Ein Verein, der sich nicht mit internationalen Top-Stars spickt, sondern ausschließlich auf Spieler aus der Region setzt.
Ein Verein, der in Zeiten, in denen Fußballclubs Marketingplattformen für österreichische Getränkefirmen oder Prestigeprojekte arabischer Scheichs sind, mit dieser Maxime vor zwei Jahren das Europa League-Finale erreicht hat und aktuell sogar in der Champions League vertreten ist – ein Traum für jeden traditionsbewussten Fußballfan.
In Bilbao geht man diesen Weg seit jeher und über weite Strecken mit großem Erfolg. Die Philosophie, ausschließlich mit baskischen Spielern anzutreten, schafft ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mannschaft, aber auch zu den Fans.
Wer ist eigentlich ein Baske?
Entgegen anderslautender Gerüchte ist eine „baskische Abstammung“ kein Kriterium für ein Auflaufen bei Athletic. Um zu den Leones, wie die Athleti-Spieler in Spanien genannt werden, zu gehören, muss man laut clubeigener Regelung entweder im Baskenland geboren sein oder seine Jugendausbildung bei einem baskischen Club genossen haben.
Die Abgrenzung eines „Baskenlandes“ ist allerdings gar nicht so einfach. Es existiert in Spanien die Provinz Baskenland (Pais Vasco), die drei Regionen umfasst und in welcher auch Bilbao liegt.
Baskisch geprägte Gebiete sind darüber hinaus auch im Norden der spanischen Provinz Navarra sowie im Süden der französischen Provinz Aquitanien zu finden. Laut baskischer Definition sind diese Gebiete Teile des Baskenlands, eine genaue Grenzziehung ist jedoch schwierig, da das „Baskenland“ kein historisches Gebiet ist, sondern sich durch die gemeinsame Sprache und Kultur definiert.
Die Definition, die man bei Athletic Club getroffen hat, ist da klar umrissener: Neben den drei französischen historisch baskischen Provinzen, aus denen Bixente Lizarazu der einzig bekanntere Vertreter in Diensten der Rot-Weißen war, ist auch die gesamte Provinz Navarra ein Teil des baskischen Herkunftsgebietes.
Von hier hingegen rekrutiert sich ein beträchtlicher Teil des Athleti-Kaders, Akteure wie beispielsweise Carlos Gurpegi, Iker Muniain oder auch Javi Martinez.
Navarrer und Basken teilen eine gemeinsame Geschichte und einige Landesteile sind sicherlich sehr Baskisch geprägt, für die südliche Hälfte gilt dies jedoch absolut nicht.
Die Einwohner dieser sehr ländlichen und konservativ geprägten Gegend standen den Basken in den vergangenen Jahrhunderten gar in diversen Kriegen gegenüber und von der im Norden verbreiteten Sehnsucht nach einem geeinten Baskenland ist hier nicht zu sehen, als Baske würde sich hier niemand bezeichnen. Die Grenzziehung des Clubs erscheint an dieser Stelle also etwas fragwürdig.
Nur Basken bei Athletic Club Bilbao? Die Grenzfälle
Fernando Llorente beispielsweise, seit vergangenen Sommer im Dienste von Juventus Turin tätig, ist genau genommen in der Provinz La Rioja geboren und im Grenzgebiet zwischen dem südlichen Navarra und La Rioja aufgewachsen.
Fußball gespielt hat er auf beiden Seiten der Grenze, für eine Aufnahme bei Athletic reicht das, nur Baske ist er keiner. Dennoch wurde er eine wichtige Stütze des Teams und war ein Spieler, der immer alles für den Verein gegeben hat.
Nicht zuletzt auch aufgrund der Vereinspolitik hat Athletic Bilbao fast den Charakter einer Nationalmannschaft. Für viele Spieler ist es das Größte, für den Verein auflaufen zu dürfen und der Verein erwartet diese Einstellung ein Stück weit auch von seinen Spielern.
Als Vorzeigeakteur mit baskischer Gesinnung gilt hier Rechtsaußen Markel Susaeta, der nach seiner Nominierung für die spanische Nationalelf in einem Interview aus spanischer Sicht etwas unglückliche Formulierungen wählte und seitdem im Baskenland als Nationalheld gilt, während er in Spanien zum Feindbild wurde.
Für die La Roja wurde er auch nicht wieder berufen. (De Facto tat er nichts anderes, als die Aussage zu umschiffen, dass man als Spieler im spanischen Nationalteam doch tatsächlich Spanien vertritt)
Doch ist nicht jeder in Diensten von Bilbao durch und durch Baske und auch ein Baske kann durchaus das Gefühl haben, dass er in seiner Karriere noch Ziele außerhalb des Vereins erreichen könnte.
Als dies beispielsweise nach der erfolgreichen Saison mit dem Euroleague-Finale 2012 einige Spieler wie unter anderem auch Llorente geltend machten, wurden deren Wechselwünsche nicht erhört. Während die Bayern die Ausstiegsklausel bei Javi Martinez zogen, blieben Llorente und Amorebieta zurück, da die Basken keinen Cent von der vertraglichen Ausstiegsklausel, die in Spanien verpflichtend ist, abrücken wollten.
Dies ist einerseits verständlich, denn finanziell ist der Club gut aufgestellt, das Geld wurde nicht benötigt und gleichwertigen Ersatz für drei der wichtigsten Leistungsträger zu bekommen war aufgrund der Beschränkungen absolut unmöglich.
Andererseits nahm man den beiden ihre Wechselwünsche wohl so übel, dass sie die kommende Saison auf der Bank verbrachten. Nach einem Jahr fast ohne Spielpraxis waren sie im Sommer darauf vertragslos und wechselten ablösefrei, ein Vorgehen, das für die beiden einen Knick in ihrer Profikarriere bedeutete und von dem auch Athletic Club nicht wirklich einen Vorteil hatte.
Stelle dir keine Regel, die du nicht selbst umgehen kannst
Für nicht im Baskenland geborene gibt es wie erwähnt die Möglichkeit, für Athletic aufzulaufen auch, wenn man im Jugendbereich für ein baskisches Team gespielt hat. Eine sinnvolle Regel, vor allem um zugezogene und im Baskenland aufgewachsene Spieler zu erfassen. Allerdings ist sie auch anders anwendbar.
Im Sommer 2009 wechselte eines der größten Verteidiger-Talente Frankreichs im Alter von 15 Jahren vom SU Agen zu Aviron Bayonnais. Nun würde man diesem Wechsel zwischen zwei unterklassigen Clubs keine Beachtung schenken, wäre da nicht ein wichtiger Unterschied: Im Gegensatz zu Agen liegt Bayonne im Baskenland.
Des Weiteren ist Aviron Bayonnais einer der diversen baskischen Kooperationsvereine von Athletic Bilbao, wohin Aymeric Laporte dann auch im Sommer darauf sofort wechselte. Wer auch immer das Juwel in Agen gescoutet hatte, Laporte hatte nun mit dem einen Jahr in Bayonne offiziell die Ausbildung in einem baskischen Verein genossen und konnte für Athletic auflaufen. Ein etwas merkwürdiger Umgang mit den eigenen Regeln, auch wenn den Basken natürlich aufgrund deren Freiwilligkeit niemand wirklich einen Vorwurf machen kann.
Auf der Suche nach baskischen Talenten
Die bereits erwähnten Kooperationsverträge mit diversen Vereinen sollen sicherstellen, dass die besten Talente des Baskenlandes auch wirklich in Bilbao landen, eine Praxis, die aufgrund der beschränkten Auswahl an Spielern sinnvoll, wenn nicht gar nötig ist. Im Gegenzug profitieren auch die kleineren Vereine, unter anderem durch Spieler, die den Durchbruch in Bilbao nicht schaffen.
Solche Kooperationsverträge existieren mit dem zweiten großen baskischen Club selbstverständlich nicht. Dennoch hat man eigentlich ein entspanntes Verhältnis zu Real Sociedad aus San Sebastián.
Trotz der sicherlich vorhandenen Lokalrivalität verbindet die baskische Sache die beiden Clubs und verhindert eine ernsthafte Fehde. Doch im Sommer 2011 war man in Donostia plötzlich etwas weniger begeistert vom großen Rivalen.
Das offensive Abwerben von Jugendspielern ist sicherlich keine schöne Sache, aufgrund der nur beschränkten Auswahl für Athletic allerdings oft unerlässlich. Und so verließ diesen Sommer ein Spieler La Real, der als das vielleicht größte Talent in der Jugendschmiede der Donostiarra galt. Unai López war damals gerade einmal 15 Jahre und spanischer Juniorennationalspieler.
Inzwischen verbringt der zentrale Mittelfeldspieler mit großem Offensivdrang als achtzehnjähriger seine erste Saison mit der ersten Mannschaft von Athletic und wird dort behutsam an die erste Elf herangeführt, während man in San Sebastián einem verlorenen Juwel hinterher trauert.
Auch wenn nicht jede Konsequenz aus den Maximen der Rotweißen positiv ist und einige Entscheidungen für Außenstehende oft unverständlich erscheinen, bleibt schließlich der Respekt für die Basken für das, wozu sie sich verpflichtet haben und das, was sie trotz, oder vielleicht teilweise auch wegen dieser Verpflichtungen erreichen. Bei Athletic Club hat man sich eben für den baskischen Weg entschieden.