Nach der Entlassung von Trainer Rafa Benítez traf Real Madrids Präsident Florentino Pérez eine der populärsten Entscheidungen seiner zweiten Amtszeit und beförderte den früheren Weltstar Zinédine Zidane zum neuen Trainer bei den Königlichen.
Die Berufung des an der Seitenlinie unerfahrenen Franzosen ist nicht frei von Risiken, doch anders als sein Vorgänger kann er sich der Rückendeckung des gesamten Vereins sicher sein.
Bei seiner Feuertaufe als Trainer von Real Madrid war Zinédine Zidane zunächst gar nicht als solcher zu erkennen.
Als sich die Mannschaft am vorletzten Samstag vor dem Spiel gegen Deportivo La Coruña auf dem Rasen des Estadio Santiago Bernabéu aufwärmte, mischte sich der 43-Jährige einfach unter seine Spieler, als würde er sich eine halbe Stunde später wie einst das weiße Trikot mit der Nummer fünf überstreifen.
Mit Trainingsanzug und Fußballschuhen joggte er über den Rasen, vertrieb sich die Zeit mit dem Ball am Fuß und lieferte beim Torschusstraining die Vorlagen. Wenig später war dann der offizielle Teil der neuen Rolle dran.
Zizou verzog sich 20 Minuten vor Anpfiff in den Katakomben und kehrte eine Viertelstunde später nicht etwa im weißen Dress, sondern in feinem Zwirn und elegantem Schuhwerk in den Innenraum zurück.
Ebenso schnell wie der Klamottenwechsel an jenem Tag erfolgte auch der Jobwechsel vor rund zwei Wochen. Sonntags hatte er noch vor 700 Zuschauern als Trainer der zweiten Mannschaft an der Seitenlinie gestanden, einen Tag später erfolgte die Beförderung zum Hauptverantwortlichen für eines der größten Starensemble im Weltfußball.
Nach nur fünf Tagen sollte gegen Deportivo die Premiere folgen, diesmal mit 70.000 Zuschauern vor Ort und den gespannten Blicken von Millionen internationalen Beobachtern.
Frei von Druck ist ein Trainer bei Madrid selbstverständlich nie, doch die Stellung und das Vertrauen können sehr wohl drastisch variieren. Das musste bis Anfang Januar auch Rafa Benítez feststellen, der eigentlich von Anfang an keine wirkliche Chance hatte und entsprechend auch nicht in der Lage war, eine solche zu nutzen.
Schon bei seinem Amtsantritt im Sommer war die Kritik groß, die Mehrheit der Fans gab sich skeptisch und auch die Presse schoss sich von Beginn an auf den Neuen ein.
Gleich nach der Vorstellung wussten die Blätter zu berichten, dass Benítez von Präsident Pérez persönlich die Order erhalten habe, einige Kilo abzuspecken, um Spott über den Verein und sich selbst abzuwenden.
Als bereits nach wenigen Trainingstagen von einem Zerwürfnis mit Schlüsselspielern wie Cristiano Ronaldo oder Sergio Ramos berichtet wurde, war eigentlich schon klar, dass die Uhr unaufhaltsam gegen den 55-Jährigen tickte.
Bei Zidane lässt sich nun das genaue Gegenteil beobachten. Im Hinblick auf Fans, Presse und die eigenen Spieler. Obwohl er gerade einmal anderthalb Jahre Erfahrung als Cheftrainer sowie ein weiteres Jahr als Assistent vorweisen kann, lässt die allgemeine Stimmung auf einen Heilsbringer schließen.
Für Pérez ist eine solche Persönlichkeit genau das Richtige, lenkt sie doch von den vielen Patzern der jüngeren Vergangenheit ab, die auch ihn immer wieder in die Schusslinie beförderten.
Das bedeutet aber auch, dass die Lösung funktionieren muss und in erster Linie an Ergebnissen gemessen werden wird. „Ein nervöser Florentino spielt „’französisch Roulette’“, bringt es die Sportzeitung AS in dieser Hinsicht auf den Punkt.
Eine erste Runde ging zum Auftakt aber immerhin klar an den Präsidenten, der das gerade in offensiver Hinsicht überzeugende 5:0 gegen Deportivo La Coruña sichtlich genossen haben dürfte.
Mit stehenden Ovationen bejubelte die Anhängerschaft schon vor Anpfiff den neuen Übungsleiter, als, unterlegt von der Vereinshymne „Hala Madrid“, noch einmal dessen schönste Tore im weißen Dress mit der Nummer fünf auf die Anzeigetafeln geworfen wurden.
In Sachen Marketing passte es den Verantwortlichen gut in den Kram, dass genau die Zahl in dieser Spielzeit nicht vergeben ist, sodass man die neuen Trikots kurzerhand mit dem altbekannten Schriftzug versah, um nicht nur auf sportlicher Ebene vom Zidane-Effekt zu profitieren.
Auch Zidanes zweiter Auftritt am vergangenen Wochenende ließ sich als rundum gelungen beschreiben. Beim 5:1 gegen Abstiegskandidat Sporting Gijón agierte seine Mannschaft entfesselt wie lange nicht mehr und legte eine beeindruckende Spielfreude an den Tag.
Gerade in der Offensive gelang den Königlichen zunächst praktisch alles, sodass man sich nach dem 4:0 in der 18. Minute ernsthafte Sorgen um die Gäste aus Asturien machen musste.
Letztlich schaltete Madrid gleich mehrere Gänge zurück und hielt das Ergebnis damit im Rahmen, doch alleine die Anfangsviertelstunde hatte als Kampfansage an die Konkurrenz ihre Wirkung keinesfalls verfehlt, wie auch AS-Chefredakteur Alfredo Relaño befand.
„Es waren die gleichen Spieler, aber sie spielten auf eine andere Art und Weise. Fußballer auf hohem Niveau zu führen ist eine spezielle Kunst. Es besteht die Hoffnung, dass Zidane sie beherrscht“ – Alfredo Relaño
Gut zwei Wochen nach dem Trainerwechsel besteht in Madrid eigentlich Grund zu allgemeiner Heiterkeit, wären da nicht gleich zwei Vorfälle aus der vergangenen Woche, die die positive Stimmung abseits des Rasens empfindlich trübten.
Noch eher nebensächlich kommt die Personalie David Bettoni daher, der als Zidane-Vertrauter in den Trainerstab berufen wurde, wegen einer dafür fehlenden Lizenz aber offiziell nur als Zeug- wart geführt wird.
Nachdem Bettoni jedoch im ersten Ligaspiel auf der Bank saß und sogar Anweisungen an die Spieler weitergab, sah sich der spanische Verband zu Ermittlungen gezwungen.
Deutlich empfindlicher wurde Madrid jedoch von der einjährigen Transfersperre getroffen, die die FIFA Mitte letzter Woche wegen Unregelmäßigkeiten bei der Verpflichtung Minderjähriger verhängt hatte.
Auch wenn zunächst nicht der ganz große personelle Umbruch geplant war, die Aussichten, erst wieder im Sommer 2017 auf dem Transfermarkt aktiv werden zu können, entsprachen ebenfalls nicht gerade der Wunschvorstellung des Klubs.
Zidane selbst ist an der Lage nicht ganz unschuldig, schließlich gehören seine vier Söhne zum Kreis der vermeintlich irregulär verpflichteten Spieler, der die FIFA zu ihrer Strafe bewog.
Entsprechend irritiert äußerte er sich zwei Tage später zur Situation:
„Das ist absurd, weil ich schon die ganze Zeit mit meiner Familie und meinen Söhnen in Madrid lebe. Aber ich glaube, dass sich die Sache klären wird. Wir wissen was passiert ist und gehen davon aus, dass es sich in der kommenden Woche klären wird.“
Das letzte Wort mag in dieser Hinsicht zwar noch nicht gefallen sein, doch von einer derart schnellen Lösung ist ebenfalls nicht auszugehen, sodass das Thema die spanische Hauptstadt wohl noch einige Zeit beschäftigen dürfte.
In sportlicher Hinsicht hat man kurzfristig allerdings gute Chancen, die negativen Schlagzeilen in den Hintergrund zu drängen – dem Kalender sei dank. Bis zur ersten großen Bewährungsprobe, dem Champions-League-Achtelfinale beim AS Rom am 17. Februar, stehen Madrid noch eine Reihe lösbarer Aufgaben bevor.
Heimspiele gegen Espanyol Barcelona und Athletic Bilbao sowie Gastspiele bei Betis und in Granada fallen allesamt in die Kategorie „Pflichtaufgaben“ und bieten einen perfekten Rahmen, um die Auswirkungen erster Anpassungen an den Stil des neuen Trainers auszuloten.
Da es sich nun einmal um Real Madrid handelt, geht es in erster Linie darum, den in Teilen der Saison biederen Angriff zu beleben und möglichst nach dem schönen Spiel zu streben.
Doch gerade im Hinblick auf die entscheidenden Duelle gegen die nationale und internationale Konkurrenz steht Zidane wie auch seine Vorgänger vor der großen Herausforderung, seiner Elf einen gewissen Defensivgeist einzuimpfen.
Durch den fehlenden Zugang zu seinen Spielern schaffte es Benítez beispielsweise nicht, das BBC-Angriffstrio für eine konsequentere Arbeit gegen den Ball zu motivieren.
Genau das hat sich nun aber auch sein Nachfolger auf die Fahne geschrieben und macht dabei aus seinem Vorhaben keinen Hehl:
„Es darf nicht sein, dass einer, zwei oder sogar drei Spieler nicht verteidigen.“
Den markigen Worten ließ die Elf gegen Gijón auch erkennbare Taten folgen.
Im ersten Spiel fiel der Druck, den das Angriffstrio auf die ballführenden Gegenspieler ausübte, noch recht moderat aus, eine Woche darauf ließ sich in einigen Situationen bereits eine deutlich höhere Intensität erkennen, verbunden mit vermehrten Ballgewinnen in vielversprechenden Zonen.
„Die drei sind gut drauf und das ist keine Überraschung. Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Arbeit, nicht nur mit, sondern auch ohne Ball. Sie haben defensiv gut gearbeitet”, freute sich Zidane über erste Fortschritte in Sachen Opferbereitschaft seiner BBC-Riege.
Zwar verletzte sich Gareth Bale am Wochenende und wird vorerst ausfallen, spätestens für die ersten Schlüsselspiele gegen die Roma ist aber wieder mit dem Waliser im Vollbesitz seiner Kräfte zu rechnen.
Angesichts der Vorkommnisse der letzten Woche lässt sich zwar trotz der beiden Kantersiege zum Auftakt nicht von einem makellosen Start der Ära Zidane sprechen, doch seit der Beförderung des Weltfußballers von 1998 weht in Madrid ein spürbar anderer Wind.
Faktoren wie Optimismus und der Glaube in die eigenen Qualitäten haben im Umfeld vermehrt Einzug gehalten und dürfen als fundamental betrachtet werden, wenn sich die Königlichen vom Frühjahr an mit der europäischen Elite messen müssen.
So ist die Entscheidung für Zidane auf emotionaler Ebene ein guter Griff gewesen, diese Bewertung steht und fällt allerdings mit dem Einfluss, den er in Zukunft auf das sportliche Gelingen nehmen wird.
Im Vergleich zu Vorgänger Benítez scheint der Kredit ungleich größer und die Ideen wirken passender. Doch nur wenn es der Mannschaft gelingt, diese Basis in sportliche Erfolge umzuwandeln, kann sich Real Madrid ebenso am Trainer Zinédine Zidane erfreuen wie damals am eleganten Genie mit der Nummer fünf auf dem Rücken.