Das Schicksal geht oft seltsame Wege, doch besonders im Sport blickt man auf kuriose Gegebenheiten. Die Geschichte von Son Heung-min bietet Stoff für einen Film, eine Netflix-Reihe oder zumindest für ein Portrait. Dennoch ist es nicht ganz einfach, die Bedeutung Sons für Südkorea greifbar zu machen. Denn Son ist mehr als nur ein Fußballer. Er ist Botschafter, Werbeträger und Aushängeschild für die südkoreanische Heimat.
Nebenbei ist Heung-Min Son, wie sein Name im europäischen Sprachraum eher bekannt ist, der beste Fußballer Südkoreas seit Bum-Kun Cha (Cha Bum-kun). Er mag zwar nicht der erfolgreichste sein, denn Ji-Sung Park (Park Ji-sung) ging in den frühen 2000ern mit Manchester United auf Titeljagd, doch Son ist der talentierteste und populärste. Nur Wenige zweifeln daran, dass er am Ende der Karriere der größte koreanische Fußballer sein wird. Bereits heute ist er Star und Stammspieler einer starken Mannschaft aus Tottenham, die es geschafft hat in die Phalanx der „Big Four“ einzubrechen. Sein Weg dort hin war einzigartig.
Schöne neue Welt
Als im Herbst 2008 eine Kooperation zwischen dem Hamburger SV und dem koreanischen Verband KFA vereinbart wurde, beinhaltete dies auch ein Austauschprogramm für Jugendspieler. Einer davon war der 16-jährige Son Heung-min von der Dongbuk High School, die damals als U18 des FC Seoul funktionierte. Er nahm gemeinsam mit seinen koreanischen Kollegen Sprachunterricht und ging zur Schule – unter anderem gemeinsam mit Shkodran Mustafi, der damals ebenfalls in der Jugend des Hamburger Sportvereins war. Son fühlte sich von Anfang an wohl, intergrierte sich gesellschaftlich als auch sportlich und empfahl sich für höhere Aufgaben.
Sein Bundesliga-Debüt gab bei der 3:2 Auswärtsniederlage im Oktober 2010 gegen den 1.FC Köln. Er stand in der Startelf, spielte 90 Minuten durch und konnte mit dem zwischenzeitlichen 1:2 seinen ersten Bundesliga-Treffer erzielen. Wenig später verlängerte er seinen Vertrag vorzeitig bis zum Jahr 2014.
Doch so lange blieb „Sonny“ nicht in der Hansestadt. Bayer Leverkusen lockte mit der Champions League, einer höheren Gehaltsphäre und größeren Aufgaben. Während in Hamburg vergeblich auf eine Verlängerung des Vertrags gehofft wurde, wechselte Son im Sommer 2013 für 10 Millionen Euro nach Leverkusen. Auch in seiner Heimat blieb der sportliche Aufstieg nicht unentdeckt. Seiner steilen Entwicklung und seinem Durchbruch in der Bundesliga, brachte ihm 2013 den Titel Fußballer des Jahres in Südkorea.
Durchbruch in England
Neben den Fans interessierten sich besonders Presse und Sponsoren für ihren Youngstar. Das hatte dem HSV bereits einige Kooperationen mit südkoreanischen Firmen eingebracht und von Sons Popularität profitierte ebenfalls Bayer Leverkusen. Denn im selben Sommer verkündete man mit „LG“ (ein südkoreanischer Elektronikhersteller) den neuen Hauptsponsoren. Son stand in seiner Heimat als Hoffnungsträger deutlich im medialen Fokus. Bei Bayer spielte er in der Königsklasse, erreichte das Pokalfinale und entwickelte sich zu einem Stürmer auf internationalem Niveau.
Im Sommer 2015 wurde Son Teil der Tottenham Hotspurs. Der Abgang aus Leverkusen, kurz nach Saisonstart, ging nicht ganz geräuschlos über die Bühne. Son hatte mit ungewöhnlicher Art und Weise den Wechsel forciert und verlies Leverkusen nicht nur mit freudigen Erinnerungen. Nach dem Wechsel hatte er mit den üblichen Umstellungen zu kämpfen und eine Verletzung warf ihn in der ersten Saison etwas zurück.
Seit der Saison 2016/2017 startet Heung-Min Son jedoch endgültig durch. Er wurde der erste südkorenische Spieler des Monats der Preamier League und entwickelte sich zu einem Star der Liga. Er überzeugte mit Tottenham in der Champions League und platzierte sich drei Mal in Folge unter den Top 3 der Premier League. Ende des Jahres 2017 wurde dies mit dem 3. Titel des Fußballer des Jahres honoriert. Nicht nur deshalb galt Son Heung-min als Hoffnungsträger für die Weltmeisterschaft 2018 und dieser Generation des südkoreanischen Fußballs.
Hoffnungen ruhen auf seinen Schultern
Die WM in Russland ist für Heung-Min Son auch auf einer weiteren Ebene bedeutend. Denn sein 21-monatige Militärdienst steht noch aus und muss bis zum 28. Lebensjahr angetreten werden. Dieses Thema schwebt seit einiger Zeit über seiner Zukunft. Die koreanische Kultur und Mentalität verbietet es, sich diesem ohne Weiteres zu entziehen.
Ausnahmen wurden bisher selbst bei Sportlern nur in Sonderfällen gemacht. Den Olympia-Medailliensiegern und Asian-Games-Siegern zum Bespiel. Oder eben der Nationalmannschaft der WM 2002, die sensationell bis ins Halbfinale vordrang. Ein stark verkürzter Militärdienst kam diesen Nationalhelden zu Ehren. Ein komplexes und brisantes Thema in seiner Heimat.
Mit dem überraschenden Erfolg gegen Deutschland könnte auch hier die Diskussionen erneut angestoßen werden. Denn der Druck, der auf Son lastet ist zu erahnen, wenn man sieht wie er nach seinem Treffer zum 2:0 die Tränen nicht zurückhalten kann und das Verbandslogo küsst. Denn auch im Spiel gegen Deutschland war er wieder alleinige Spitze, lief viel und arbeitete sich gegen 2 Innenverteidiger ab, um den anderen Offensivspielern ein Nachrücken zu ermöglichen.
Über weite Strecken spielte Südkorea wie gewohnt. Sie verteidigten engmaschig, um das Ergebnis zu halten, setzten mit Kontern und Standards immer wieder Nadelstiche. Doch im Laufe des Spiels wurden die Beine schwerer und die Angriffe wurden nicht konsequent ausgespielt. Auch Son wirkte fahrig und zollte dem intensiven Spiel Tribut. Das Ergebnis des Parallelspiels nötigte Deutschland dann mehr Risiko zu gehen, was Südkorea zum Spielende mehr und mehr Räume brachte.
Die Ecke, die Anfang der Nachspielzeit zum 1:0 führte, schlug Son noch hinein. So war er nur indirekt beteiligt, als der Ball nach einem Querschläger im Tor landete. Als Deutschland in der 96. Minute dann Alles oder Nichts spielte und Manuell Neuer tief in der gegnerischen Spielhälfte den Ball verdribbelte, schlug Ju den eroberten Ball weit in die gegnerische Spielhälfte. Heung-min Son hatte da schon zu einem letzten Sprint über den halben Platz angesetzt. Am Fünf-Meter-Raum konnte er den Ball erlaufen und in das leere Tor einschieben.
Der Rest ist Schweigen.
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