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Wie die 6. englische Liga durch Corona lahmgelegt wird

Der weltweite Fußball hat sich durch die Coronapandemie stark verändert. Längst sind wöchentliche Coronatests, Vehaltensregelungen und Geisterspiele zur Normalität geworden. Regelmäßig müssen Spiele wegen positiver Coronafälle abgesagt werden, ganze Ligen stehen dadurch teilweise still.

Die Solidarität, die viele in dieser komplizierten Zeit einfordern, stellt sich im Fußball noch utopischer dar, als sie es ohnehin tut.


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Die vergessene Spielklasse

Die Saison der National League North und South wurden am vergangenen Sonntag nach langen Streitereien annulliert. Die beiden Ligen bilden die sechste Ebene im englischen Ligen-System und sind regional aufgeteilt.

Während die fünftklassige National League noch hauptsächlich aus Profivereinen besteht, befinden sich in der National League North und South größtenteils halbprofessionelle oder Amateurvereine.

Die Unterschiede in den einzelnen Ligen sind enorm. In der National League spielen teilweise große Traditionsvereine mit Stadien für mehr als 10.000 Zuschauer, wie Notts County, Wrexham oder Stockport County, während gleichzeitig bessere Amateurvereine wie Wealdstone oder Dover Athletic um den Klassenerhalt kämpfen.

Auch in der sechstklassigen Ebene finden sich diese Unterschiede. Ambitionierte und große Vereine wie York City oder Hereford treffen auf Dorfvereine wie Blyth Spartans oder Farsley Celtic.

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Im Gegensatz zur Premier League und anderen höherklassigen Ligen hat die National League keine regelmäßigen flächendeckenden Coronatests durchgeführt. Ganz im Gegenteil, die Vereine, die ihre Einkünfte nahezu ausschließlich aus den ausbleibenden Zuschauereinnahmen beziehen, können keine regelmäßigen Tests bezahlen.

Ein geregelter Spielbetrieb konnte – besonders durch die stärkere Ausbreitung der britischen Virusmutation – in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr durchgeführt werden. Teams mussten nach positiven Coronatests am laufenden Band Spiele absagen, wodurch die Spieltage und auch die Tabelle zu einem großen Flickenteppich wurden.

 

Finanzielle Hilfe für die National League

Im Oktober erhielt die National League von der britischen Regierung eine finanzielle Hilfe von über 10 Millionen Pfund, damit die Vereine ohne Einnahmen überleben konnten und die Saison unter Ausschluss der Öffentlichkeit zumindest bis zum Jahreswechsel spielen konnten. Diese finanzielle Unterstützung wurde den Vereinen zugesichert, sollten Spiele mit Zuschauern nicht durchführbar sein.

Die Verteilung der Gelder an die 67 Vereine wurde jedoch heftig kritisiert, da zwar der Zuschauerdurchschnitt der einzelnen Vereinen berücksichtigt werden sollte, dieser aber bei der letztendlichen Verteilung nicht sichtbar wurde.

Vereine wie Boreham Wood oder King‘s Lynn, die in der National League spielen, erhielten mehr als doppelt so viel wie Vereine der National League North und South, obwohl diese nur einen Bruchteil des Zuschauerschnitts von Vereinen wie York City oder Maidstone United aufweisen können.

Für die einen Vereine bedeuten die Zahlung einen unerwarteten Geldsegen, während andere Vereine trotz der finanziellen Unterstützung weiter um ihr Überleben kämpfen müssen. Mit dem Jahreswechsel waren die Vereine wieder auf sich alleine gestellt, da die finanzielle Unterstützung nur bis Dezember zugesichert wurde.

Die Hoffnung, dass mittlerweile wieder Zuschauer die leeren Kassen füllen könnten, hat sich derweil schnell als Irrglaube entpuppt. Stattdessen wird es immer wahrscheinlicher, dass man die gesamte Saison 2020/2021 ohne Zuschauer wird spielen müssen.


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Weitere Hilfe bleibt aus

Eine weitere direkte finanzielle Unterstützung schloss die britische Regierung aus und verwies auf ein Rettungspaket für den gesamten Zuschauersport. Vereine der National League würden jedoch gegen die Regeln der Liga verstoßen, wenn sie diese Leihen in Anspruch nehmen würden.

Im Laufe des Februars veröffentlichten mehrere National League-Vereine Statements, in denen sie das Missmanagement der Liga anprangerten und ankündigten, dass sie ohne finanzielle Unterstützung nicht mehr weiterspielen könnten.

Die National League beharrt auf ihren Standpunkt, dass ihnen in Gesprächen mit der Regierung zugesichert wurde, die Kosten für die Durchführung der gesamten Saison zu übernehmen. Die Regierung bestreitet dies.

Terry Casey, Anteilseigner bei Maidstone United, nannte die Führung der Liga im Gespräch mit The Athletic „amateurhaft“. „Wenn mir jemand sagen würde, dass sie mir 11 Millionen Pfund im Januar geben würden, würde ich eine schriftliche Bestätigung fordern.“

Mitte Januar wurden die National League North und South für zwei Wochen unterbrochen, um die Streitfrage zu klären, während die National League weiterspielte – ohne Erfolg.

Billericay Town, die in der Vergangenheit durch sehr spendable Besitzer und den ein oder anderen ehemaligen Premier League-Spieler im Kader auffielen, sah sich gezwungen, seine Spieler in das Teilzeit-Programm des Staates zu schicken und die restlichen Spiele mit U23 und Amateurspielern zu absolvieren.

Den Vereinen wurden vier verschiedene Szenarien vorgelegt, wie die Saison beendet werden könnte. Das sonst übliche Abstimmungssystem wurde ausgesetzt, damit jede Spielklasse über die eigene Saison abstimmen konnte.

Während die National League am Donnerstag, wenig überraschend, mit 16 zu sieben Stimmen für eine Fortsetzung der Saison stimmte, sah die Situation in den unteren Ligen anders aus.

In der National League North und South (insgesamt 24 zu 19 Stimmen) stimmte die Mehrheit der Vereine für einen Abbruch und Annullierung der Saison. Wie mit Auf- und Absteigern zwischen den Ligen umgegangen werden soll, steht zwar noch nicht fest, dass es aber überhaupt solche geben wird scheint unwahrscheinlich.


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Regionalisierung als Chance

Für Paul Doswell, Trainer von National League South-Klub Havant & Waterlooville, wäre eine weitere Regionalisierung der sechsten Spielklasse eine Lösung, um Kosten zu sparen und finanziell zu gesunden. Mehr Derbys würden mehr Zuschauer anlocken und die Reisekosten zu Auswärtsspielen reduzieren.

„Warum ca. 6.000 Pfund für eine Fahrt an einem Dienstagabend nach Halifax ausgeben? Das würde es in der momentanen Situation kosten. […] Ich hoffe, dass die Leute in der Verantwortung vorausschauen und die Dinge ändern, denn die Vereine werden zu kämpfen haben.“

Damit nicht mehr Vereine dem Beispiel von Macclesfield Town folgen, die sich im Laufe der Saison nach anhaltenden finanziellen Problemen unter der Leitung von dubiosen Besitzern auflösen mussten, muss sich etwas ändern.

(Titelbild: @Imago Images)

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Johannes Robertz
Kreisliga C-Legende. Fußballbegeistert in jeglicher Hinsicht, besonders der englische Fußball hat es ihm angetan. Ist irgendwann in seinem Leben Wolves-Fan geworden. Warum, weiß keiner.

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