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Die Kicker Bundesliga-Rangliste 2021/22 – Ein Kommentar

Im Grunde ist es mir völlig egal, wen die Redaktion des Kickers auf der Torhüter-Position auf welchem Rang oder Niveau sieht. Wirkliche Experten auf diesem Gebiet sind im Gremium augenscheinlich rar gesät.

Platzierungen werden häufig damit begründet, dass dieser oder jener Bundesliga-Keeper einen bestimmten Notenschnitt über die Saison verteilt hat – logischerweise vom selben Gremium vergeben, das am Ende die Jahresbilanz zieht.

Als würde ich als Grund für eine Gehaltserhöhung meinem Chef sagen, dass meine Kund*innen zwar nicht immer zufrieden mit mir sind, ich mir selbst aber immer Bestnoten geben würde und eine Gehaltserhöhung daher verdient habe.

Bei dieser Rangliste gibt es, vor allem auf der Torwartposition, zwei grundlegende Probleme.

 

Der Wert von Torhütern für eine Mannschaft

Feldspieler können auf eine ganze Saison verteilt einen eindeutig messbaren Einfluss auf die Platzierung der eigenen Mannschaft nehmen. Durch Tore oder Vorlagen können sie das Endergebnis unmittelbar bestimmen.

Torhüter können dies auch durch Paraden, doch ein Tor werden sie in 99,9% der Spielzeiten nicht erzielen. Und drei Punkte sind nun mal mehr Wert als einer. Im Zweifel kann dir ein Keeper also in der gesamten Saison in jedem Spiel die Null halten und du hast am Ende trotzdem nur 34 Punkte auf dem Konto.

Die Anzahl der Zu-Null-Spiele ist nicht unbedingt ausschlaggebend für den Wert eines Keepers, aber immerhin ein Indiz dafür, dass da eventuell ein fähiger Typ in der Kiste steht.

Gerade die Aufsteiger-Teams der jüngeren Bundesliga-Historie haben gezeigt, wie wichtig ein sicherer Rückhalt sein kann. Ob Gikiewicz damals bei Union Berlin, Kobel und Ortega vergangene Saison bei ihren Teams oder in diesem Jahr Riemann: Allesamt zeigten sie überdurchschnittliche Leistungen und trugen zum Klassenerhalt ihrer Mannschaften bei.


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Was nicht heißen soll, dass in einer Kicker-Rangliste nur Keeper in den vorderen Rängen auftauchen sollen, die bei Abstiegskandidaten und Aufsteigern spielen.

Auch ein Manuel Neuer hat einen unheimlichen Wert für den FC Bayern. Da er aber aufgrund der Spielweise des Rekordmeisters traditionell zu weniger Paraden – 33 in dieser Saison laut fbref.com – als seine Kollegen gezwungen wird, liegt sein Mehrwert woanders.

Erst sein furchtloses Verteidigen von langen Bällen und seine Ruhe im Spielaufbau machen ihn für die Bayern unersetzlich. Schauen wir nur auf die Spiele und Situationen in denen ordentlich Feuer unterm Dach ist.

Ob im vollen Wembley Stadium oder im ohrenbetäubenden Westfalenstadion mit einem wild anlaufenden Haaland: Neuer leitet den Ball im Aufbau traumwandlerisch weiter. Dafür braucht er nie mehr als zwei Kontakte. Das gegnerische Pressing wird dadurch schon im Keim erstickt.


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Ich bezweifle allerdings, und da würde ich eine mittelgroße Geldsumme setzen, dass die Kicker-Redaktion diese Fähigkeit in die Bewertung mit einbezogen hat.

Es kann bei dieser Rangliste also nicht nur danach gehen wie toll ein Torhüter durch die Lüfte segelt oder wie hoch seine Quote bei gehaltenen Schüssen ist – als wäre dieser Wert ernsthaft repräsentativ.

Stattdessen sollte es meiner Meinung nach stärker darum gehen, welchen Wert ein Torhüter für die Mannschaft hat. Sowohl im Ballbesitz, als auch in der Raum- und Zielverteidigung. Das beste Beispiel in der diesjährigen Liste ist Kevin Trapp.

Rang Neun für einen der Keeper, der seiner Truppe mehrfach, ob gegen Bayern, Leipzig oder Gladbach mit starken Paraden und herausragender Strafraumbeherrschung die Punkte gesichert hat. Kurzer Kommentar von Thomas Doll dazu bitte – Danke.

Aber mal ernsthaft: Ich bin kein Trapp-Fan und habe ihn vor der Saison aufgrund seiner taktischen Schwächen als einen der Wackelkandidaten gesehen. Er hat sich in der Hinrunde aber nach einem holprigen Start enorm gesteigert und ist einer der Gründe für den Aufschwung der Eintracht.

 

Ändert eure Kategorien!

Ich glaube, dass der Kicker sich mit seinen Ranglisten oft selber ins Fleisch schneidet. Beziehungsweise mit den Maßstäben, die den einzelnen Rängen zugrunde liegen.

Weltklasse, Internationale und Nationale Klasse sind schwammige Kategorien, die sich ohnehin schwer zu unterscheiden lassen. Vor allem wenn in den letzten Jahren auf dem Level „Internationale Klasse“ mit Neuer, Casteels, Hradecky, Gulacsi, Bürki und Sommer die Torhüter vertreten waren, die in der Europa League gespielt haben.

Und natürlich klingt es dann nicht sexy, wenn der Bundesliga ein Aufsteiger, einer vom Tabellenvorletzten und einer, der seine erste Saison als Stammkeeper spielt, als Aushängeschilder dienen. Du kannst halt nicht einen Torhüter vom VfL Bochum mit dem von Tottenham gleichsetzen. Wo kommen wir denn da hin?

Aus meiner Sicht ein mutmaßlicher Grund, wieso man sich in der Rangliste auf einen Platz Vier für Yann Sommer geeinigt hat. Der Kicker begründet dies mit damit, dass er am „[…]schwachen Abschneiden der Gladbacher kaum Aktien hält, zum anderen, weil er im Nationaltrikot überzeugte.“

In der Nationalmannschaft können Baumann, Ortega oder Flekken schon mal nicht überzeugen – die Voraussetzungen für eine objektive Bewertung sind meiner Meinung nach nicht gegeben. Zumal bei Manuel Neuer anscheinend die Leistungen bei der EURO 2020 – Grüße an den Ungarn András Schäfer – keine Rolle zu spielen scheinen.

Die Kategorien sollten also weniger auf den Ligenvergleich ausgerichtet sein, als auf das tatsächliche Leistungsniveau der Bundesliga. Ob nun oberstes Regal, Top 3, Top 5, was auch immer. Auf jeden Fall nicht diese komischen Quervergleiche.

 

Realtalk: wie sähe deine Kicker-Rangliste aus?

Nagelt mich bitte nicht auf die Reihenfolge der Keeper fest. Für mich gab es diese Saison keinen der absolut fehlerfrei gespielt hat und das Niveau in den einzelnen Kategorien ist zu nah beieinander. Die Liste orientiert sich wie bereits erwähnt am Wert der Torhüter für ihre jeweiligen Mannschaften.

Titelbild: © Getty Images

Sascha
Hat genauso eine Daseinsberechtigung wie Torrichter während der Champions League Spiele. Passionierter Schachtelsatzschreiber. Gilt intern nicht umsonst als L’Akquisiteur – wenn nicht da, dann zumindest bei sich selbst. Man soll sich immerhin treu bleiben wie Javier Pinola den Überresten seiner Haare. Glaubt noch immer, dass in Enes Ünal ein Weltklassestürmer schlummert, den aber nicht einmal Houdini hervorzaubern könnte. Einziges Vorbild von Max Dettmer.

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