An der Südspitze der Iberischen Halbinsel versteckt sich die kleinste Fußballnation Europas. Erst seit der Qualifikation zur diesjährigen Europameisterschaft darf Gibraltar im Stall der Großen eine Box beziehen; es ist zwar die allerkleinste überhaupt, aber das fällt nicht weiter ins Gewicht. Hauptsache dabei sein.
Immerhin steht die Fußballkultur noch ganz am Anfang. So müssen sich beispielsweise die Vereine der beiden „Profiligen“ das Victoria Stadium teilen, weil der Inselstaat, der zur britischen Krone gehört, einfach nicht genügend Fläche zur Verfügung hat, um jedem Team eine eigene Arena – oder eher Kampfbahn – zu ermöglichen.
Dementsprechend sieht es auch mit den Trainingsbedingungen aus.
Mitschwimmen, mitlaufen oder im Fall des Rasenballsports einfach nur mitzukicken, ist für John Gontier zu wenig.
Der Geschäftsmann, der selbst mal kurz davor stand, Fußballprofi zu werden, gründete deshalb im Dezember 2013 den Europa Point F.C. – und will in fünf Jahren auf der schillernden Bühne der Königsklasse stehen.
Ob sich hinter diesem äääääußerst ambitionierten Ziel lediglich ein PR-Gag verbirgt oder Gontier dieses Unterfangen tatsächlich umsetzen möchte, hat er uns im Gespräch verraten.
Herr Gontier, warum haben Sie 2013 den Europa Point F.C. gegründet?
Um Spielern eine zweite Chance zu geben. Ich habe vorher als Vermittler für League Football Education in Spanien gearbeitet, um Talenten, die es in der englischen Fußballliga nicht geschafft haben, zu helfen.
Woher kommt das Faible für gescheiterte Talente?
Ich wurde 1979 als Spieler von Watford entlassen, dabei war ich immer der Meinung, dass ich es mit Glück und Unterstützung zum Profi geschafft hätte.
Versuchen Sie daher Ihren Spielern Mut zu machen?
Genau. Ich bin nicht nur der Vorsitzende, sondern nehme auch ein wenig die Rolle des Psychologen ein. Ich versuche den Spielern meine Erfahrungen zu vermitteln, damit sie es einfacher haben. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig und wird viel zu sehr unterschätzt; also die moralische, psychologische Komponente.
Im Spielbetrieb reichte es zwar für den ersten Titel, aber in die erste Liga ist der FC nicht aufgestiegen.
Ja, es ist hart. Wir haben mit dem League Cup zwar unseren ersten Titel gewonnen, aber aufgestiegen sind wir nicht. Dabei haben wir 22 Tore mehr als der Erste und 43 Tore mehr als der Zweite geschossen, sind dann aber nur auf Platz drei gelandet…
… Fehlte in den entscheidenden Spielen die Qualität?
Nein. 2014 haben wir als Sparringspartner für den Rekordmeister Lincoln Reds Imps FC fungiert. Die nahmen an der Qualifikation zur Champions League teil. Wir haben drei Spiele bestritten und das letzte sogar mit 1:0 gewonnen. Das waren die ersten Begegnungen als Verein – und damit auch quasi die Geburtsstunde.
Wie sieht die Infrastruktur von Europa Point aus? Gibt es eine Geschäftsstelle?
Der Verein hat kein Büro. Alles, was gemacht werden muss, mache ich in meinem Geschäftsbüro. Die Dinge werden sich ändern, sofern ich einen geeigneten Investor gefunden habe, der unsere Mission und Vision versteht. Die werden nämlich nicht geändert.
Wie kommt Ihre Vision bei Fans an?
Fans lieben natürlich die Passion und Herausforderung, wenn ein Klub Spielern eine zweite Chance ermöglicht.
Lässt sich das in Zuschauerzahlen ausdrücken? Immerhin bietet das Victoria Stadium Platz für 5000 fußballverrückte Gibraltarianer.
Naja, es kommen nur sehr wenige. Eine Ausnahme war das Pokalfinale, da waren sogar Fans von Chesterfield aus England.
Chesterfield?
Ja, wir haben eine Kooperation mit dem Verein. Im letzten Jahr waren sieben Spieler beim Probetraining und vier davon haben einen Profivertrag bekommen und spielen nun in der dritten Liga in England.
Also wollen Sie die Jungs direkt wieder auf die Profibühne schicken?
Wenn es klappt, ja. Meine elfjährige Tochter ist schon der Meinung, dass wir unsere besten Spieler verlieren und so nie aufsteigen werden. Aber die sollen sich entwickeln.
Für eine gute Entwicklung braucht man auch gute Trainingsbedingungen.
Ja, aber das ist auf Gibraltar sehr, sehr schwierig, weil wir keine Plätze haben. Wir sind der Verein mit den wenigstens Einheiten pro Woche, weil wir nur einmal trainieren dürfen.
Daher haben wir spezielles Training für zu Hause entwickelt und sind darüber glücklich, wenn wir gegen spanische Teams aus der näheren Umgebung spielen können. Momentan arbeite ich auch an einem Konditionstraining, damit die Jungs auch während eines Matches arbeiten können.
Können die Spieler überhaupt von ihren Gehältern leben?
Nein. Wir können lediglich eine kleine Siegprämie anbieten. Aber wieder: Wenn wir einen Investor an Bord haben, wird sich das ändern. Das La Sala Restaurant/Bar am Sunborn Yacht-Hotel hat drei Spieler eingestellt und wenn weitere Firmen unseren Spielern Arbeitsplätze anbieten können, dann werden wir weltweit interessant.
Aber noch haben Sie keine Geschäftspartner.
Weil es sehr schwierig ist, Unternehmen für einen neuen Klub zu begeistern.
Sie selbst sind als junger Spieler gescheitert und geben nun Talenten eine zweite Chance, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Ist das für Ihren Klub die beste Herangehensweise?
Ja das ist schon immer meine Vision beziehungsweise Mission. Es sieht halt so aus: Fußball ist ein Geschäft der Meinung. Ein Manager mag vielleicht finden, dass ein Spieler nicht gut genug ist, aber andere sehen genau das Gegenteil. Genau das wollen wir sein. Aber ohne Investor und als Neuling ist es halt noch schwierig, an die „besten Entlassenen“ zu kommen.
Der Großteil Ihres Kaders kommt aus England. Liegt das an der Kooperation mit Chesterfield?
Nein, das liegt an meinen Kontakten, die ich durch meinen Vermittlerjob in Spanien habe. Die Kooperation ist aber auch noch nicht so ausgereift, wie ich es gerne hätte.
Woran hapert’s?
Chesterfield sieht nur den Vorteil für sich selbst und hat auch schon oft seine Meinung geändert. Daher ist die Beziehung noch nicht so vorteilhaft für uns, wie ich es gerne hätte. Immerhin müssen beide Seiten von einer Kooperation profitieren.
Haben Sie auch eine eigene Jugendakademie?
Nein, in Prinzip sind wir ja selbst eine, weil wir nur sehr junge Spieler haben. Darüber hinaus wäre es nicht gut, wenn wir Talente frustrieren, die bei uns nicht zum Zuge kämen. Das widerspräche unserer Philosophie.
In fünf Jahren soll der Europa Point F.C. auf der großen Bühne der Champions League tanzen. Wie soll das bitte funktionieren?
Wir brauchen einfach ein gutes Netzwerk und überall Scouts, damit wir, wie bereits angesprochen, die „besten entlassenen“ Spieler von unserem Konzept überzeugen können. Dafür benötigen wir auch die Geschäftspartner, weil den ganzen finanziellen Aufwand bisher ich alleine getragen habe. Aber das ändert sich hoffentlich bald.
Ihr Klub wird international immer bekannter, was nicht zuletzt daran liegt, dass Sie Fans anbieten, die Halbzeitansprache zu übernehmen. Wie findet das Ihr Trainer Miguel Perez?
Er mag die Idee, nachdem ich ihn überzeugt habe, weil ich finde, dass das die Spieler richtig motiviert. Bei uns sollen sie geliebt werden, was vorher eben nicht der Fall war.
Also, wenn ich das nächste Mal in der Nähe bin, komme ich rein und halte die Halbzeitansprache.
Klar, das ist gar kein Problem. Sie müssen mir nur paar Stunden vor dem Spiel Bescheid sagen.
Wir Deutschen sind in Sachen Fußball absolut verwöhnt. Der FC Bayern München gehört zu den besten Teams der Welt und unsere Nationalmannschaft ist der aktuelle Weltmeister. Warum sollen wir also einen kleinen Verein aus Gibraltar unterstützen? Was macht Europa Point so besonders?
Jeder Sportfan liebt die Herausforderung, vor allem wenn ein Team aus gescheiterten Spielern zusammengestellt ist. Wer verdient bitte keine zweite Chance im Sport und Leben?
Warum sollen wir mit kleinen, finanziellen Mitteln nicht die großen Jungs ärgern können? Schaut euch Leicester City an! Die rocken in dieser Saison die Premier League! Gerade die Deutschen wissen wahrscheinlich besser als jede andere Nation auf der Welt, dass man mit harter Arbeit und unbändigem Willen alles erreichen kann. Vor allem im Fußball.
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Hier könnt ihr euch weiter über Europa Point F.C. informieren:
Homepage: http://www.europapointfc.com
Facebook: https://www.facebook.com/EuropaPointFC
Twitter: https://twitter.com/europapointfc
[…] Quelle: http://cavanisfriseur.com/2016/02/09/europa-point-f-c-ein-fussballzwerg-aus-gibraltar-will-in-die-ch… […]
Hat dies auf Cavanis Friseur UK rebloggt und kommentierte:
Ein spannendes Projekt, das man verfolgen sollte!