Vor ein paar Wochen hatte ich die Idee, einem Verein über ein Jahr zu folgen. Es gibt so viele interessante Klubs da draußen, über die man aber kaum etwas erfährt.
Seit der Gründung von Cavanis Friseur muss oder möchte ich viel mehr und vor allem viel genauer recherchieren als früher. Ich lerne mehr als nur den Fußball eines Vereins kennen, sondern auch die oft sogar sympathischere Seite eines Vereins, einer Stadt oder der Spieler.
So zum Beispiel bereits bei den Wycombe Wanderers oder auch Bournemouth, die ich seitdem in mein Herz geschlossen habe. Doch meist folge ich solchen Vereinen nur aus weiter Entfernung. Alle paar Monate einen Artikel über sie lesen, ein paar Mal auf die Ergebnisse und Tabellen schauen, mehr nicht … Nun soll sich das aber ändern!
Es muss ein Verein her, der mir stets sympathisch war, aber den ich viel zu wenig kenne. Nach kurzer Überlegung waren bereits ein paar mögliche Kandidaten gefunden: Exeter City aus der League Two, Chelmsford City aus der National League South und Scunthorpe United aus der League One.
Als ich ein paar Freunden von meinem Projekt erzählte, machte mir ein Freund die Entscheidung leichter, indem er für mich einen Bekannten kontaktierte, der seit Kindheitstagen Exeter-Fan ist und mir wenige Stunden später bei Facebook einen riesigen Text über den Verein schrieb.
Ich weiß nicht, wieso ich den Verein immer mochte. Womöglich war es einfach diese typische Underdog-Reputation, andere mögen dies wahrscheinlich eher anders bezeichnen. Man sieht hier keinen modernen, taktik-lastigen Fußball und auch keine Millionen.
Man sieht Fußball und Familien, Spieler, denen der Erfolg bisher aus blieb und sich Woche für Woche den Arsch für die „Grecians“ aufreißen. Ein Verein mit Charakter, eine wunderschöne Stadt und begeisterten Menschen, die ihren Verein für sich haben wollen und ihn sogar besitzen.
So war mein Bild der „Griechen“, doch nach meiner erhaltenen Facebook-Nachricht war der Klub noch viel viel mehr.
Deshalb dreht sich der erste Teil von „Mein Jahr mit … Exeter City“ um die Geschichte des Vereins und dem letzten Jahrzehnt. Mit Ende der laufenden Saison werde ich den zweiten Teil schreiben und euch von da an über den Verein am Laufenden halten.
Joga Bonito
Aber nun zur Geschichte des Vereins: Exeter City ist eine Besonderheit im englischen Fußball. Kaum ein Verein durfte weniger Erfolge feiern, doch öfter in den Geschichtsbüchern als dieser kleine Verein.
Zwar wurde der Verein 1904 gegründet, doch das größte historische Ereignis des Vereins dürfte wohl das erste Spiel der brasilianischen Nationalmannschaft sein. Weshalb der brasilianischen?
Ganz einfach: Exeter City war der erste Gegner der Selecao im Jahr 1914. Das Ergebnis ist unklar, so kursieren Zahlen von einem 3:3-Unentschieden, ebenso wie einem 2:0-Sieg für Exeter.
Die „Griechen“ waren mit ihrer Südamerika-Rundreise damit der erste europäische Verein auf dem südamerikanischen Kontinent. Die Freundschaft und Kooperation mit Fluminense, gegen die sie bei dieser Rundreise ebenfalls spielten, hält bis heute bestand.
Zum 100-jährigen Jubiläum des ersten Spiels 1914 wurden sie daher im Sommer 2014 von Fluminense auf eine erneute Reise nach Brasilien eingeladen im gleichen Stadion wie damals gegen die U23 des Vereins zu spielen. Doch beinahe hätte diese tolle Geschichte ein jähes Ende genommen.
2002 hatte Exeter schwere finanzielle Probleme und musste nach einem turbulenten Jahr den Gang in die Conference National, die fünfte Liga Englands, antreten.
Kurz nach dem Abstieg wurde ein Insolvenzverfahren nur durch eine Übernahme der Fans und durch ein Freundschaftsspiel gegen Rivalen Torquay United, die den gesamten Erlös den „Grecians“ spendete, verhindert. Als Torquay 2010 selbst in finanzielle Probleme geriet, sprang in diesem Fall Exeter City ein, um dem Rivalen zu helfen.
Durch die Vereinsübernahme wurden sie zu einem von nur sechs Vereinen in England, der im Besitz der Fans ist. Aber auch die Fans haben nicht viel Geld. Zwar genug, damit der Verein überleben konnte, dennoch zu wenig, um als stabil bezeichnet werden zu können.
In Summe pumpte die Trust geschätzte zwei Millionen Pfund (ca. 2,5 Millionen Euro) in den Verein. Dieses wurde jedoch nicht für Transfers genutzt, sondern für die Renovierung, Sanierung und die Schuldentilgung des Vereins.
Obwohl große Transfers ausblieben, konnte der Verein in den letzten Jahren einiges an Ablösen generieren. So wechselte George Friend 2008 für ca. 500.000 Euro von Exeter zu Wolverhampton, Dean Moxey 2009 für 450.000 Euro zu Derby County oder Eigenbauspieler Matt Grimes im Winter 2015 im zarten Alter von nur 19 Jahren für die Vereinsrekordsumme von 2,25 Millionen Euro zu Swansea.
Doch nicht nur Ablösesummen halten den Verein über Wasser, sondern auch Pokaleinnahmen.
So war für den damaligen Fünftligisten das 0:0-Unentschieden gegen Manchester United in der dritten Runde des FA-Cups nicht nur ein wichtiger sportlicher Erfolg, sondern auch ein finanzieller, denn durch das Rückspiel gab es erneut hohe Einnahmen.
Für große Vereine vielleicht Peanuts, für kleine jedoch oft sogar überlebenswichtig. Durch die hohen Einnahmen aus den beiden Spielen, konnte ein erneutes Insolvenzverfahren des Vereins abgewendet werden.
Ähnliches passierte aus sportlicher Sicht auch diese Saison, als man im FA-Cup auf Liverpool traf und zu Hause ein 2:2-Unentschieden erkämpfte, ehe man sich im Rückspiel 3:0 geschlagen geben musste.
Zurück in der League Two
2008 war es endlich soweit. Nachdem es im Vorjahr nach einer Playoff-Final-Niederlage mit dem Aufstieg nicht klappen wollte, stieg man im Sommer 2008 nach einem 1:0-Sieg gegen Cambridge United als Vierter in die League Two auf.
Als Neo-League Two-Verein gelang ihnen der Durchmarsch, als sie die folgende Saison auf Platz zwei hinter Brentford beendeten und damit in die League One aufstiegen. Eine leitende Figur war Stürmer Adam Stansfield.
Der Engländer wechselte im Jahr 2006 zu den „Grecians“ und avancierte zum Publikumsliebling. Sein endloser Einsatz und sein Charakter machten ihn zu einem der Schlüsselpersönlichkeiten des Vereins.
Zusammen mit Trainer Paul Tisdale waren er und die Mannschaft ein eingespieltes Team und wusste auf dem Platz eine gute Mannschaft zu stellen.
Das erste Jahr in der League One beendete Exeter City nur einen einzigen Punkt vor der Abstiegszone. Knapp, aber geschafft. Doch die Angst vor dem Abstieg war nicht so groß, wie die Angst um den Verlust von Adam Stansfield.
Dem Publikumsliebling wurde im Mai 2010 Darmkrebs diagnostiziert, die Spieler am Boden zerstört, die Fans zwischen Existenz-Angst und Kampfgeist. Letztlich wurde zwar der sportliche Kampf gewonnen, der Kampf gegen den Krebs jedoch verloren.
Im August verstarb der einstige Star des St. James Park in Exeter an seiner Krankheit. Seine Nummer „9“ wurde aus Ehren für neun Saisons gesperrt, Stansfield posthum vielerorts geehrt und selbst nach seinem Tod zu einem angesehen, geehrten Mann in der Stadt, selbst unter Nicht-Fußballfans.
In jedem einzelnen Spiel singen die Fans in der neunten Minuten seinen Namen und schreiben seinen Namen mit seiner Nummer auf das Teamsheet.
Mit Stansfield ging zwar eine große Persönlichkeit verloren, jedoch verlor die Mannschaft nicht an Charakter. In ihrer zweiten League One-Saison landete Exeter auf dem überraschenden achten Platz, nur einen einzigen Punkt hinter einem Playoff-Platz, den sie nur in den letzten Spielen der Saison verspielten.
Doch im dritten Jahr sollte alles anders werden. Nach nicht kompensierbaren Abgängen hatten die Griechen große Probleme. Nach drei Jahren wurde die League One dem Verein eine Nummer zu groß und man beendete die Saison 2011/12 auf dem vorletzten Platz.
Seit dem Abstieg entwickelte sich die Mannschaft zu einer Mittelfeldmannschaft in der League Two.
Durch die finanziellen Probleme hat der Verein oft erst gar nicht die Möglichkeit einen Kader aufzubauen, der gut genug ist oder vor allem groß genug ist, um im Kampf um den Aufstieg mitzuhalten.
Trainer Paul Tisdale trainiert seit 2006 die Mannschaft und ist damit der längste im Amt gebliebene Trainer außerhalb der Premier League. Tisdale ist sowas wie eine Ausnahme im Fußball, kaum ein anderer Trainer bekommt mehr Zuspruch und Beliebtheit wie er.
Der modische Engländer ist bekannt dafür jungen Spielern eine Chance zu geben und alte, bekannte Spieler (und/oder Freunde), wie Jamie Cureton, Matt Oakley oder Clinton Morrison zum Verein zu lotsen. Zudem gilt er als taktisch-versierter Mann, was in den nächsten Monaten von mir genauer unter die Lupe genommen wird.
Aufgrund der finanziellen Lage des Vereins ist auch die Renovierung des Stadions ein großes Thema. Das Stadion ist veraltet und bietet für nur 8.500 Zuseher Platz. Bisher wurden alle Renovierungen aus eigener Kasse der Fans bezahlt und durch ehrenamtliche Mitarbeiter vorgenommen.
Vorherigen Sommer wurden daher Pläne für eine neue Tribüne vorgestellt, was sich jedoch als schwierig erweist, da direkt neben dem Stadion neben dem Stadion Gleise verlaufen. Die neue Tribüne soll für zusätzliche 1.600 Zuseher Platz bieten.
Eine Abstimmung sicherte nun die Planung der Tribüne mit der Voraussetzung des Baus von Studentenwohnung auf der anderen Seite der Tribüne.
Nach 40 gespielten Spieltagen liegt Exeter City derzeit auf dem zehnten Platz (Stand: 4. April 2016), nur zwei Punkte hinter einem Playoff-Platz. In den letzten Wochen ging es bergauf, doch summa summarum war der Verein die Saison über zu inkonstant.
Mit Ende der Saison werde ich Exeter City genauer folgen und euch in gewissen Abständen über die Spiele und Geschehnisse des Vereins informieren. Abschließend noch ein wunderschönes Tor von Youngster Ollie Watkins mit dem Derby-Siegtor gegen Plymouth Argyle in der 93. Minute für Exeter.