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Legionärsbericht: Alexander Merkel

16 Jahre alt war er, als er zum AC Mailand wechselte. Nichtmal zwei Jahre später trainierte er mit Clarence Seedorf, Thiago Silva und Ronaldinho. Mit 19 stand er mit Andrea Pirlo und Zlatan Ibrahimovic auf dem Platz. Im 24. Lebensjahr landete er beim VfL Bochum. Und mit inzwischen 27 Jahren spielt er bei Heracles Almelo.

Der Karriereweg von Alexander Merkel ist absurd. Spätestens 2007 nach seinem Wechsel zum AC Mailand hatten ihn alle auf dem Zettel: Ein junger Zehner mit großen Qualitäten im Offensivbereich. Ein Kreativspieler, bei dem Fans forderten, ihn schnell für die deutsche Nationalmannschaft zu „reservieren“.

12 Jahre danach spielt Merkel sogar bei einem DFB-Trainer. Aber nicht bei Jogi Löw, sondern bei Ex-U20-Trainer Frank Wormuth in der Eredivisie. Unter Wormuth hatte er sein einziges U20-Spiel für die deutsche Nationalmannschaft absolviert. 2015 entschied er sich, für Kasachstan aufzulaufen. Dort bestritt er seitdem drei Spiele.
 

Merkel in neuer Rolle

Und wie macht sich Merkel bei Heracles Almelo? Der 1,79m große Mittelfeldspieler ist zum ersten Mal seit langem gesetzt und hatte das Glück, bisher von Verletzungen verschont zu bleiben. Witzigerweise ist Almelo bereits nach einer Spielzeit bereits die Mannschaft, für die Merkel in seiner Profikarriere die meisten Spiele absolviert hat: 35.

Merkels viele Vereinswechsel hatten ebenfalls einige Positions- und Rollenwechsel zufolge. In Italien sorgte er als weiträumiger Zehner mit schönem Kombinationsspiel, starken Dribblings und nachstoßenden Läufen in den Strafraum für Furore.

Angekommen beim VfL Bochum, agierte er dort erst auf dem rechten Flügel. Nachdem schnell klar wurde, dass der Kasache nun wirklich kein isolierter Tempodribbler (mehr) ist, schob man ihn ins zentrale Mittelfeld. Jedoch nicht auf die 10, sondern auf die Acht.

Wer Merkel nun bei Almelo spielen sieht, erkennt, dass diese Rolle seinem Fähigkeitenprofil am besten entspricht. Im 4-2-3-1 System spielt Merkel auf der Doppelsechs. Dort übernimmt er mit dem Ball den tiefen Part und lässt sich zwischen die Innenverteidiger fallen.

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Von dort organisiert und strukturiert er das Spiel der Niederländer. Dabei agiert Merkel deutlich unspektakulärer als zum Anfang seiner Karriere; dafür jedoch so effizient wie nie zuvor.

Eine seiner größten Qualitäten ist, dass er sich selten unter Druck befindet. Verantwortlich dafür ist sein intelligentes Bewegungsspiel.

Der Kasache bietet sich immer wieder als Rückpass- und Verlagerungsoption an. Merkel findet dabei konstant die richtige Position und den richtigen Abstand: Einerseits nicht zu nah am Mitspieler und somit nicht raumblockierend und andererseits nicht zu weit weg vom Mitspieler, sodass der Pass zu Merkel technisch simpel ist.

Seine Bewegungen erinnern ein wenig an Toni Kroos. Stets in tiefen Zonen präsent und mit großer Vorliebe nach links herauskippend. Merkel macht dies jedoch noch extremer und ist teilweise auf der Linksverteidiger-Position zu finden.
 

Die neue Rationalität

Von dort zirkuliert der Mittelfeldspieler unaufgeregt weiter: Häufig setzt er zu Flugbällen an, um das Spiel zu verlagern. Ansonsten setzt er seine Nebenmänner ein und erhält das Kombinationsspiel aufrecht.

Falls sich Lücken im Mittelfeldverbund auftun, erkennt und bespielt Merkel diese konstant. Sein technisches Können blitzt in den Flugbällen und einigen Ballannahmen immer wieder auf.

Die Dribblingfähigkeiten des Rechtsfußes kommen in seiner neuen Rolle hingegen kaum zur Geltung. Besitzt der Mittelfeldspieler Platz, nutzt er den Raum zum Andribbeln. Aktiv gegnerschlagend setzt Merkel seine Fähigkeiten jedoch nicht mehr ein.


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Stattdessen holzt der Kasache unter Druck stehend den Ball lang und unkontrolliert weg, anstatt zu dribbeln – für einen Ex-Zehner eigentlich ein Unding. Jedoch steht das ganze sinnbildlich für den neuen, rationaleren Merkel.

Da der Mittelfeldspieler in seiner Rolle defensiv mehr Pflichten besitzt, war spannend zu sehen, wie er sich dort verhält. Bei einem Spieler, der nicht für seine überragende Einstellung bekannt ist, war meine Vermutung: Gegen den Ball wird es bei Merkel mau aussehen.

 

Arbeit gegen den Ball

Und ich hatte – wie so oft – Unrecht: Er besitzt eine gute Raumkontrolle und kann so Angriffe unterbinden. Besonders seine starke Antizipation verhilft ihm zu einigen Ballgewinnen. Dabei besticht Merkel im Zweikampf sowie im Abfangen von Pässen.

Dafür ist es förderlich, dass der Kasache die ganze Zeit in Bewegung ist. Kleine Details an seiner Stellung ändert er, um sich in einer optimalen Position zu befinden.

Aufgrund seiner ordentlichen Orientierung trifft er im Anschluss an Balleroberungen meist die richtigen Entscheidungen.

Sein Problem: Merkels Zweikampfverhalten besitzt noch etwas Verbesserungsbedarf. Manchmal kommt er zu spät in den Zweikampf und begeht unnötige Fouls. Seine ausbaufähige Dynamik und die Neuartigkeit seiner Rolle werden das vermutlich verstärken.

Außerdem gelingt es ihm (noch) nicht, den Gegner im Zweikampf zu lenken. Merkel stellt den Gegenspieler frontal und kann so leicht ausgespielt werden. Dementsprechend befindet er sich zu oft in „Alles oder Nichts“ Aktionen: Gewinnt er den Ball, ist die Gefahr komplett bereinigt.

Kann er den Ball jedoch nicht gewinnen, bricht der Gegner frei durch und Merkel hat keine Chance, aufzuschließen.

 

Ungewohnte Schwächen

Ebenfalls negativ überrascht war ich von seiner Pressingresistenz. Selbst gegen das durchschnittliche Pressing der Eredivisie-Teams bekommt der Mittelfeldspieler kleine Probleme. Hauptgrund für diese Schwäche ist seine verbesserungswürdige Orientierung.

Die Schulterblick-Frequenz des Kasachen ist recht gering. Interessant ist dabei, dass er sich oftmals mehrere Sekunden vor der Ballempfängnis nicht umblickt. Nachdem Merkel dann den Ball kontrolliert hat, schaut er sich das erste Mal um.

Das ist dann aber zu spät, wenn der Gegenspieler die Fährte bereits aufgenommen hat. Dann kommt der Mittelfeldspieler in die Not, dribbeln zu müssen: Was er eigentlich kann.

Eigentlich, weil er in dieser Saison Schwächen zeigt. Die Ballführung befindet sich nicht auf dem üblichen Niveau. Vermutlich ist das aber normal, nachdem dies die erste Saison seit langem ist, in der Merkel konstant spielen darf und kann.

 

Die Erlösung?

Alexander Merkel scheint sich wohlzufühlen. In Almelo und in seiner neuen Rolle als tiefer Aufbauspieler. Mit Wormuth hat er einen Trainer, der auf ihn setzt. Mit Stephen Sama, Janis Blaswich und Lennart Czyborra hat er Mitspieler, die einigen in Deutschland noch ein Begriff sein könnten. Und von Verletzungen blieb Merkel bisher ebenfalls verschont.

Bei Heracles Almelo selbst läuft es ebenfalls gut: Mit dem siebten Tabellenplatz wurden die Erwartungen des letzten Sommers übertroffen.

Der Mittelfeldspieler hat großen Anteil daran. Er ist der Spieler mit den meisten Pässen und der höchsten Passquote bei Almelo. Mit jedem Spiel findet er sich besser in seine Rolle hinein.

Passend zu seinem rationalen Spielstil ist die Berichterstattung in der Öffentlichkeit ruhig wie nie. So kann er sich nicht nur auf dem Spielfeld dem Druck entziehen.

Die neue Ruhe des Alexander Merkel: Es scheint ihm zu liegen.



Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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