Dass die Kommerzialisierung selbst vor der schönsten Nebensache der Welt keinen Halt gemacht hat, ist unlängst bekannt. Mit dem neuen TV-Deal der englischen Premier League dringt das Mutterland des Fußballs in eine neue Sphäre ein, die für die Bundesliga eine erhebliche Gefahr darstellen könnte – und auch wird.
Nicht wenige Anhänger und Experten kehren die Bedrohung der ehemaligen Besatzungsmacht unter den Teppich. Der rationale Blick auf die Ergebnisse und das Abschneiden auf dem internationalen Parkett sollen für Beruhigung sorgen. Aber gerade die Anspielung auf die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges ist nicht von der Hand zu weisen, denn die 44 Teams des englischen Profitums bedienen sich mit Vorliebe an den Kickern der deutschen Beletage.
Zugegeben, die Platzierungen der Nationalmannschaft oder der Vertreter in der Champions- und Europa League lassen die Herzen der frenetischen Briten nicht höher schlagen. Dafür gilt die hauseigene Liga immer noch als beste weltweit, sodass nicht nur die absurden Ablösesummen und horrenden Gehälter bei Verhandlungen mit abgebenden Vereinen sowie wechselwilligen Spielern Determinanten in der Gesamtrechnung sind.
Money, Money, Money
Bezogen auf die eingangs angerissene Problematik, welche Faktoren sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Entwicklung der europäischen Ligen durch den neuen TV-Deal der Premier League mittelfristig zu einem Vabanquespiel werden?
Die Infografik des Manager Magazin online illustriert den äußerst gravierenden Unterschied der Haupteinnahmequelle der Vereine. Während die Teams aus dem Vereinigten Königreich ab der Saison 2016/17 rund 2,3 Milliarden Euro aus den Erlösen der eigenen Fernseh-Vermarktung erhalten werden, haben die Bundesligisten lachhafte 0,63 Milliarden Euro zur Verfügung.
Hier könnten Kritiker ebenfalls wieder mahnend den Finger heben und bemängeln: Geld schießt keine Tore, siehe Erfolge außerhalb der Landesgrenzen. In Ordnung. Jedoch nimmt die Qualität weiter zu, und mittlerweile haben auch die ganz Großen im Business verstanden, dass Fußball irgendwo ein kurzlebiges Geschäft ist. Dementsprechend wird nicht nur in Beine investiert, aber der Reihe nach.
Wettbewerbsvorteil bereits vorhanden
In Deutschland verhindert die sogenannte „50+1-Regel“, dass ein Geldgeber einen Verein vollständig übernehmen kann. Die Kontrolle obliegt im Normalfall der internen Führung. Diese Besonderheit ist in dieser Form eine echte Rarität, weil anderswo, die europäischen Topligen inbegriffen, dieser „Schutz der Klubs“ nicht existiert. Fußballvereine sind salopp gesagt „nur“ Firmen. So auch in England.
Investoren kaufen die Teams oft für wahnwitzige Summen. Der russische Oligarch Roman Abramowitsch hat 2003 den bereits erwähnten FC Chelsea übernommen. Seine Ausgaben werden aktuell auf 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Immerhin etabliert er seit geraumer Zeit ein „Ich-kaufe-junge-Spieler-und-verleihe-diese-sofort-wieder“-System, dass in den kommenden Runden gehörigen Profit bringen dürfte.
Durch die hohe Attraktivität der Premier League und der möglichen Gehälter wechseln jährlich die besten Ausländer nach England. Alleine das sorgt schon für einen gewaltigen Vorteil. Die geschäftsführenden Manager haben aber aus den Fehlern (Geld schießt keine Tore) gelernt und revolutionieren allmählichen den Unterbau der Fußballgesellschaften.
Talent und Konzept
Arsenal London oder Manchester City sind Aushängeschilder, die mitunter mit elf Legionären auflaufen, weil es der eigene Nachwuchs nicht hergibt. City hat adäquat reagiert und für 250 Millionen Dollar das modernste Nachwuchsleistungszentrum Europas gebaut. Ein Betrag, den in Deutschland nur der FC Bayern stemmen könnte.
Der Nachwuchs wird bestmöglich gefördert. Eigentlich eine Attitüde, der Dekaden für Spanien, Italien oder die Bundesliga gesprochen hat, denn Jugendarbeit wurde auf der Insel belächelt.
Kleinere Klubs wie Augsburg oder das wiedererstarkte Borussia Mönchengladbach spielen finanziell auf einer ganz anderen Bühne und bauen daher auf die eigenen Junioren. Durch raffinierte Trainer und gutes Scouting wurden nicht nur Nischen (Märkte wie Japan) entdeckt, sondern auch Konzeptfußball entwickelt. Durchschnittliche Kicker agieren nach einem Plan, der ihr Potenzial optimal fordert, und das schlägt im direkten Vergleich sogar eine unfassbare Ansammlung an Talent.
Außer Arsenal, das seit Jahren mit Arsene Wenger einen Konzepttrainer besitzt, verfolg(t)en nur wenige Teammanager einen langfristigen Plan, der ebenso erfolgreich ist. Die Blaupause des modernen Rasenballsports findet aber mittlerweile in England Anerkennung. Jürgen Klopp ist aktuell das beste Beispiele. Er hat mit dem FC Liverpool einen schlafenden Riesen geweckt, weil seine Spieler die kloppische Spielidee am Verinnerlichen sind.
Geld + Plan = Erfolg
Die Jugend wird ihre Zeit brauchen, das ist ein Investment für die Zukunft. Wenn aber nach und nach die richtigen, kompetenten Menschen die Zügel in die Hand bekommen und entsprechende Akquisitionen getätigt werden, wird die Leistungsdichte im englischen Fußball explodieren.
Konzepttrainer sind dann nämlich in der Lage, die entscheidenden Puzzleteile zu verpflichten, weil hinter jeder Ecke in der Geschäftsstelle ein Geldkoffer bereitsteht, der nur darauf wartet, ausgegeben zu werden. Insbesondere die Bundesliga muss sich warm anziehen. Beraubt man dem Weltmeisterland seiner Stärken, könnten gerade die Traditions- sowie mittelständigen Klubs auf der Strecke bleiben.
Finanziell ist die Premier League bereits die Nummer eins. Wird der eingeschlagene Weg zum Massenphänomen, ist der Siegeszug nur eine Frage der Zeit.
P.S.: Ihr wundert euch, dass in diesem Kommentar / Essay die Gegenseite nicht beleuchtet wird? Zurecht! Dieser Text ist ursprünglich eine Projektarbeit für die Universität gewesen, indem bewusst nur “pro England” argumentiert wird. Das Endergebnis möchten wir euch aber nicht vorenthalten.