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Mohamed Aboutrika – Ein Nationalheld wird 40

105 Länderspiele (38 Tore), 2008 BBC African Footballer of the Year, zwei Mal Afrikameister, fünf Mal CAF Champions-League Sieger, sieben Mal in Folge ägyptischer Meister. Diese Aufzählung von Titeln und Trophäen ließe sich noch ein gehöriges Stück weiterführen.

Es ist die Karriere-Bilanz von Mohamed Aboutrika. Ein Name, der hierzulande nur wenigen Fußballfans geläufig sein dürfte. Und das obwohl der Mittelfeldregisseur nicht nur einer der besten afrikanischen Fußballer aller Zeiten ist, sondern in Ägypten auch zur nationalen Ikone avanciert ist.

Zum 40. Geburtstag des Amir El Qolob (Prinz der Herzen) wollen wir dessen einzigartige Karriere würdigen, indem wir seine Geschichte von auf und neben dem Platz erzählen. Es ist die Geschichte eines Jungen, der im Schatten der Pyramiden aufwuchs und wiederholt die Spitze des afrikanischen Vereins- und Nationalmannschaftsfußballs erklomm. Sie handelt von entscheidenden wie fulminanten Toren, ägyptischen Dynastien und der innigen Liebe zu einem besonderen Klub.

Es ist aber ebenso die Geschichte von politischen Wirrungen, Terrorlisten und Fans, die in Aboutrikas Armen verbluteten.

Bescheidener Beginn

Aber eins nach dem Anderen. Mohamed Aboutrika kam 1978 im weltberühmten Gizeh, unweit der chaotischen Hauptstadt Kairo, zur Welt und brachte seine Tage in den staubigen und überfüllten Straßen mit dem Fußballspielen zu. Ausgebildet wurde er beim lokalen Zweitligisten Tersana SC, den er später einmal in die erste Liga schießen sollte.

Die starken Leistungen für seinen Heimatverein resultierten in einer angebotenen Gehaltserhöhung, die er zur allgemeinen Überraschung ablehnte. Ein Mitspieler habe genauso gut gespielt und verdiene ebenfalls verbesserte Konditionen. Entweder der Verein würde beide belohnen oder keiner sollte mehr erhalten.

Neben seiner Sportkarriere schloss Mohamed Salahs Mentor ein Philosophiestudium an der Universität Kairo ab. Sein politisches und soziales Engagement sollte ihn noch zu einer der populärsten Figuren Ägyptens machen. Aber dazu später mehr.

Inzwischen waren die Top-Klubs aus der Hauptstadt auf den technisch versierten Mittefeldspieler aufmerksam geworden. Mitte der Saison 2003/04 machte Al Ahly das Rennen um den 25-Jährigen und stach dabei den Stadtrivalen Zamalek aus. Wer hätte damals gedacht, dass die Hauptstädter soeben den größten Spieler ihrer stolzen Vereinsgeschichte verpflichtet hatten?

Der Neuzugang fügte sich bestens ein und entwickelte sich schnell zu einem der herausragenden Akteure. In seiner ersten vollen Saison mit Al Ahly 2004/05, führte er das Team nach fünf Jahren ohne Meistertitel zum Double aus Meisterschaft und CAF Champions League. Im Rückspiel des Champions League-Finals erzielte er das wichtige erste Tor beim 3:0 Sieg gegen Étoile Sportive du Sahel aus Tunesien.

Doch das sollte erst der Auftakt der erfolgreichsten Periode in Al Ahlys Historie sein. Angeführt vom „arabischen Zidane“ blieben die Kairoer 55 Spiele hintereinander ungeschlagen und wurden 2006 mühelos Meister.

Zusammen mit seinen kongenialen Mitspielern Mohamed Barakat und Emad Moteab (von Bleacher Report auf Platz 20 und 22 der besten afrikanischen Spieler aller Zeiten geführt) bildete er die beste Offensivreihe des Kontinents. Seine Statistiken aus diesem Zeitraum sind beeindruckend. Mit 18 Toren aus 21 Spielen wurde der offensive Mittelfeldspieler sogar Torschützenkönig.

Und auch international setzten die El Shayateen El Homr (Roten Teufel) ihre Dominanz fort. So konnte man 2006 den Champions League-Titel verteidigen. Wie so oft war Aboutrika der entscheidende Mann: Sein spektakuläres Volley-Tor in der Nachspielzeit des Rückspiels gegen den CS Sfax, brach die Herzen der sich bereits siegreich wähnenden Fans im tunesischen Nationalstadion.

Der bedeutendste Klub Afrikas hatte seine alles überstrahlende Gallionsfigur gefunden. Exquisite Ballbehandlung und eiskalte Präzision, hatten die Nummer 22 zum absoluten Publikumsliebling gemacht. Für nationale wie internationale Gegner war die Sadschda (Niederwerfung während des islam. Gebets), die Aboutrikas Toren oft folgte, zum gewohnt schmerzhaften Anblick geworden.

Die Entscheidung für seine eher ungewöhnliche Rückennummer hatte der tiefgläubige Moslem derweil in der heiligsten Stätte des Islam getroffen: “Mir wurde die 21 und die 22 angeboten. Bevor ich mich aber entschieden habe, bin ich nach Mekka gepilgert. Als ich auf dem Wanderweg zwischen dem as-Safā und al-Marwa-Berg das Tor 22 erblickte, durch das Prophet Mohammed geschritten war, traf ich die Entscheidung.”



Auch während der Klub WM 2006 in Japan wusste der schlaksige Ägypter zu überzeugen. Nach einem souveränen 2:0 gegen Auckland City (den Endstand erzielte Aboutrika per Freistoß) traf Al Ahly im Halbfinale auf Copa Libertadores-Sieger Internacional Porto Alegre. Obwohl man gegen das Team um Wunderknabe Alexandre Pato mit 1:2 unterlag, war Trika der beste Spieler auf dem Platz. Im siegreichen Spiel um Platz Drei gegen Club América überragte er erneut und schenkte Guillermo Ochoa zwei Traumtore ein (davon wieder eins per Freistoß). Nicht umsonst wählten die japanischen Medien ihn zum besten Spieler des Turniers.

Folgerichtig war „El Magico“ inzwischen fester Bestandteil der ägyptischen Nationalelf. Beim Afrika-Cup 2006 vor heimischer Kulisse spielte er eine Schlüsselrolle. So bereitete er Amr Zakis späten Siegtreffer im Halbfinale gegen den Senegal mit einer mustergültigen Flanke vor.

Im Endspiel trafen die Pharaonen im gigantischen Kairo International Stadium vor 74.000 Zuschauern auf Les Éléphants aus der Elfenbeinküste. Die Ivorer hatten ihre goldene Generation um die Touré-Brüder und Stürmerlegende Didier Drogba ins Rennen um die afrikanische Krone geschickt. Die Partie musste nach 120 umkämpften aber torlosen Minuten im Elfmeterschießen entschieden werden.

Nachdem Torhüter Essam El Hadary die Schüsse von Drogba und Bakari Koné entschärft hatte, lag es an Aboutrika das Finale zu entscheiden. Der Spielmacher vollführte einen langen Anlauf und platzierte den Ball unhaltbar in der linken Torecke. Das weite Rund versank in tosendem Jubel und wurde in ein rot-weiß-schwarzes Fahnenmeer getaucht.

Der Heimtriumph sollte der Beginn einer bis dahin ungekannten Hegemonie im afrikanischen Nationalmannschaftsfußball werden.

Denn zwei Jahre später verteidigten die Nordafrikaner ihren Titel in Accra gegen die „unbezähmbaren Löwen“ aus Kamerun. Die Westafrikaner wurden vom Deutschen Otto Pfister trainiert und vom wohl besten afrikanischen Fußballer überhaupt angeführt: Samuel Eto’o. Doch all das half nichts. Nach starker Vorarbeit von Bundesligaprofi Mohamed Zidan, schob Aboutrika den Ball am herausstürmenden Carlos Kameni ins lange Eck. Das Tor sollte das einzige der Partie bleiben. Trika hatte die Lions Indomptables gezähmt und einmal mehr ein internationales Finale entschieden.

Seine überzeugenden Leistungen im Jahr 2008 fanden weltweit Beachtung: So erhielt Aboutrika mehr als die Hälfte der Stimmen bei der Wahl zum „BBC African Footballer of the Year“. Damit stach er die, bei europäischen Top-Klubs spielenden Sturm-Asse, Adebayor, Drogba und Eto’o aus.

Internationale Aufmerksamkeit wurde ihm auch während des Konföderationen-Pokals 2009 in Südafrika zu Teil. Bei der unglücklichen 3:4 Niederlage gegen den späteren Champion Brasilien (laut FIFA eines der besten Spiele der Confed Cup Geschichte) war er der dominierende Spieler auf dem Feld und bereitete zwei Tore von Zidan vor. Drei Tage später assistierte er beim 1:0-Siegtreffer gegen den amtierenden Weltmeister Italien. Hochverdient wurde der „König der Pharaonen“ in die Top-Elf des Turniers gewählt. Und dass obwohl die Afrikameister schon in der Vorrunde die Segel streichen mussten.


Auf Vereinsebene eilte der größte Klub der arabischen Welt und sein bester Spieler weiter von einem Erfolg zum anderen. Zwischen 2005 und 2011 hieß der ägyptische Meister stets Al Ahly. Dazu kamen zwei Pokalsiege, vier Erfolge im nationalen Superpokal und ein weiterer Champions League Titel.

Am 1. Februar 2012 nahm der Meisterschaftslauf jedoch ein jähes Ende. Im Norden Ägyptens hatte sich eine der größten Tragödien der Fußballgeschichte ereignet und Al Ahly, seine mitgereisten Unterstützer und Aboutrika waren mittendrin.

Der „schwarze Tag des ägyptischen Fußballs“

In der Hafenstadt Port Said hatten die Hauptstädter gerade überraschend mit 3:1 gegen den verhassten Erzrivalen Al-Masry verloren. Was sich aber im Anschluss an die chaotische Partie ereignen sollte, erzeugt bis heute Gänsehaut.

Unmittelbar nach Schlusspfiff stürmten hunderte Al-Masry Fans das Spielfeld und attackierten Betreuer und Spieler des Gästeteams, die sich gerade noch rechtzeitig in die Umkleiden flüchten konnten. Ihre Anhänger auf den Tribünen hingegen, hatten weniger Glück.

Im ersten Moment mag das Geschehen wie eine ausufernde Siegesfeier gewirkt haben. Doch als sich die bis an die Zähne bewaffnete Menge (die Heimfans wurden vor Spielbeginn nicht auf Waffen kontrolliert) der Gästekurve zuwandte und die anwesenden Polizisten bereitwillig zur Seite traten, war klar, dass sich eine detailliert geplante Tötungsaktion in Gang setzte.

Schon Tage vor der Begegnung hatten die Al-Masry Ultras per Twitter gedroht: „Macht euer Testament, bevor ihr nach Port Said kommt.“

Nachdem die Angreifer einen Teil der Tribüne mittels Feuerwerkskörpern in Brand gesetzt hatten, zückten sie u.a. Knüppel, Messer, Macheten, Steine oder abgebrochene Glasflaschen. Das Abschalten des Flutlichts rundete die albtraumhafte Szenerie ab.

Im Schutz der Dunkelheit nahm das mörderische Treiben seinen Lauf. Die Fans aus Kairo wurden erstochen, erschlagen oder über den Tribünenrand geworfen. Die meisten Menschen aber fanden im Treppenhaus den Tod. Dort prallten die panischen Fans auf ein vorsätzlich verriegeltes Tor, worauf hin sie übereinander stürzten oder am Gitter zerquetscht wurden.

Die verletzt oder tot zurückgebliebenen Kairoer waren dem Mob aus Port Said schutzlos ausgeliefert. Einigen ritzte man „Port Said“ oder „UGE“ (Ultras Green Eagles) in die Stirn.




 

Eine Viertelstunde nach Beginn der Gewaltorgie ging das Flutlicht wieder an und die Angreifer verschwanden wie auf Befehl in die Dunkelheit. Warum genau der mordende Mob auf einmal abließ, ist bis heute unklar. „Sie hätten uns auch alle töten können“, stellte ein Augenzeuge konsterniert fest.

Die Al Ahly-Ultras, die knapp ein Jahr zuvor zusammen mit ihren Counterparts von Zamalek an der Speerspitze der Demonstrationen gegen das Mubarak-Regime gestanden hatten, waren in das Fadenkreuz der alten Eliten geraten. Der Oberste Militärrat, der die Staatsgeschäfte nach Mubaraks Rücktritt übernommen hatte, wollte mit den frenetischen Anhängern abrechnen.

Vieles spricht dafür, dass die Militärdiktatur die Al-Masry Fans instrumentalisierte umso die Opposition im Land einschüchtern und im Anschluss repressive Gesetze erlassen zu können.

Infolge der dramatischen Ereignisse wurde der ägyptische Fußballbetrieb für eine Spielzeit ausgesetzt und das riesige Land am Nil versank einmal mehr im Chaos.

Während des Gemetzels hatten es einige Al Ahly-Anhänger in die Umkleidekabinen geschafft. Dort versuchten die Mannschaftsärzte verzweifelt, die blutüberströmten Menschen am Leben zu halten.

Doch trotz aller Bemühungen, erlagen viele ihren schweren Verletzungen. Einer der Toten, ein 14-Jähriger, erlebte seine letzten Momente in den Armen Mohamed Aboutrikas. „Ich wollte dich schon immer treffen.“

Das Massaker von Port Said und sein Umgang mit der Tragödie, machten Aboutrika nun endgültig zur nationalen Ikone, zum Symbol des Widerstands.

Im Nachgang des Blutbads wohnte er zahlreichen Beisetzungen bei und stattete jeder Familie, der insgesamt 72 Opfer, einen Besuch ab. Zusammen mit seinen Mitspielern Barakat und Moteab trat er umgehend zurück.

Aus Pflichtgefühl gegenüber den Toten und dem Verein, revidierten die Starspieler ihre Entscheidung jedoch schnell. Immerhin gab es noch einen Wettbewerb zu gewinnen: die CAF Champions League.

Zweieinhalb Monate nach dem Blutvergießen fand sich Aboutrika in einer ungewohnten Rolle wieder. Im Rückspiel gegen Stade Malien aus Mali saß er nur auf der Bank. In der 42. Minute aber, wurde er beim Stand von 0:1 eingewechselt und drehte das Spiel eigenhändig mit einem lupenreinen Hattrick.

Während der Champions League-Saison zwischen März und November 2012 bestritt Al Ahly nur Spiele in diesem Wettbewerb, von denen die Heimpartien noch dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden.

Doch trotz dieser mehr als widrigen Umstände schafften es die „Roten Teufel“ ins Finale gegen Espérance Tunis. Das Hinspiel musste vor gerade einmal 20.000 Zuschauern im 220 Kilometer entfernten Alexandria ausgetragen werden. Demungeachtet schaffte es Al Ahly, die Tunesier zu bezwingen und den Anhängern, die wenige Monate zuvor die tiefsten menschlichen Abgründe erlebt hatten, Trost zu spenden.



Aufgrund der fehlenden Einnahmen aus dem Spielbetrieb geriet Afrikas erfolgreichster Klub in eine bedrohliche finanzielle Schieflage. Der inzwischen 34-jährige Aboutrika wurde deshalb 2013 für fünf Monate nach Abu Dhabi zum Baniyas SC ausgeliehen, wo er in Erinnerung an die Toten von Port Said mit der Rückennummer 72 auflief.

Auch hier war dem Offensiv-Allrounder internationaler Erfolg beschieden: Mit Toren im Halbfinale und Finale trug er maßgeblich zum Gewinn der Gulf Champions League bei.

Ein lukratives Vertragsangebot der Emiratis zur Weiterbeschäftigung lehnte der Routinier genauso ab, wie er in den Jahren zuvor zahlreiche attraktive Offerten aus Europa abgelehnt hatte. Stattdessen entschied er sich, zu seiner großen Liebe Al Ahly Kairo zurückzukehren. Den neuen Vertrag unterschrieb er auf einem leeren Blatt Papier und überließ es dem gebeutelten Klub, Konditionen und Vergütung festzulegen.

„Ich werde diesen Klub und diese Fans nicht verlassen, auch wenn mir Hunderte Millionen von Dollar geboten werden. Ich gehöre zu diesem Klub und ich werde ihm nicht den Rücken kehren oder zu einem andern Verein gehen, bis zu dem Tag an dem mich Al Ahly nicht mehr will.“

Im Visier des Regimes

Ein halbes Jahr später, sollte der Offensivallrounder als herausragender Spieler der ägyptischen Fußballgeschichte zurücktreten. Doch der ehemalige Philosophiestudent war immer mehr als nur ein begnadeter Fußballer. Beispielsweise feierte er ein Tor gegen den Sudan im Jahr 2008 mit einem „Sympathise with Gaza“-T-Shirt. Die Aktion, welche ihm eine Verwarnung der CAF einbrachte, machte ihn in Palästina zum umjubelten Helden.

Zudem war er Goodwill Ambassador des UN Entwicklungsprogramms.

Abseits des Rasens verkörperte der eloquente Aboutrika einen Sportler, der zu diversen und durchaus komplexen Themen wie Hunger, Blutspenden oder israelischer Besatzungs- bzw. Siedlungspolitik Stellung bezog.

Er nahm an Gebeten teil, die während der Revolution am Tahrir-Platz abgehalten wurden und trug so mit dazu bei, die Protestbewegung flächendeckend zu legitimieren. Infolgedessen avancierte er auch bei den Fans des großen Stadtrivalen Zamalek zum hoch respektierten Vorbild.

Das einst so erfolgreiche Nationalteam, das 2010 ohne den verletzten „El Magico“ zum dritten Mal in Folge Afrikameister wurde, zerbrach derweil unter dem Druck der innenpolitischen Spannungen. Genau wie vier Jahre zuvor, verpasste das Team die Qualifikation für die WM in Brasilien.

Während etwa Mohamed Zidan immer wieder seine Nähe zur Mubarak-Familie und dem Militär betonte, traten andere, allen voran Aboutrika, für die Revolution ein.


Am 2. Februar 2012, ein Tag nach dem Port-Said Massaker, führte Aboutrika einen Protestmarsch zum Innenministerium an.

In einem Land in dem Fußball und Politik oft eine toxische Mischung erzeugen, war es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die verehrte Ikone zum Ziel der, an ihrer Macht klammernden, politischen Elite werden würde.

Fünf Monate nach den Geschehnissen von Port Said, im Juni 2012, gewannen die Muslimbrüder die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Ägypten und stellten mit Mohammed Mursi den Präsidenten. Nachdem dieser ein Jahr später vom Militär abgesetzt und inhaftiert wurde, erklärte Aboutrika seine Unterstützung für die entmachtete Regierung.

Der neuen alten politischen Elite um Militärratschef und jetzigen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi, stieß diese Sympathiebekundung übel auf. Die Regierung durchleuchtete die Geschäftsaktivitäten Aboutrikas und unterstellte ihm, Anteile an einem Tourismusunternehmen zur Finanzierung vermeintlich terroristischer Aktivitäten verwendet zu haben. Als seine Vermögenswerte eingefroren wurden, antwortete er trotzig: „Ich werde das Land nicht verlassen und ich werde weiter auf seinen Fortschritt hinarbeiten.“

Dabei bekam er von vielen Seiten Unterstützung. Die Nationalspieler Salah und Elneny sprachen sich genauso für ihn aus, wie seine Teamkameraden bei Al Ahly. Der Hashtag #ISupportAbouTrika verbreitete sich in Windeseile über die sozialen Netzwerke.

Doch ungeachtet seiner immensen Popularität setzte ihn das al-Sisi Regime Anfang 2017 auf eine Terrorliste. Aboutrika sah sich veranlasst, das Land in Richtung Katar zu verlassen,
wo er inzwischen für beIN Sports als TV-Experte tätig ist. 2018 verlängerte die Militärdiktatur die Sanktionen gegen ihn um weitere fünf Jahre, was dazu führte, dass er der Beisetzung seines Vaters, aus Furcht vor einer Festnahme nicht beiwohnen konnte.

Trotz allem ist und bleibt der „Prinz der Herzen“ einer der beliebtesten Ägypter überhaupt und überstrahlt den Präsidenten um Längen. Kurz nachdem sich die Pharaonen für die WM in Russland qualifiziert hatten, machte sogar der Slogan „Aboutrika to the World Cup“ in den sozialen Netzwerken die Runde und wurde von Tausenden geteilt.

Es wäre aber wohl töricht, ein Porträt über den frommen und bescheidenen Ausnahmekönner abseits des Fußballfeldes enden zu lassen.

Als Al Ahly im November 2013 im CAF Champions League Finale auf die Orlando Pirates aus Südafrika traf, war bereits klar, dass Aboutrika seine Karriere nach der Saison beenden würde. Im Hinspiel in Johannesburg (1:1) zeigte er wie so oft seine Klasse als er einen Freistoß aus über 20 Metern unhaltbar im Tor versenkte.



Im Arab Contractors Stadium in Kairo, sollte in einem der letzten Spiele Trikas, schließlich die Entscheidung fallen. Dass der Nadi Al Qarn (Klub des Jahrhunderts) um seinen insgesamt achten Champions League Titel spielte, war zweitrangig an diesem klaren Winterabend in der Hauptstadt. Die Partie stand ganz im Zeichen von Aboutrikas Abschied. Die Ultras hissten vor Anpfiff ein riesiges stilisiertes Konterfei und die Menge sang seinen Namen bei jeder Ballberührung.

Als die Klubikone in der 54. Minute zum 1:0 traf, explodierte das Publikum vor Freude. Das 2:0 durch Ahmed Abdel-Zaher in der 78. Minute besiegelte den Gewinn der Trophäe.

Doch die Bilder, die von dem Abend in Erinnerung blieben, waren andere. In der Nachspielzeit verließ Aboutrika unter tosendem Applaus das Feld und bedankte sich per Verbeugung.

Nach Spielende eilte er direkt zu den Ultras Ahlawy, welche die Kurve in ein rotglühendes Meer aus Pyrotechnik verwandelt hatten. Nirgendwo sonst wurde er mehr verehrt, hatte er dem Klub und seinen fanatischen Anhängern doch stets die Treue gehalten und seine geliebte Heimat den Verlockungen aus Europa vorgezogen. Aber nicht nur das: Er hatte auch ihr unfassbares Leid geteilt und war dadurch zur landesweiten Symbolfigur geworden.

Die bedingungslose Liebe der Fans hatte Trika mit 199 Toren in insgesamt 404 Spielen für Tersana und Al Ahly beantwortet. Für fast zehn Jahre war Aboutrika, um es in den Worten von Fußballjournalist Gabriele Marcotti zu sagen: „Der beste Fußballer, der außerhalb Europas und Südamerikas sein Geld verdient.“

Letztendlich war es aber vor allem sein Engagement abseits des Rasens, das ihn bis Heute so beliebt macht. „Jeder Athlet hat eine humanitäre Rolle in der Gesellschaft. Er lebt nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.”

Amadeus Marzai
Fun Guy und leidenschaftlicher Streetballer. Seit er denken kann schlägt sein Herz für die Toronto Raptors. Im zweiten Leben Fußball-Fan, der eine Taktik nicht einmal dann erkennen könnte, wenn sein Leben davon abhinge. Für Cavanis Friseur reicht es trotzdem. Auch deshalb, weil Edinson Cavani neben Xabi Alonso sein All-Time Lieblingsspieler ist. Aufgrund seiner vielfältigen Interessen intern als „Random Amy“ verspottet. Einer von mehreren Weltmeister-Abiturienten im Team, der ausdruckstechnisch zu den brillantesten Friseuren gehört.

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