenspieler und öffnet gefährliche Räume in der Innenverteidigung.

Das ist besonders bei dominanten Teams eine prekäre Situation, wenn die Innenverteidiger bei gegnerischen Kontern hochstehen und diese verteidigen wollen. Ein Fehler kann hierbei verheerend sein.

Hat er einen schnellen, wendigen Gegenspieler wirkt der Chilene mitunter hüftsteif und kann deshalb laut Instat auch nur etwas mehr als die Hälfte seiner Tacklings gewinnen (54% in den letzten 20 Spielen).

Mit Ball am Fuß ist er dennoch in der Lage einen durchaus sauberen Spielaufbau voranzutreiben und mit seinen Pässen mehrere Pressinglinien zu durchbrechen.

In Luftzweikämpfen ist er robust und gewinnt knapp zweidrittel seiner Duelle. Bei Standards kann er folglich eine echte Waffe für die Reinaldo Ruedas Team werden.

In der Nationalmannschaft kam er zuletzt seltener zum Einsatz, auch, weil Rueda seine Innenverteidigung aus Medel und Maripán gefunden zu haben scheint. Als Rechtsverteidiger ist Mauricio Isla aufgrund seines Offensivdrangs besser geeignet.

Nichtsdestotrotz ist Díaz ein hochinteressanter Verteidiger, der auf allen Positionen der Viererkette flexibel einsetzbar ist und auf den einige Vereine in Europa ein Auge werfen sollten.

Vielleicht bekommt er ja bei der Copa América seine Chance und spielt sich ins Rampenlicht.


Die Gruppengegner Chiles

Uruguay | Ecuador | Japan

Sascha
Hat genauso eine Daseinsberechtigung wie Torrichter während der Champions League Spiele. Passionierter Schachtelsatzschreiber. Gilt intern nicht umsonst als L’Akquisiteur – wenn nicht da, dann zumindest bei sich selbst. Man soll sich immerhin treu bleiben wie Javier Pinola den Überresten seiner Haare. Glaubt noch immer, dass in Enes Ünal ein Weltklassestürmer schlummert, den aber nicht einmal Houdini hervorzaubern könnte. Einziges Vorbild von Max Dettmer.

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