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Manquepierda – Zeugnisse einer verkorsten Saison

25 Punkte aus 38 Spielen lautete die ernüchternde Bilanz am Ende der Saison. 38 Spiele, in denen für das Team von Real Betis Balompié so ziemlich alles schief ging, was nur möglich war.

„Viva er Beti manque pierda“, für diesen Wahlspruch sind die Grün-Weißen schon seit längerem bekannt, übersetzt in etwa „es lebe Betis, auch wenn sie verlieren“.

Der Satz entspringt Zeiten, in denen Betis zwischenzeitlich sogar bis in die Drittklassigkeit hinab musste, und soll angeblich entstanden sein, nachdem man gerade das 0-4 gegen den ungeliebten Rot-Weißen Stadtrivalen kassiert hatte.

Doch auch danach stand er sinnbildlich dafür, dem Verein aus dem Süden der Stadt die Treue zu halten, auch wenn wieder einmal der große Rivale die Erfolge einfuhr. In der vergangenen Saison erscheint der Slogan erneut aktueller den je.

Nicht nur die schlimme Ligasaison, auch das Aus im Achtelfinale der Europa League schmerzte enorm. Nach einem 2-0-Hinspielsieg gegen den FC Sevilla schien die Wiedergutmachung für die verkorkste Saison schon in greifbarer Nähe.

Doch im Rückspiel wurde der Vorsprung verspielt und die Fans mussten zusehen, wie man nicht nur das Elfmeterschießen verlor, sondern der Stadtrivale, der als Tabellenneunter nur durch eine Verkettung seltsamer Umstände überhaupt am Turnier hatte teilnehmen dürfen, am Ende sogar den Titel holte.

Bezeichnend für die großartige Unterstützung, die dem Team auch in dieser schwierigen Saison vielfach zuteil wurde, ist eine Szene im Ligaspiel am folgenden Wochenende. Der 20-Jährige Canterano Nono, der im Stadtderby drei Tage zuvor den entscheidenden Strafstoß vergeben hatte, wurde aufgrund einer Verletzung früh eingewechselt und mit Sprechchören und Standing Ovations empfangen.



Der Empfang für Nono nach seinem verschossenen Elfmeter (ab 0:45)

Ebenso stellvertretend für die von Verein, Spielern wie Fans vertretene sportliche Einstellung, stehen die Ereignisse am letzten Spieltag in Pamplona. Als die noch im Abstiegskampf befindliche Mannschaft von CA Osasuna mit 1-0 in Führung geht, bricht eine Begrenzung des Fanblocks und Fans stürzen aufs Spielfeld.

Unter den ersten Helfern sind die Spieler von Betis. Das Bild von Alfred N’Diaye, der ein Kind aus dem Gefahrenbereich trug, machte schnell die Runde, aber auch andere Spieler waren sofort zur Stelle, bargen Verwundete und trugen sie zu ihren Vereinsärzten, die sie noch auf dem Feld behandelten.

Es sind solche Szenen, auf die man bei Betis stolz sein kann, nachdem man sportlich eigentlich so gut wie alles verpatzt hatte. Dass der letztjährige Tabellensiebte und Europa League-Teilnehmer plötzlich fast eine ganze Saison abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz verbringt, erscheint geradezu unvorstellbar.

Wie konnte es dazu kommen, dass ein Verein, dessen Kader trotz einiger Abgänge sicherlich nicht dem unteren Drittel der Tabelle zuzuordnen war, so abstürzte?


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Die Vorbereitung verlief eigentlich sehr gut, inklusive souveräner Qualifikation für die Europa League, doch einige Hoffnungsträger, wie Zweitliga-Neuzugang Cedrick oder Nosa Igiebor, konnten ihre Form aus dieser Zeit nicht halten.

Insbesondere Nosa, der zu Saisonbeginn wegen seiner Athletik und seiner Spielweise von der spanischen Presse schon mit Yaya Toure verglichen wurde, baute schnell ab und spielte den Rest der Saison kaum noch eine Rolle.

Der Start in die Ligasaison gestaltete sich nicht per se schlecht, doch neben Pech im Abschluss kamen auch einige Pannen in der Verteidigung dazu – die Pleiten waren die logische Folge. Nach dem noch äußerst ansehnlichen Heimsieg gegen Villarreal Ende September folgte jedoch eine äußerst unangenehme Serie.

15 Ligaspiele in Folge, über einen Zeitraum von mehr als 4 Monaten, blieb man ohne Sieg. Dies war sogar für den äußerst beliebten Trainer Pepe Mel zu viel, der aufgrund vergangener Erfolge zwar noch lange viel Rückendeckung durch Fans und Vorstand genoss, sich aber letztlich ankreiden lassen musste, dass sein Fußball mit dem veränderten Spielermaterial nicht mehr funktionierte.

Die Amtszeit seines Nachfolgers Juan Carlos Garrido, der von Beginn an einen sehr schweren Stand hatte, blieb nur ein kurzes Intermezzo.

Er schied gegen Bilbao aus dem Pokal aus und fügte letztlich nur fünf weitere Spiele zu der Sieglosserie in der Liga hinzu, in denen nur ein Punkt geholt wurde und es empfindliche Heimniederlagen gegen die direkten Konkurrenten Almeria und Osasuna einzustecken gab.

Erst der Argentinier Gabriel Humberto Calderón konnte das Team einigermaßen stabilisieren, wobei die große Aufholjagd ausblieb. Zu groß waren die Versäumnisse der Hinrunde und im vergangenen Sommer gewesen, die man in der Winterpause nur notdürftig korrigieren konnte.

 

Verlust der Leistungsträger

Schon früh im Sommer 2013 war klar, dass Betis einen seiner wichtigsten Spieler würde ersetzen müssen. Beñat Etxebarria wechselte zurück zu seinem Heimatverein Athletic Bilbao. Der Baske war das Herz der Mannschaft und als ordnende Hand im Mittelfeld eigentlich unverzichtbar. Seine starken Leistungen in der Saison 12/13 brachten ihm sogar einige Einsätze im wahrlich nicht schlecht besetzten zentralen Mittelfeld des spanischen Nationalteams ein.

Währenddessen plagte der zweite Topstar des Teams, Torjäger Rubén Castro, sich mit einer langwierigen Rückenverletzung herum und konnte erst ab Spieltag 14 wirklich ins Geschehen eingreifen. Ohne die beiden Helden der Vorsaison war zu erwarten, dass Betis nicht wieder sofort an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen können würde. Doch man hatte auch selbst im Sommer einiges verschlafen.

 

Personalengpässe in der Zentrale

Neben Beñat verlies auch sein Partner auf der Doppel-6, José Alberto Cañas, im Sommer den Verein und verstärkte auf der Insel die spanische Kolonie von Swansea City. Da zudem der Leihvertrag von Rubén Pérez auslief, war klar, dass auf dieser Position Handlungsbedarf bestand.

Erst verhältnismäßig spät konnte jedoch mithilfe der Beñat-Millionen ein hochkarätiger Zugang vermeldet werden: Xavi Torres kam für geschätzte 2,8 Millionen von Getafe. Auch wenn er Beñat erwartungsgemäß gerade im Spielaufbau nicht eins zu eins ersetzen konnte, zeigte er durchaus solide Leistungen, verletzte sich jedoch bald schwer und fiel mit einem Achillessehnenriss den Großteil der Saison aus.

Doch es gab ja noch einen weiteren Neuzugang in der Zentrale. Der Chilene Lorenzo Reyes kam direkt aus seiner heimischen Liga und war mit nicht einmal einer Million Euro Ablöse ein echtes Schnäppchen.

Seine kämpferischen als auch technischen Fähigkeiten konnte er auch in Spanien durchaus unter Beweis stellen, doch mangelte es ihm zuweilen an Spielintelligenz sowie an Timing im Zweikampf und so fiel er defensiv eher durch das verursachen unnötiger Freistöße sowie das beständige Sammeln von Karten auf.

Zusammen mit dem höchst engagierten bis teilweise übermotivierten Eigengewächs Nono bildete er über weite Strecken der Saison eine Doppel-6, die beständig am Rande des Platzverweises schwebte.

Und so tauchte plötzlich mit Javier Matilla ein Spieler auf, den niemand mehr wirklich auf der Rechnung hatte. In seinem ersten Jahr bei Betis kaum zum Zug gekommen und im Jahr darauf an den Zweitligisten Murcia verliehen, zeigte Matilla diese Saison, dass er angesichts der Personalengpässe durchaus nicht die schlechteste Alternative auf dieser Position darstellte.

 

Das ganz große Missverständnis

In dem Wissen, dass keiner der Akteure auf der 6 Beñat als primären Spielmacher ersetzen konnte, wurde mit Joan Verdú ein Spieler verpflichtet, der das Spiel aus einer offensiveren Position heraus aufziehen sollte.

Der Zehner führte lange Jahre Regie bei Espanyol Barcelona, einem Team, das immerhin regelmäßig Platzierungen im Mittelfeld der Primera División herausspielte. Doch warum er dort vier Jahre lang zu den gefeierten Helden gehörte, konnte er im Süden Spaniens zu keiner Zeit zeigen.

Keine kreativen Impulse, stattdessen Fehlpässe und vertändelte Konter; In einer Elf der größten Saison-Enttäuschungen hätte Verdú seinen Platz sicher gehabt, ironischerweise direkt neben seinem mehr oder weniger Vorgänger Beñat, der bei den erfolgreichen Basken nicht über die Reservistenrolle hinauskam.

Eine Rolle, für die sich letztendlich auch Verdú qualifizierte. Schon Juan Carlos Garrido hatte teilweise wieder eher auf Salva Sevilla gesetzt, Neu-Trainer Calderón schließlich gab Verdú genau vier Spiele Zeit, bevor er ihn auf die Tribüne verbannte, von wo aus sich der einstige Hoffnungsträger den Rest der Saison ansehen durfte.

 

Die Torhüterposition

Im Sommer 2013 stand Real Betis außerdem plötzlich ohne Torhüter da. Das erscheint etwas kurios, vor allem angesichts der Tatsache, dass man die Saison zuvor mit gleich drei Torhütern bestritten hatte, von denen sogar jeder zum Einsatz gekommen war.

Doch während Adrián zu West Ham United wollte, wurden Costa und Fabri anscheinend für nicht gut genug befunden und zu Zweitligisten ziehen gelassen, eine Ablösesumme erhielt man für keinen der Drei.

Statt diesen wurden zwei neue Keeper verpflichtet, die sich ein gleichberechtigtes Rennen um den Platz im Tor liefern und sich so gegenseitig zu Höchstleistungen anspornen sollten.

Doch der Argentinier Guillermo Sara und der Däne Stephan Andersen überboten sich allerhöchstens in schlechten Leistungen. Keiner konnte der ohnehin unsicheren Abwehr die nötige Sicherheit verleihen, mehrmals wurde auf dieser Position gewechselt.

Erst im Winter konnte man nachjustieren und in Antonio Adán eine klare Nummer Eins verpflichten, wohingegen Anderson nach nur einem halben Jahr schon wieder gehen musste.

 

Probleme im Spielaufbau

Durch die Verletzung von Damien Perquis lautete das Duo in der Innenverteidigung der Grün-Weißen über weite Strecken der Hinrunde Paulao und Amaya, zwei Spieler, die ihre Stärken durchaus in anderen Bereichen haben als dem der Spieleröffnung. Besonders die langen oder auch weniger langen Pässe von Antonio Amaya konnten den geneigten Zuseher zuweilen an den Rand der Verzweiflung treiben.

Folglich musste sich regelmäßig einer der beiden Sechser in die hinterste Linie zurückfallen lassen und das Aufbauspiel übernehmen. Gerade wenn nun aber zusätzlich Verdú mal wieder irgendwo untergetaucht war, führte dies zu einer geradezu sträflichen Unterbesetzung der Zentrale, wo man nie wirklich die Kontrolle gewinnen konnte.

In der Folge blieb dem zurückgefallenen Sechser häufig nicht mehr übrig, als den Ball doch wieder lang nach vorne zu schlagen, etwas gezielter zwar als zuvor Amaya, aber dennoch ähnlich erfolglos.

Erst Calderón konnte diesen Missstand in der Rückrunde einigermaßen eindämmen. Neben Salva für Verdú setzte dieser in der Innenverteidigung zunehmen auf Jordi Figueras. Jener reihte sich zwar defensiv häufig mehr als erfolgreich in das Pannen-Kabinett ein, konnte jedoch zumindest spielerisch zu einer deutlichen Verbesserung beitragen.

 

Das vergeudete Talent

Schon bevor Álvaro Vadillo Ende 2012 mit 17 Jahren sein Erstligadebut gab, galt er als größtes Talent in der Nachwuchsschmiede von Betis. Gegen Ende der Saison konnte sich der wendige Flügelspieler einen Stammplatz erspielen und an der Seite seiner torhungrigen Sturmpartner Castro und Molina mit seinen schnellen Dribblings glänzen.

Auch auf dem jungen Canterano lagen danach viele Hoffnungen für die kommende Saison, ein wenig zu viele vielleicht. Mit einem verletzten Castro, einem Molina im Sturmzentrum, der eher als klassischer Strafraumstürmer gilt, und kaum Unterstützung aus dem Mittelfeld, lastete die Hauptverantwortung für das Kreieren von Chancen plötzlich auf den Schultern eines Achtzehnjährigen.

Ein bischen zu viel für Vadillo, der zwar vieles versuchte, dabei aber auch immer wieder an seine Grenzen stieß und sich schon bald von der mäßigen Leistung seiner Teamkollegen anstecken lies.

 

Der Grobmotoriker mit dem Tunnelblick – ein Sinnbild für die Saison?

Es gibt Spieler, die sind schwer zu erklären. Ebenso schwer wäre es sicherlich auch, jemandem, der zum ersten Mal Juanfran Moreno auf dem Spielfeld sieht, klar zu machen, dass dies ein Erstligaspiel ist. Juanfrans Position ist die des Rechtsaußen.

Oder die des Rechtsverteidigers. Oder eigentlich macht das gar keinen Unterschied. Denn in jedem Fall wird man ihn 90 Minuten die Linie rauf und runter rennen sehen, meistens mit gesenktem Kopf, als wolle er seine Gegner wie einen mittelmäßigen Matador aufspießen.

Auch wenn er nicht die feinste Technik besitzt, seine Laufbereitschaft, mit der er auch in der Defensive jedem Ball nachsetzt, sowie sein immerwährender Einsatz sind beeindruckend. Hätte er dabei zuweilen auch noch den Kopf gehoben und den ein oder anderen klugen Pass gespielt hätte er längst Angebote von Topvereinen in der Tasche.

So bleibt er allerdings nur das Sinnbild einer Mannschaft, der es in einer niederschmetternden Saison dennoch selten an Einsatz gefehlt hat – nur hier und da ein wenig an Cleverness.

Thomas Moch
Seit 2014 bei Cavanis Friseur. Schreibt über den spanischen Fußball. Weil er Spanien mag. Und Fußball. Und erst recht spanischen Fußball.

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