Wer über den FC Málaga unter Scheich Abdullah Bin Nasser Al Thani spricht, nennt den Verein gerne als Beispiel für die negativen Folgen eines ausländischen Investors.
Tatsächlich durchlebte der Klub seit der Übernahme im Jahr 2010 neben seiner sportlich erfolgreichsten Zeit gleich mehrere existenzbedrohende Krisen. Nach einer Generalsanierung im letzten Jahr wirkt Málaga nicht sorglos, aber in vielerlei Hinsicht stabiler als jemals zuvor.
Seit sechs Jahren ist Scheich Abdullah Bin Nasser Al Thani Besitzer und Präsident des FC Málaga, doch oft verschlägt es ihn nicht an die spanische Sonnenküste.
Einmal pro Jahr lässt er sich in der Stadt blicken, bleibt für ein paar Tage und macht sich dann wieder auf den Weg in seine katarische Heimat. Die bisherigen Besuche Al Thanis waren von gepflegter Langeweile geprägt, ein Stadionbesuch, ein Gespräch beim Bürgermeister, mehr gab es in der Regel nicht zu bestaunen.
Der Scheich beim FC Malaga
Seit rund drei Wochen ist der Scheich nun mal wieder in der Stadt und diesmal scheint vieles anders. Al Thani wirkt so, als wäre er nicht zu Besuch, sondern ginge seinem gewohnten Tagesgeschäft nach.
Er diskutiert lebhaft mit dem Trainerteam und den Spielern, ist bei der Aufnahme des Mannschaftsfotos zum Saisonabschluss zu allerlei Späßen aufgelegt und schaut vor dem Spiel der Reservemannschaft in der Kabine vorbei. Ein breites Grinsen und die sichtlich entspannte Haltung dürfen dabei zu keiner Zeit fehlen.
Es ist Mittwoch, der 19.05.2016, 12.20 Uhr, als der lokale Fernsehsender 101TV in den Pressesaal des Estadio La Rosaleda, der Spielstätte des Vereins, schaltet.
Scheich Al Thani hat zu einer Pressekonferenz geladen, der ersten überhaupt, die er in seiner gesamten Amtszeit persönlich gibt. „Das ist ein historisches Ereignis, weil es so etwas vorher noch nicht gegeben hat“, verabschiedet sich Moderator Carlos Pariente aus dem TV-Studio, ehe er der Liveschalte das Feld überlässt.
Im Pressesaal ist es noch unruhig, mehrmals müssen die anwesenden Journalisten gebeten werden, Platz zu nehmen und die Gespräche einzustellen.
Dann beginnt Al Thani in brüchigem Englisch, einen Zettel zu verlesen, gegliedert in thematische Abschnitte, die nach und nach von einem Dolmetscher ins Spanische übersetzt werden.
Es ist nicht viel Neues, was er Preis gibt. Er gratuliert der Mannschaft zu einer erfolgreichen Saison, bedankt sich bei den Fans für die Treue und bekundet seine Hoffnung, dass der seit Jahren herbeigesehnte und stets aufgeschobene Bau der Jugendakademie bald endlich beginnen könne.
Er hat bereits sein Schlusswort gesprochen, es wird gerade übersetzt, da ruft er noch einmal in die Runde: „Ach, ich habe noch etwas vergessen.“ Al Thani blickt auf seinen Zettel und hält kurz inne, die Mundwinkel zucken.
Da ist es wieder, wenn auch unterschwellig und kaum zu vernehmen, das Grinsen der vergangenen Tage. „Ich möchte diese Runde nicht beenden, ohne Ihnen allen eine großartige Nachricht zu verkünden.
Der FC Málaga hat die Transferrechte an Ignacio Camacho gekauft. Camacho gehört zu 100% dem FC Málaga und wir wollen diesen wichtigen Spieler für das künftige Projekt unseres Vereins halten.“
Es ist ein echter Paukenschlag, den Al Thani mit seinen Worten verkündet. In den letzten Jahren hatten nahezu alle Stars den Verein verlassen, lediglich Ignacio Camacho, zwischenzeitlich gar spanischen Nationalspieler, hielt Málaga die Treue und stieg damit zur sportlichen Referenz der Andalusier auf.
Paukenschlag beim FC Malaga
Er ist die mit Abstand wichtigste Persönlichkeit auf dem Rasen, in jeder Transferperiode bangen die Fans, dass der Mittelfeldspieler den Verein nun auch noch verlassen könnte.
Noch größer ist diese Angst, seit vor gut einem Jahr 45% seiner Transferrechte an einen venezolanischen Investorenfonds um den zwielichtigen Bankier Edmundo Kabchi verkauft wurden, ein undurchsichtiges Geflecht, von dem lediglich sein Sitz in Panama bekannt ist.
Neben den Rechten gewährte man dem Fonds außerdem die Option, bei einem Angebot ab zwölf Millionen Euro eigenhändig über die Zukunft des Spielers entscheiden zu können.
In diesem Sinne ist es für den Verein eine großartige Neuigkeit, nicht nur wieder über sämtliche Rechte zu verfügen, sondern auch über die alleinige Entscheidungsgewalt im Falle eingehender Angebote.
Zumal Al Thani selbst eigentlich nur das korrigiert hat, was der frühere Generaldirektor Vicente Casado ihm hinter seinem Rücken eingebrockt hatte.
Dass der Scheich in seiner inzwischen sechsjährigen Amtszeit trotzdem auch selbst ausreichend Angriffsfläche geboten hat, ist unstrittig.
In den ersten zwei Jahren, geprägt von großen Investitionen und einem zeitweise auf 150 Millionen Euro aufgepumpten Etat, wollte er aus Málaga das machen, was Atlético Madrid in den letzten Jahren geworden ist: Einen Konkurrenten für Real Madrid und den FC Barcelona, die beiden Großmächte des spanischen Fußballs.
Warum er sich ausgerechnet Málaga ausgesucht hatte? Immerhin handelte es sich um eine klassische Fahrstuhlmannschaft, deren über hundertjährige Vereinsgeschichte genau einen Titel zu Tage gefördert hatte: Den UEFA Intertoto-Pokal 2002.
Konkret Stellung bezogen hatte er dazu nie, wie denn auch, ohne öffentliche Auftritte.
Allerdings gilt als gesichert, dass er sich durch sein Engagement zunächst einen Namen an der Costa del Sol machen wollte, ehe er mit seiner Baufirma deutlich größere Projekte würde umsetzen können.
Doch das Vorhaben scheiterte, Al Thani verzweifelte an den langsamen Mühlen der spanischen Bürokratie, die lokalen Behörden beklagten im Gegenzug die unzuverlässige Arbeitsweise des Investors aus der katarischen Herrscherfamilie, sodass besonders das erhoffte Prestigeprojekt, ein Luxushafen im benachbarten Marbella, niemals auf den Weg gebracht werden konnte.
Als der Scheich in dieser Hinsicht im Sommer 2012 Gewissheit erlangte, verlor er auch die Lust auf weitere Finanzspritzen für den Verein. Von einem Tag auf den anderen stellte er seine finanzielle Unterstützung ein und legte das Schicksal des Klubs in die Hände der vor Ort handelnden Personen.
Das Konstrukt des neuen FC Málaga drohte zusammenzubrechen wie ein Kartenhaus, ausgerechnet im Anschluss an die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte, an deren Ende die erstmalige Qualifikation für die Champions League gesichert wurde.
Über Tage und Wochen war unklar, ob der Verein das sportlich Erreichte am Grünen Tisch würde abtreten müssen. Ob nicht vielleicht ganz andere Folgen drohten, ein Zwangsabstieg oder gar die Vereinsauflösung.
Nach Jahren, in denen der spanische Fußball weit über seinen Möglichkeiten gelebt hatte, wurde von der Regierung eine Null-Toleranz-Politik verordnet, dadurch erschienen selbst derartige Worst-Case-Szenarien nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.
Immerhin gelang es, durch Spielerverkäufe in Höhe von 30 Millionen Euro den Totalschaden abzuwenden. Das ambitionierte Projekt war zwar krachend gescheitert, doch zumindest das Überleben war kurzfristig gesichert.
Vier Jahre sind seit diesem bewegten Sommer ins Land gegangen, ein Spitzenklub ist aus Málaga in der Zeit verständlicherweise nicht geworden, auch kein regel- oder zumindest unregelmäßiger Europapokalteilnehmer.
Dennoch: Wie viel Wahres enthält die These, Scheich Al Thani habe den aufstrebenden Verein heruntergewirtschaftet und in den Ruin getrieben? Wie schwer wiegen die Folgen des plötzlichen Kurswandels und welche Bilanz lässt sich nach insgesamt rund 2.000 Tagen seit der Übernahme ziehen?
Die aktuelle Situation beim FC Malaga
Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt schon einmal, dass es dem Verein deutlich besser geht, als die oberflächliche Betrachtung der letzten Jahre vermuten ließe. Ein Schuldenberg von zwischenzeitlich über 100 Millionen Euro wurde nahezu komplett abgebaut, im ligaweiten Vergleich bedeutet das einen der Spitzenränge.
Neben den Einnahmen aus der Champions League, die dem Klub damals wohl die Existenz sicherten, waren es in erster Linie Spielerverkäufe, die für eine schnelle, wenn auch beschwerliche Genesung verantwortlich waren.
Mit einem Saldo von rund 130 Millionen Euro liegt Málaga in der Statistik der Spielerwechsel seit 2012 weltweit auf dem dritten Rang, lediglich die beiden portugiesischen Exportweltmeister FC Porto und Benfica Lissabon überbieten diese Summe.
Die große Kunst war es nicht, Namen wie Santi Cazorla, Isco oder Jérémy Toulalan an den Mann zu bringen, wohl aber, mit begrenzten Mitteln auf deren Abgänge zu reagieren und trotz der komplizierten Lage die eigene Position im Tabellen-Mittelfeld der Primera División zu festigen.
Nur gut ein Zehntel der Einnahmen, in etwa 16 Millionen Euro, wurden seitdem auf dem Transfermarkt reinvestiert, mehr brauchte es auch deshalb nicht, weil Málagas großes Kapital der eigene Unterbau ist.
Die Jugend des Klubs gilt seit jeher als Talentschmiede und in den letzten Jahren ist das Aufkommen aufstrebender Talente besonders hoch.
Eine direkte Verbindung zum Wirken des Scheichs lässt sich nicht festhalten, gerade auch, weil die seit seiner Ankunft geplante neue Jugendakademie einen weiteren Konflikt mit den spanischen Behörden provoziert hat und noch immer nicht über alle nötigen Baugenehmigungen verfügt.
Auf der anderen Seite wurden im Nachwuchsbereich allerdings neue Strukturen geschaffen, welche die Talentförderung deutlich effizienter gestalten. Von Espanyol Barcelona warb man mit Manel Casanova einen der größten Nachwuchsexperten des Landes ab, ließ ihm freie Hand bei der Umgestaltung und profitiert nun von den Früchten seiner Arbeit.
Mit hoch veranlagten Eigengewächsen wie Sergi Darder, Samu Castillejo, Samuel García oder Juanmi gelang es, die namhaften Abgänge vergessen zu machen und gleichzeitig die Hoffnung auf eine ähnlich gute Zukunft am Leben zu halten.
Ein knappes Jahr lang, in der Spielzeit 2014/2015, war deutlich erkennbar, wie dieser Weg im Idealfall hätte aussehen können. Man spielte zeitweise einen frischen und offensiven Fußball, befand sich über weite Teile der Saison auf Europapokalkurs und träumte vom erstmaligen Einzug ins Pokal-Halbfinale.
Dabei schienen die vielen Talente bei weitem noch nicht am Ende ihrer Entwicklung. Doch einmal mehr folgte auf den Höhenflug der tiefe Fall: Im Pokal scheiterte man letztlich knapp im Viertelfinale, in der Liga brach man ein und verpasste die Europa League.
Alles schmerzhaft, aber noch lange nicht von derart nachhaltiger Wirkung, wie der folgende Sommer des Jahres 2015.
Im Laufe der Transferperiode wurde nach und nach das gesamte Tafelsilber veräußert. Juanmi wechselte per Ausstiegsklausel zu Southampton nach England, die beiden Samuel zog es gemeinsam nach Villarreal und Darder entschied sich für einen Wechsel zu Olympique Lyon.
Das Quartett hinterließ Einnahmen in Höhe von 35 Millionen Euro, aber auch eine enorme sportliche und emotionale Lücke.
Die Reaktionen von Seiten der Fans waren drastisch. Die Dauerkartenverkäufe brachen ein, die Stimmung sank in den Keller und besonders ein Mann geriet immer stärker unter Beschuss: Generaldirektor Vicente Casado.
Der war 2011 eigentlich als Marketingdirektor in die Führungsriege des Klubs aufgestiegen, nutzte aber schon im Jahr darauf das große interne Chaos, um sich als neuer starker Mann zu profilieren – eine Generalvollmacht des Scheichs inklusive.
Finanzielle Gesundung, Unabhängigkeit und langfristige Selbstversorgung, diese Stichworte hatte sich Casado auf die Fahne geschrieben und in den folgenden drei Jahren wurde er nicht müde, deren Wichtigkeit bei jeder Gelegenheit zu betonen.
Anfangs klangen seine Parolen noch schlüssig, die Prognosen vielversprechend. Doch immer deutlicher fiel auf: Casados Worte wiederholten sich, die von ihm vorgelegten Zahlen und Fakten aber auch.
Der angekündigte Dreijahresplan zum endgültigen Abbau der Schulden wurde Jahr für Jahr mit unveränderten Zahlen aufgeschoben, obwohl die Einnahmen stets deutlich über den Ausgaben lagen.
Casado wies immer wieder auf die dramatische Lage hin, die er bei seinem Amtsantritt als Generaldirektor vorgefunden hatte: „Unsere Verantwortung damals lag darin, zu sehen, wie wir die Party beenden sollten, die hier alle feierten.
Wir mussten in der Champions League weit kommen und im Anschluss unser Vermögen verkaufen. Die Zahlen waren grauenhaft, aber es war wichtig stillzuhalten, keine konkreten Daten zu veröffentlichen, um nicht leergeräumt zu werden.“
Diese und allerhand ähnliche Erklärungen klangen zwar schlüssig, den gegenwärtigen Stillstand konnten sie jedoch nicht erklären. Und ganz offensichtlich sollten sie das auch nicht.
So kam es, dass das Misstrauen gegenüber Casado besonders von Seiten der Fans kontinuierlich wuchs. Zunächst waren es einige wenige, die sich in erster Linie über Twitter Gehör verschafften.
Doch mit verlässlichen Informationen aus erster Hand, professionell anmutenden Recherchen und wasserdichten Schlussfolgerungen brachten sie Málagas Generaldirektor immer stärker ins Wanken.
Denn wie sich nach und nach herausstellte hatte Casado statt der finanziellen Genesung seines Arbeitgebers vor allen Dingen eines im Kopf: Provisionen.
Er machte sich die Generalvollmacht sowie das Desinteresse des in Katar weilenden Inhabers skrupellos zunutze, um in erster Linie persönlichen Interessen nachzugehen und sich für die Vermittlung verschiedenster Geschäfte fürstlich entlohnen zu lassen.
Er forcierte den erst im letzten Moment verhinderten Verkauf Málagas an eine chinesische Käufergruppe, obwohl er zu keiner Zeit einen Auftrag dazu erhalten hatte. Er verkaufte die Transferrechte der wertvollsten Spieler zu Dumpingpreisen an Investorenfonds, ohne dass es eine konkrete Notwendigkeit dazu gegeben hätte.
In Zeiten niedriger Zinsen verschaffte er dem Verein bei einer im Steuerparadies der Isle of Man angesiedelten Offshore-Gruppe ein Darlehen in Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro, versehen mit einem horrenden Zinssatz.
Die Krönung aber war der heimliche Verkauf von 49% der Vereinsanteile an die Hotelgruppe BlueBay im Februar 2013, ohne dass Scheich Al Thani jemals etwas davon mitbekam. Sein nach außen hin wertvoll erscheinendes Wirken ließ er sich außerdem immer besser bezahlen.
Höchstpersönlich hob er sein Grundgehalt von 120.000 Euro auf 350.000 Euro an, zudem sicherte er sich generöse Boni in Höhe von 500.000 und 850.000 Euro im Falle des Klassenerhalts und schützte sich mit einer vertraglich verankerten Abfindung in Höhe von 1,5 Millionen Euro für den Fall einer möglichen Entlassung.
Die Bilanz war eindeutig: Statt des Rettungskurses, den Casado jahrelang propagierte, bewegte er den Verein immer weiter auf den Abgrund zu, nahezu jede seiner Handlungen drohte nachhaltigen Schaden anzurichten.
Trotz allem schufen er selbst und die ihm wohlgesonnene Presse nach außen hin bis zuletzt das Bild des Retters, die inzwischen immer größer werdende Schar besorgter Anhänger hielt mit immer neuen schweren Vorwürfe dagegen.
Im November 2015, Málaga war in der Primera División auf den letzten Tabellenplatz gerutscht und von internen Grabenkämpfen geprägt, musste Casado von einem auf den anderen Tag seinen Hut nehmen. Die Zeit danach hat mehr als deutlich gezeigt: Seine großen Kritiker, die zunächst überschaubare Zahl kritischer Twitterer, waren im Recht.
All diese Verfehlungen, für die sich Casado noch vor Gericht wird verantworten müssen, führen allerdings unweigerlich zu Scheich Al Thani. Er muss sich fragen lassen, wie ein einziger Angestellter derartige Handlungen über insgesamt drei Jahre hinweg ungestört vollziehen konnte.
Wieso er, nicht zuletzt in seiner Funktion als Präsident, weder Verdacht schöpfte, noch überhaupt Interesse an der Aktualität des Klubs zeigte.
Und warum er den Aufsichtsrat, ein für exakt solche Fälle geschaffenes Kontrollorgan, lediglich mit seinen beiden Söhnen im Teenager-Alter besetzte, die nicht einmal eine Bilanz lesen konnten, geschweige denn der spanischen Sprache mächtig waren.
„Wenn der Verein die letzten drei Jahre überleben konnte, muss er unsterblich sein“, lautete der allgemeine Konsens im Hinblick auf die zahlreichen Enthüllungen der letzten Monate.
Die Einschätzung klingt logisch und doch steht der letzte Teil wohl nur deshalb nicht auf dem Prüfstand, weil Al Thani eines Tages scheinbar ein Erweckungserlebnis verspürte und damit begann, die Vorgänge im Verein auf Herz und Nieren prüfen zu lassen.
Lange musste er nicht suchen, um allerhand Unregelmäßigkeiten festzustellen, die Ende November 2015 letztlich zur Entlassung Casados führten und einen kompletten Austausch der bis heute provisorisch besetzten Führungsriege zur Folge hatten.
Noch am gleichen Tag erstattete der Scheich gegen die entsprechenden Personen Anzeige wegen verschiedener Delikte, unter anderem wegen Unterschlagung und Dokumentenfälschung.
Ziemlich genau ein halbes Jahr liegt zwischen den beiden großen Paukenschlägen des Scheichs: Der Entlassungswelle am 29. November 2015 und dem Rückkauf der Transferrechte von Ignacio Camacho am 19. Mai 2016.
Eine Reihe von Anwälten leitete in diesem Zeitraum die Geschicke des Klubs, jede Entscheidung erfolgte allerdings auf Geheiß des Scheichs, der auf ausgedehnte Vollmachten verzichtet und jeglichen bedeutenden Schritt persönlich absegnet.
Mit dieser Entwicklung schien zum ersten Mal seit Jahren Ruhe eingekehrt zu sein, sowohl was das öffentliche Auftreten angeht, als auch das Geschehen hinter den Kulissen.
Unterbrochen wurde diese Ruhe zuletzt ausgerechnet von Trainer Javi Gracia, der nach einem im März unterschriebenen neuen Dreijahresvertrag eigentlich als einer der Köpfe des neuen Kurses gelten sollte.
Doch ein attraktives Angebot aus Russland von Rubin Kazan und vorige Probleme bei den Vertragsverlängerungen seines Mitarbeiterstabs bewegten ihn vergangene Woche zu einem vorzeitigen Abgang aus Málaga.
Wieder einmal schien die entspannte Lage trügerisch, wieder einmal bestand die Gefahr aufkommender Unruhe. In Anbetracht dieser Drucksituation reagierte die Klubführung allerdings erfreulich souverän.
Mit Juande Ramos, der mit Sevilla 2006 und 2007 den UEFA-Cup gewonnen hatte, wurde schnell ein hoch dekorierter Nachfolger präsentiert, an den man in Málaga nach einer früheren ersten Etappe gute Erinnerungen hatte.
Im Rahmen seiner Vorstellung forderte er ambitioniertes Denken, versprach eine kontinuierliche Entwicklung und nahm in langfristiger Perspektive bereits die Rückkehr ins europäische Geschäft ins Visier.
Die Verpflichtung eines Trainers mit großem Renommee und ebenso hohen Ansprüchen ließ den Schluss zu, der Verein lasse sich selbst durch größere Einschnitte nicht von seinem positiven Weg abbringen.
Dazu passt, dass auch intern von einem ganz anderen Klima berichtet wird, pünktliche Gehaltszahlungen, die zuvor eine Ausnahme darstellten, sind inzwischen zur überfälligen Regel geworden.
Auch dank deutlich gestiegener TV-Einnahmen von bis zu 50 Millionen Euro ab der Saison 2016/2017 lässt sich bei aller neuen Bodenständigkeit wieder in etwas größeren Dimensionen denken.
Demzufolge scheint Málaga nach einer unvergleichlichen Achterbahnfahrt nun einen deutlich geradlinigeren Weg einzuschlagen. Immer wieder wird der jedoch von den verschiedenen Altlasten gestört, die sich im Tagesgeschäft regelmäßig in den Vordergrund drängen.
An erster Stelle steht hierbei die „Causa BlueBay“, der anstehende Rechtsstreit um die Aktienmehrheit des Vereins. Sollte die Hotelgruppe den Prozess gewinnen und tatsächlich zum Mehrheitseigner aufsteigen, droht ein erneuter Rückfall in alte Zeiten.
Schließlich eilt der Gruppe auch in ihrem eigentlichen Wirkungsbereich, der Hotelbranche, ein unseriöser Ruf voraus. Die gerichtliche Auseinandersetzung mit Scheich Al Thani ist bei weitem nicht die einzige, mit der sich BlueBay konfrontiert sieht.
Die Ausgangslage für den Prozess ist klar: Während die Kläger sich im Recht sehen und anhand tatsächlich unterschriebener Dokumente 49% der Vereinsanteile einfordern, argumentiert der Klub, dass die damals handelnden Personen nicht zum Verkauf berechtigt waren und der Abschluss des Geschäfts, so es ihn denn gegeben hat, keinen Bestand haben dürfe.
Im Hinblick auf langfristige Planungssicherheit hoffen die Verantwortlichen zwar auf ein schnelles Urteil, auch aufgrund drohender Revisionsverfahren ist jedoch davon auszugehen, dass das Thema Málaga noch für längere Zeit umtreiben wird.
Welchen Sinn die damalige Zusammenarbeit für den Verein gemacht haben soll, kann sich auch bis heute niemand erklären. Die Rahmenkonditionen damals sahen vor, dass BlueBay für den symbolischen Preis von einem Euro 49% der Vereinsanteile des Scheichs erhalten sollte.
Im Gegenzug wollte die Gruppe, die zuvor keinerlei Verbindung zum Profisport besaß, dem Verein durch „Beratungsleistungen und Know-how“ zur Seite stehen.
Bei der Umsetzung der Ratschläge sollten Zahlungen von insgesamt 30 Millionen Euro in einem Zeitraum von fünf Jahren behilflich sein – laut Abkommen durch Scheich Al Thani zu leisten, obwohl dieser bereits im Vorjahr seine finanzielle Unterstützung eingestellt hatte.
„Meiner Meinung nach beinhaltet der Vertrag keinerlei Risiken für BlueBay, bedeutet dafür aber eine klare Benachteiligung des Klubs. Die getroffene Abmachung ist vollkommen unverständlich, außer der Unterzeichner profitiert persönlich von der Zusammenarbeit“, erklärte Insolvenzverwalter Daniel Pastor, der dem Verein über 15 Jahre lang in beratender Funktion zur Seite gestanden hatte.
Pastor spielte auf mögliche Provisionen an, die der Unterzeichner, Vicente Casado, für das Abkommen erhalten haben könnte, welches er hinter dem Rücken des Scheichs abschloss.
Dass es für weitere vereinsschädigende Deals, wie den Verkauf von Spielerrechten deutlich unter Marktwert, ebenfalls direkte Zahlungen auf ein Konto Casados bei der Deutschen Bank gibt, ist bereits durch weitere Zeugenaussagen belegt.
Mit seiner Einschätzung gehört Daniel Pastor folglich zu den Zeugen, in die der Scheich im Kampf um seine Vereinsanteile die größten Hoffnungen setzt.
Wer sich von den vielen institutionellen Grabenkämpfen ablenken möchte, wird in letzter Zeit immerhin von den sich stetig bessernden sportlichen Zukunftsaussichten getröstet.
Denn nachdem die erfolgreiche letzte Generation an Eigengewächsen den Verein vor einem Jahr geschlossen verließ, haben sich deren Nachfolger bereits in Stellung gebracht: Im offensiven Mittelfeld gehörte der Venezolaner Juanpi Añor, den man als Teenager für die Jugendabteilung verpflichtete, zu den positiven Überraschungen der Rückrunde in der Primera División.
Mit feiner Technik, leichtfüßigen Auftritten und einem starken Abschluss erinnert er an Spieler, die man in Málaga zuvor nur zur Blütezeit der Al-Thani-Ära bestaunen durfte.
Mit dem 20-jährigen Mittelfeldspieler Pablo Fornals steht ein weiteres Eigengewächs in den Startlöchern, nach 27 Einsätzen in seiner ersten Profisaison wurde er bereits von Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque für einen Lehrgang in die A-Nationalmannschaft berufen.
Und auch für das kommende Jahr steht wieder eine Reihe junger Akteure bereit, die nicht nur in Málagas Unterbau zu den Leistungsträgern gehören, sondern auch in diversen spanischen Junioren-Auswahlen nachhaltigen Eindruck hinterließen.
Damit aber auch das Gleichgewicht zwischen Talent und Erfahrung stimmt, wäre der Verbleib von Ignacio Camacho eine der wichtigsten Meldungen des Sommers.
Denn auch wenn man den Rückkauf seiner Transferrechte feierlich verkündete, ist es beileibe keine Selbstverständlichkeit, ein weiteres Jahr auf die Dienste des international umworbenen 26-Jährigen zählen zu können.
„Ich fühle mich sehr wohl hier und würde gerne bleiben, aber ich kann auch nichts ausschließen. Doch wenn ich gehe, dann soll es für beide Seiten lukrativ sein“, äußerte sich Camacho wiederholt unentschlossen im Hinblick auf seine Zukunft.
Angebote für ihn wird es geben, davon ist auszugehen. Durch die vom Scheich verkündete Operation scheint nun zumindest auch gewährleistet, dass sie den Verein in finanzieller Hinsicht tatsächlich angemessen entschädigen.
Und auch wenn der Weggang eine sportliche Lücke reißen würde, so herrscht inzwischen die Zuversicht, den Verlust durch ein immer besser funktionierendes Kollektiv und stabile Strukturen auffangen zu können.
Folglich herrscht rund um den Verein zwar weiterhin keine uneingeschränkte Sorglosigkeit, doch zum ersten Mal geht Al Thani in seiner Rolle als Klubchef beispielhaft voran und gibt den Weg vor: Málagas Sonnenkönig präsentiert sich als Kopf des Vereins und vermittelt derzeit selbst in kritischen Situationen nicht den Eindruck, als würde das breite Grinsen so schnell wieder aus seinem Gesicht verschwinden.
[…] Quelle: https://cavanisfriseur.com/2016/06/02/das-laecheln-kehrt-zurueck/ […]