Wie vielen US-Franchise-Vereinen droht auch dem MLS-Team Columbus Crew eine Umsiedlung. Die Fans wehren sich jedoch dagegen und finden rund um den Globus und sogar von der Liga Unterstützung.
Am 30. Juli 2013 übernahmen die „Precourt Sports Ventures, LLC“ (PSV) in Person von Anthony Precourt die Startrechte der Columbus Crew von der „Hunt Sports Group“.
„Heute ist ein besonderer für die Crew, die Fans, die Stadt und die Major League Soccer. Anthony ist ein passionierter Anführer und wir glauben, dass er perfekt zu Columbus passt. Wir sind stolz darauf, ihn als Partner in der MLS begrüßen zu dürfen und ich bin mir sicher, dass er einen fantastischen Job mit der Crew machen wird“, so der ehemalige Crew-Besitzer und Chairman der „Hunt Sport Group“ Clark Hunt (Zur Person: Hunt ist u.a. CEO und Mitbesitzer der Kansas City Chiefs (NFL), einer der leitenden Personen bei der Einführung der MLS und Besitzer des FC Dallas).
Anfangs hatte man auch den Eindruck, als würde Hunt mit diesen Worten Recht behalten.
Keine fünf Jahre später sieht jedoch alles anders aus.
Aber der Reihe nach.
Precourt – der gefeierte Held
Kurz nach der Übernahme ging PSV voller Tatendrang ans Werk und baute das Stadion aus.
Ziel war es, die Crew fest in der Sportwelt Columbus‘ zu verwurzeln.
Auch wenn das Team durchaus erfolgreich war (MLS Cup Sieg 2008, Supporters‘ Shield Gewinner 2004, 2008 und 2009, ein Sieg im US Open Cup 2002) und es auch schon einige Größen des Amerikanischen Fußballs unter Vertrag hatte (z.B. Guillermo Barros Schelotto), die echte Identifikation von Stadt und Verein fehlte bislang irgendwie.
Mit Gregg Berhalter konnte man einen sehr talentierten Trainer an Bord holen. Die Ernennung Berhalters zum Cheftrainer trug bereits in seiner ersten Saison Früchte. Verpasste man im Vorjahr noch die Play-Offs, so erreichte man 2014 den dritten Platz in der Eastern Conference und sicherte so sich die Teilnahme an der Post-Season.
Auch die Liga würdigte das tolle Auftreten des Vereins. So wurde Berhalter zu einem der Nominierten bei der Wahl des „Trainer des Jahres“, Steve Clark durfte sich über eine Nominierungen zum „Torhüter des Jahres“ freuen und Michael Parkhurst gewann zum dritten Mal den „Fair Play Award“.
Durch den Ausbau des Stadions, aber vor allem auch durch die Spielweise stellte das Team zusätzlich noch einen vereinsinternen Zuschauerrekord auf.
Alles schien perfekt.
Auch die zweite Saison nach der PSV-Übernahme sah erfolgreich aus.
Man holte Angreifer Kei Kamara zurück, welcher das Vertrauen in seine Person mit 22 Treffern in der Regular Season dankte.
Er war darüber hinaus mit vier Treffern in den Play-Offs maßgeblich am Einzug ins Finale des MLS Cups beteiligt.
Letztlich scheiterte man jedoch mit einem 1:2 an den Portland Timbers.
Trotzdem war am Ende kaum jemand unglücklich über die Saison. Immerhin zog man das erste Mal seit 2008 wieder ins Finale um den Meistertitel ein.
Der Anfang vom Ende
2016 schien die heile Welt in Columbus das erste Mal zu bröckeln.
Nach einem Streit zwischen Mittelfeldmann Federico Higuain und Torjäger Kei Kamara entschied man sich dazu den Angreifer zu den New England Revolution zu traden.
Einige Fans hatten dafür kein Verständnis. Immerhin erzielte Kamara in den bis dahin gespielten neun Spielen bereits fünf Treffer.
Der Ärger währte jedoch nur kurz. Ohne es zu wissen, hatte man mit Namensvetter Ola Kamara vor der Saison bereits den perfekten Ersatz verpflichtet.
Bis zum Abgang Kei Kamaras war Ola Kamara lediglich Ersatz. Doch nachdem er freie Bahn hatte netzte Ola Kamara in ähnlicher Quote. Bereits in seinem dritten Spiel über 90 Minuten erzielte er einen Hattrick gegen Real Salt Lake City (4:3).
Aufgrund einer monatelangen Schwächephase der Mannschaft, verpasste man jedoch den Einzug in die Play-Offs.
Eine Saison des Schreckens
Die Saison 2017 sollte den Crew-Fans (bzw. allen MLS-Fans) in Erinnerung bleiben.
Sportlich lief es nicht schlecht. Am Ende der Saison stand man auf Platz fünf in der Eastern Conference, zog in die Play-Offs ein und scheiterte dort erst im Halbfinale am späteren Meister Toronto.
Außerhalb des Platzes nahm die Saison aber eine dramatische Wendung.
Zum Ende der Saison hin machten Gerüchte die Runde, dass Anthony Precourt mit dem Franchise gerne nach Austin, Texas umziehen möchte. Vereinsnahe Quellen sprachen da schon von einer mehr oder weniger klaren Sache.
Am 17. Oktober 2017 um 8:42 Uhr Ortszeit veröffentlichten die „Precourt Sports Ventures“ über die Website der Columbus Crew ein Statement, welches die letzte Hoffnung bei den Crew Fans, dass es sich bei dem Ganzen doch nur um eine Ente handelt, schwinden ließ.
„Precourt Sports Ventures, LLC (PSV), Besitzer des Columbus Crew SC seit 2013, gibt am heutigen Tage bekannt, dass man strategische Maßnahmen untersucht, um die Lebensfähigkeit des Klubs auch auf Dauer sicherzustellen. Die Gedankenspiele beinhalten das Verbleiben in Columbus mit einem neuen Stadion, oder ein eventueller Umzug nach Austin, Texas.“
Die ersten Zeilen des Statements waren wie ein Schlag ins Gesicht jedes Crew-Fans.
„Trotz unserer Investitionen und Anstrengungen ist der aktuelle Weg nicht nachhaltig. […] Gerade weil die Zuschauerzahlen der gesamten Liga in einem rekordverdächtigen Tempo wachsen und Märkte in ganz Amerika versuchen sich der MLS anzuschließen, ist die Situation in Columbus besonders besorgniserregend“, so Anthony Precourt.
Damit spielte er auf den sinkenden Zuschauerschnitt des Teams an. Dieser ist faktischer auch nicht wegzudiskutieren. Verfolgten in der Saison 2016 noch 17.125 Zuschauer im Schnitt die Spiele live im Stadion, kamen 2017 nur noch durchschnittlich 15.439 Zuschauer.
In der abgelaufenen Saison sieht der Schnitt noch viel schlimmer aus. Gerade einmal 12.120 Zuschauer bejubelten die Mannschaft im Durchschnitt.
Weshalb es zu dem extremen Zuschauerschwund kam, lässt sich nicht leicht beantworten. Zu viele Faktoren spielen dafür eine Rolle. Zum einen – so blöd es klingen mag – spielte das Wetter der Crew nicht unbedingt in die Karten. Der Winter in Ohio kann brutal sein.
Und das war er. V.a. aber war er langanhaltend. Außerdem spielte die Mannschaft immer wieder inkonstant. Die Fans konnten sich kaum auf ein Spiel einstellen.
Zusätzlich soll auch noch Precourt seine Finger im Spiel gehabt haben. Gerüchten zu Folge, sorgte Precourt dafür, dass die Tore bei Spielen welche im landesweiten TV übertragen wurden, erst später, manche gar nicht geöffnet wurden.
Dadurch sah es bei Anstoß so aus, als würden sich tatsächlich wenige Menschen für die Crew interessieren. Ob wirklich Precourt an der Situation Schuld war lässt sich nicht zweifelsfrei bestätigen. Jedoch waren bei einigen Spielen ab der zweiten Halbzeit deutlich mehr Zuschauer zu sehen, als zum Anstoß.
Aber auch wenn Precourt nichts damit zu tun hatte, es spielte ihm auf jeden Fall in die Karten und die Fans mussten Angst haben nicht ins Stadion zu kommen, weshalb auch einige fern blieben.
Den nochmals extrem starken Fall der Zuschauerzahlen in der abgelaufenen Saison kann man zusätzlich noch mit Fanboykotts erklären.
Jedoch kam nicht nur Precourt bei der Geschichte schlecht weg. Auch die Major League Soccer musste sich einigen Kritikern stellen.
Wie später bekannt wurde, verankerte man eine Klausel in den Kaufvertrag Precourts. Diese Klausel erlaubte ihm das Franchise nach Austin umziehen zu lassen.
Dies war der endgültige Vertrauensbruch. Nicht nur, dass die Liga so etwas abgenickt hatte. Precourt musste also schon 2013 die Pläne eines Umzugs gehabt haben.
#SaveTheCrew
Das war aber nicht der Sargnagel. Im Gegenteil.
Tausende Fans – auch anderer Mannschaften – machten den Hashtag „#SaveTheCrew“ zu ihrem Motto. Man wollte sich nicht geschlagen geben und wollte für den Verein in Columbus kämpfen.
Bei allen möglichen Veranstaltungen im Umkreis Columbus, aber auch in den kompletten USA waren Banner mit dem Hashtag als Aufschrift zu sehen.
Alle öffentlichen Gebäude in Columbus wurden mit entsprechenden Spruchbändern versehen, die Fans anderer Vereine machten mit Bannern während des Spiels darauf aufmerksam. Aus „#SaveTheCrew“ wurde eine US-weite Bewegung.
Auch die Politik in Columbus schaltete sich nach einer Weile ein. In Statements sprach man sich klar für den Verbleib der Crew aus. Teilweise erstrahlten Sehenswürdigkeiten in den Vereinsfarben.
Precourt und MLS-Commissioner Don Garber ließ das Anfangs allerdings unbeeindruck.
In einem Treffen mit Columbus‘ Bürgermeister Andrew Ginther, sollen laut des Bürgermeisters weder Precourt noch Garber die Absicht gezeigt haben, das Team in Columbus zu lassen.
Auch die jährliche „State of the League Conference“ unter Leitung Garbers sagte wenig anderes.
Crew wird zum Politikum
Am 05. März 2018 wurde das Thema endgültig zum Politikum. Der Attorney Gerneral Ohios, Mike DeWine und die Stadt Columbus erhoben Klage gegen Anthony Precourt.
Die Angklageschrift zitierte ein 1996 verabschiedetes Gesetz, welches besagt, dass Sportvereine, welche Zuwendungen aus öffentlicher Hand erhalten haben, nicht umgesiedelt werden dürfen, ohne dies sechs Monate im Voraus anzukündigen und ohne, dass man versucht hat das Team an eine ortsansässige Investorengruppe zu verkaufen.
Jimmy Haslam – Columbus Crews weißer Ritter?
Ein paar Monate ist es recht ruhig geworden. Die Crew spielte ganz ordentlich (zog letztlich auch in die Play-Offs ein), die Zuschauer blieben trotzdem aus und Precourt äußerte sich kaum noch.
Am 12. Oktober 2018 kam jedoch eine Nachricht wie aus dem Nichts.
Cleveland Browns-Besitzer Jimmy Haslam möchte den Klub kaufen. Anfangs taten viele das als eine der vielen „X möchte den Verein retten“-Meldungen ab.
Doch 17:13 Uhr Ortszeit veröffentlichten Dee und Jimmy Brown eine Meldung über die Website der Browns.
„Wir wissen die Vorteile eines professionellen Sportfranchises zu schätzen und sind hoffnungsvoll ein Teil der Lösung zu sein und in Crew in Columbus zu halten“, so die Haslam-Brüder.
Nicht mal 20 Minuten später veröffentlichte auch die Major League Soccer ein offizielles Statement. Darin nennen sie neben der Haslam-Familie um Jimmy Haslam auch noch die Edwards-Familie um Dr. Pete Edwards (renommierter Arzt aus Columbus) und die „Columbus Partnership“ (Zusammenschluss von über 65 CEOs lokaler Unternehmen).
„Die Major League Soccer und Columbus Partnership arbeiten seit mehreren Monaten an dem Plan, die Crew in Columbus zu behalten. Dabei machen wir große Fortschritte“, so die Liga in ihrem Statement.
Noch nicht bekannt ist, wie viel die Investorengruppe für die Besitzrechte der Columbus Crew bezahlen muss. Man ist jedoch optimistisch, dass man die Summe stemmen und darüber hinaus die Spieler, das Trainerteam und die sonstigen Mitarbeiter behalten kann.
Für den Moment darf man vorsichtig optimistisch den Hashtag „#SavedTheCrew“ benutzen.
Dies war ein Gastbeitrag von Dominic Becker
Dominic Becker ist 23 Jahre alt, seit einigen Jahren US-Datenscout bei Transfermarkt und verfolgt den US-Fußball mittlerweile aktiver als die deutschen Bewerbe.