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Juventus und die Probleme in Europa

Teilweise kann man Juve gar nicht mal einen Vorwurf machen, der italienische Fußball unterscheidet sich fast schon grundsätzlich von dem, was in der Champions und Europa League gespielt wird. Das ist vom Taktischen her jahrelang hinterher!

Die Spielweise von Juventus funktioniert in der Serie A ausgezeichnet und seit dem Sieg gegen die Roma im Jänner gilt der erneute Meistertitel nur noch als Formsache.

Dabei spielen die Turiner eigentlich gar nichts Besonderes, in Italien reicht dies aber (aufgrund der höheren individuellen Qualität, die man in der Champions League allerdings nicht hat).

Da es dem Gegner zumeist an Ideen fehlt um das eher ausrechenbare Offensivspiel von Juventus zu unterbinden, gehen die Turiner regelmäßig in Führung und ziehen sich dann in ihrem fast perfekten 3-5-2 oft komplett zurück und überlassen dem Gegner das Spiel.

Dieser kann sich kaum durch das enge Zentrum durchkombinieren und weiß sich oft nur mit Flanken in den Strafraum zu helfen, was bei der kopfballstarken Innenverteidigung mit Barzagli, Bonucci und Chiellini aber eher sinnlos ist. In 35 Partien in der Liga spielte Juventus daher ganze 19 mal zu null.

Doch schon nach dem unumstrittenen und deutlichen Sieg über Rudi Garcias Roma erkannte die Trainerlegende Arrigo Sacchi die Probleme von Juventus und kritisierte die Mannschaft von Conte stark.

Trotz des Sieges zeigte sich Sacchi ratlos über Contes Strategie und gab sich verwundert, wie sehr man den Gästen aus Rom die Initiative überlassen hat. „Ich weiß sicher, dass alle großen Mannschaften der Vergangenheit (Real Madrid, Ajax, Liverpool, Milan, Barcelona oder Bayern), so eigentlich auch alle Gewinner der Champions League, nie dem Gegner die Initiative überlassen haben.


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In Europa wird Antonio nur gewinnen, wenn er nicht Initiative, Feld und Ball dem Gegner überlässt.“ Sacchi erkannte auch, dass man mit dieser Strategie vielleicht in Italien Erfolg hat, nicht aber in Europa: „Juventus hat nur das italienische Duell gewonnen, kennt man aber Contes Stolz und Ambitionen, weiß man, dass seine und Juves wahre Herausforderung in Europa liegt.“

Nun, 4 Monate nach dieser Kritik, schied Juventus in der Europa League gegen Benfica aus, auch wenn die Passivität der Italiener nur bedingt der Grund dazu war.

Jedoch ist dieses Ausscheiden meiner Meinung nach nicht festzumachen an „zu wenig Biss“, „einfach Pech“, „Llorente ist oarsch“ oder „Lichtsteiner kann nicht kicken“. Vielmehr sehe ich das Scheitern als symptomatisch für die derzeitigen Entwicklungen – oder eher den derzeitigen Stillstand – im italienischen Fußball.

Es zeigte sich: obwohl die Einzelspieler sehr gut sind und die Mannschaft ihr System fast schon perfekt beherrscht, hat man in Europa keinen Erfolg. Das sollte einem zu denken geben und zeigt, dass sich etwas ändern muss.

Und dabei meine ich jetzt gar nicht die Rahmenbedingungen, die bekannten Probleme mit den Schulden und veralteten Stadien. Natürlich müssen sich diese auch ändern, allerdings ist das nicht das einzige Problem.

Es ist ja auch ein Problem, das Juventus nicht so stark betrifft, hat man schließlich das modernste Stadion des Landes und als wahrscheinlich einzige Mannschaft einen Kader, der auch international top ist und wohl auch in einem Champions League-Viertelfinale gegenüber den anderen Mannschaften nicht wirklich abfällt.

Daher sehe ich das Problem vor allem sportlich/taktisch. Klar haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen in Italien geändert und auch bei Juventus fehlen wohl die ganz großen Stars, das heißt aber nicht, dass man sportlich keinen Erfolg mehr haben kann.

Dies zeigte sich in den letzten Jahren zum Beispiel bei Borussia Dortmund oder derzeit auch ganz deutlich bei Diego Simeones Atletico Madrid. Oder ist der Kader von Atletico Madrid etwa stärker als jener von Juventus?

Auch in Italien ist derzeit klar ersichtlich, wie viel man mit einem guten, funktionierenden taktischen Konzept erreichen kann, dazu muss man sich nur die Roma ansehen, die in der Serie A quasi eine erfrischende Ausnahme zu den gleich eingestellten, unkreativen 3-5-2 Teams, die allesamt mit der selben veralteten, defensiven Spielphilosophie agieren, darstellt.

Denn rein vom Kader her ist die Roma meiner Meinung nach kaum stärker als Inter, trotzdem haben die Römer heuer fast 30 Punkte mehr. Neben der Roma zeigen immerhin auch Napoli und Fiorentina sehr interessante Ansätze.

Mit dem Ausscheiden von Juventus gegen Benfica steht nun fest, dass die Portugiesen nächstes Jahr in der Uefa 5-Jahreswertung von Platz 4 starten werden und die Italiener somit überholt haben. Normalerweise drücke ich international immer den Italienern die Daumen, was Juventus in der Europa League betrifft habe ich mir dabei ehrlich gesagt sehr schwer getan.

Irgendwie hoffte ich auf ein (peinliches) Ausscheiden, damit man das große Ziel, das finale a casa, nicht erreicht. Damit sich vielleicht endlich etwas ändert. Damit man in Italien einsieht, dass man sich taktisch verändern und vor allem weiterentwickeln muss, um in Europa erfolgreich zu sein.

Hört man sich jedoch erstmal die Stimmen nach dem Spiel an, klingt das nicht so, als würde sich etwas tun. Antonio Conte sagte zum Beispiel folgendes gegenüber Sky Italia: „Benfica kommt weiter mit zwei Schüssen aufs Tor in zwei Spielen. Wir sind ausgeschieden mit erhobenem Haupt, Benfica hat das Finale nicht verdient“.

Leonardo Bonucci spricht sogar vom Beweis, dass im Fußball nicht immer der Bessere gewinnt. Juventus stellt sich also als die bessere Mannschaft hin, die unverdient ausgeschieden sei und kritisiert obendrein natürlich brav den Schiedsrichter. Eigenkritik ist Mangelware. Schade eigentlich.

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