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Run the ball vs. Pass the ball: Super Bowl LIV Preview

Es ist wieder Super Bowl Woche und der Countdown läuft für das größte Sportereignis auf dem amerikanischen Kontinent. Am Sonntag stehen sich im Super Bowl LIV in Miami die San Francisco 49ers und die Kansas City Chiefs gegenüber.

Dieses Match-Up verspricht nicht nur ein spektakuläres Spiel, in dem sich die beiden besten Teams der diesjährigen NFL-Saison duellieren. Vielmehr repräsentiert es auch wie kaum ein zweites die Debatte über das erfolgreichere Offensivkonzept: run the ball or pass the ball?

 

Worum geht’s?

Im American Football bestehen mit dem Laufspiel und dem Passspiel zwei Möglichkeiten für die Offense, Raumgewinn zu erzielen.

Historisch gesehen war letzteres in der Anfangszeit des Sports sogar nicht erlaubt, erst 1906 wurden Vorwärtspässe zur Verminderung schwerer Verletzungen offiziell legalisiert. Dementsprechend wurde dem Laufspiel lange Zeit eine größere Bedeutung zugemessen.

Mittlerweile hat sich dies jedoch gedreht. Inspiriert von innovativen Ansätzen im College-Football sind die meisten offensiven Playbooks passlastig orientiert. Viele Teams suchen zudem junge Trainertalente a la Sean McVay (34, Los Angeles Rams), die möglichst spektakuläre Schemes und Play-Designs (Stichwort Air Raid Offense) implementieren sollen und dafür trotz weniger Erfahrung die Verantwortung für eine ganze Franchise übertragen bekommen.

Konträr dazu konnte man gleichwohl eine Renaissance des Run Game beobachten. Allen voran die Baltimore Ravens um den designierten MVP Lamar Jackson (23) begeisterten Fans wie Experten und stellten mit 3.296 Yards einen neuen Rekord für die meisten Rushing-Yards in einer Saison auf.


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Zudem kursiert seit jeher die Binsenweisheit, dass das Run Game in den Playoffs besonders erfolgsversprechend sei.

Eindrucksvoll nachgewiesen haben dies zunächst die Tennessee Titans, die bei ihren sensationellen Siegen in New England und Baltimore angeführt von „King“ Derrick Henry (nicht: Handy) für 418 Yards liefen (bei 77 Versuchen) und Quarterback Ryan Tannehill lediglich für 71 Yards (9 von 16 Completions) bzw. 83 Yards (8 von 15 Completions) warf.

Auf die Spitze getrieben haben dies jedoch die San Francisco 49ers im NFC Championship Game. Während deren Running Backs um Raheem Mostert satte 42 Mal den Ball für absurde 285 Yards trugen, kam Quarterback Jimmy Garoppolo auf nur 8 Passversuche (6 Completions für 69 Yards)!

Head Coach Kyle Shanahan fasste dies mit den Worten zusammen: „Wir wollten den Ball laufen, bis sie (die Green Bay Packers) uns stoppen – und sie haben uns nicht gestoppt“.

Diesem „Erfolgsrezept“ quasi widersprechend muss die Philosophie von Super Bowl Gegner Kansas City verstanden werden. Die Chiefs wissen das Quarterback-Jahrhunderttalent Patrick Mahomes (24) sowie Head Coach-Genie Andy Reid (61) in ihren Reihen und stellen die wohl explosivste Offense der jüngeren Vergangenheit.


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In den Playoff-Spielen gegen die Houston Texans und die Tennessee Titans gerieten sie jeweils früh in Rückstand und verzichteten von da an praktisch völlig auf das in den Playoffs vermeintlich so wichtige Laufspiel. Obwohl die gegnerische Defense wusste, was sie erwartet, konnten sie das Passspiel der Chiefs nicht stoppen.

Vorjahres-MVP Mahomes warf in beiden Spielen fehlerlos für 8 Touchdowns (!), ein Passer Rating von 127,5 (!!), brachte sein Team jeweils noch vor der Halbzeit in Führung (!!!) und führte es schließlich souverän in den Super Bowl.

In diesem Spiel kulminiert also ein Stück weit die Frage, welches Offensivkonzept denn tatsächlich die höhere Titelwahrscheinlichkeit verspricht.

 

Was spricht für das Laufspiel?

Auf den ersten Blick erscheint das Laufspiel im Vergleich zu passorientiertem Scheme unattraktiv und eindimensional. Gerade in den Playoffs liegen hierin aber genau die Vorteile, sofern das Run Game effektiv funktioniert.

Regelmäßig steht die eigene Offense wesentlich länger auf dem Feld, wenn sie das Laufspiel fokussiert. Dadurch erhält sie mehr Spielkontrolle und kann das Tempo der Partie bestimmen (Stichwort Clock Management).

Man entlastet die eigene Defense und erhöht zugleich die Belastung der gegnerischen Verteidiger, die mit zunehmender Spieldauer durch das physische Laufspiel schneller ermüden.


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Daneben ist die geringere Gefahr von Turnovern ein wichtiger Faktor. Im Zusammenspiel mit einer ausgeruhten Defense, die ihrerseits die Chance erhält, den Ball zu erobern, erhöht dies die Siegchance in den Playoffs erheblich.

Gern erwähnt wird schließlich der Wetterfaktor im Januar, der in manchen Staaten der USA oft eisige Temperaturen und Schnee mit sich bringt.

Freilich betreffen diese Extremverhältnisse eher wenige Spiele, weshalb diesem Argument eher keine allgemeine Gültigkeit beizumessen ist. Beim Super Bowl LIV im sonnigen Florida wird das Klima jedenfalls nicht zum Problem.

 

Was spricht für das Passspiel?

Das Passspiel strahlt dagegen bei jedem Spielzug die potenzielle Gefahr eines Big Plays aus.

Mit vier bis fünf als Passempfänger aufgestellten Receivern oder Tight Ends bestehen mehr Optionen für kreatives Play-Design, was auch die Arbeit der Verteidiger deutlich erschwert.

Gleichwohl gilt im Football die Floskel „offense wins games, defense wins championships“.


Super Bowl LIV Preview

Sich primär auf das Passspiel zu verlassen, ist insofern der risikoreichere Ansatz. Dennoch bietet diese Philosophie bei effizienter Ausführung ebenso den höheren Upside.

Häufig erzielen die aggressivsten und explosivsten Passkonzepte ligaweit die meisten Punkte und werden als High Scoring Offense bezeichnet. Auf diese Weise sind auch etwaige Schwächen der eigenen Defense in Teilen kompensierbar.

 

Was kann man von den 49ers im Super Bowl LIV erwarten?

Dank ihres äußerst variablen Laufspiels sowie der unheimlich dominanten Defense dürfte San Francisco als leichter Favorit ins NFL-Finale gehen. Ähnlich wie die jüngeren Patriots-Teams agieren sie mit mehreren talentierten Running Backs, auf die sie je nach Bedarf zurückgreifen können. Zudem haben sie mit ihrer Offensive Line und George Kittle äußerst gute Run Blocker sowie respektable Receiver.

Ziel der 49ers sollte sein, möglichst früh im Spiel in Führung zu gehen und sich dann auf die eigene Defense zu verlassen. Die ersten beiden Drives werden gescripted sein und womöglich vermehrt mit Play Action einige Pässe einbauen. Bei entsprechendem Erfolg wird Kyle Shanahan dann zum konservativeren Run Game Ansatz übergehen.


Nick Bosa 49ers
Nick Bosa und die San Francisco 49ers (Quelle: Instagram-Account von Nick Bosa).

Die größere Herausforderung wartet indessen auf Defensive Coordinator Robert Saleh. Patrick Mahomes hat ein Arsenal von Waffen zur Verfügung und ist jederzeit zu einem Score fähig.

Die Secondary der 49ers um Richard Sherman und Fred Warner ist talentiert genug, um das Passspiel der Chiefs durch enge Coverage zu erschweren – zumindest für einige Sekunden.

Entscheidend wird der Pass Rush um Rookie of the Year Nick Bosa sowie Ex-Chiefs Dee Ford sein. Ihnen muss es gelingen, Mahomes in der Pocket zu halten. Kann dieser „flüchten“ und wie in den beiden bisherigen Partien die Plays durch Scrambles verlängern, sind die Chiefs praktisch nicht zu verteidigen.

 

Was kann man von den Chiefs im Super Bowl LIV erwarten?

Das Credo der Chiefs lässt sich in zwei einfachen Sätzen festhalten: „Trust your Quarterback“ und „Stop the Run“. Mahomes ist der beste Quarterback der NFL und verfügt über die wohl schnellsten Receiver sowie den (zweit-?)besten Tight End der Liga. Diese Konstellation ermöglicht den Chiefs gegen nahezu jede Defense auch größere Rückstände binnen kurzer Zeit aufzuholen.

Trotz dessen wird man versuchen, es überhaupt nicht so weit kommen zu lassen. Insbesondere der Defense der Chiefs fällt das Verteidigen merklich leichter, wenn man selbst in Führung liegt. Sobald die Chiefs in Front liegend das Spiel diktieren können, wird es schwer für den Gegner.

Priorität auf defensiver Seite des Balles wird sein, das Run Game der Kalifornier zu bremsen. Statistisch stellen die Chiefs zwar eine eher schwächere Laufverteidigung, jedoch gelang ihnen schon gegen die Titans, den Einfluss von Derrick Henry zu minimieren.


Die Hoffnung der Chiefs ruht unter anderem auf Patrick Mahomes (Quelle: Instagram-Account von Patrick Mahomes).

Maßgeblich bei First Downs muss der Raumgewinn verhindert werden, sodass die 49ers genötigt werden, bei Second und Third Down zu werfen.

Ebenda liegt die Siegchance für Kansas City. Sind sie in der Lage, Jimmy Garoppolo in einen Shootout mit Pat Mahomes zu zwingen, würde einiges dafür sprechen, dass Andy Reid endlich seinen Super Bowl Ring bekäme.

 

Super Bowl 2020 Fazit

In Bezug auf die Debatte run the ball vs. pass the ball lässt sich keine eindeutige Antwort ableiten. Fest steht, dass der Trend zur passlastigen Offensive nicht abreißen wird.

Am Beispiel der Ravens wurde aber eindrucksvoll vorgeführt, wie man auch das Laufspiel auf moderne Weise nutzen kann, wenn man einen jungen Dual Threat Quarterback in seinen Reihen hat.

In den Playoffs liegt die erste Wahrheit in der Vermeidung eigener Turnovers. Dies kann durch ein lauforientiertes Scheme wahrscheinlicher sein, hängt vorrangig aber davon ab, in welcher Qualität die Skillpositions besetzt sind.

Eine herausragende Passing Offense wird irgendwann immer ihren Weg finden, zu scoren. Auf das Laufspiel trifft dies weniger zu.

Der Super Bowl wird aufgrund der gegenseitigen Stärken der 49ers und der Chiefs äußerst interessant zu beobachten sein.

Neben den hochtalentierten Spielern treffen auch zwei Top-Coaches aufeinander, die ein taktisches Schachspiel aufziehen können. Wenngleich beide bereits Super Bowl-Erfahrung gesammelt haben, dürfte hier ein leichtes Plus beim „altgedienten“ Andy Reid liegen.

Vor dem Hintergrund der letztjährigen Entwicklung wären gefühlt die Chiefs in diesem Jahr an der Reihe. Letztlich braucht es zu viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die 49ers Pat Mahomes komplett kaltstellen wollen. Der Boden für ein großes Spektakel ist bereitet.

Max Dettmer
Prosaisch irgendwo zwischen Ronaldo und Zidane, bei taktischem Faible wohl eher in der Premier League Saison 1995/1996 oder wie Dettmar Cramer sagen würde: „Der springende Punkt ist der Ball.“ Weiß Romantik zu schätzen, in der Kommerzialisierungsdebatte aber unpolitisch. Definiere „Konzepte“ als Idee einer Identität unter homogener Realisierung durch Trainer und Management. Verliebt in Jürgen Klopp. Weltmeister-Abiturient. Fockendorfer Falter. #itscominghome2022

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