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„Verdiente” Siege im Fußball

Etliche Diskussionen im Fußball gründen auf der Frage, welches Team denn eigentlich den Sieg „verdient” hat. Besonders, wenn das unterstützte Team ein Spiel verloren hat, betrachten viele Fans den Spielausgang als unglücklich und sprechen von einem unverdienten Sieg des Gegners.

Doch wann und wie hat sich ein Team den Sieg bzw. die Niederlage verdient?

Die Frage nach dem verdienten Sieger gibt es vermutlich seit Beginn des Fußballs – und natürlich in anderen Sportarten – doch bis heute keine klare Definition des Begriffes „verdient” im Wettbewerbskontext.

Ich werde im folgenden Text die im allgemeinen Konsens am stärksten vertretenen Thesen auf ihre Vorzüge und ihre Probleme untersuchen.

 

Nutzen der Torchancen

Die vermutlich am weitesten verbreitete These ist:

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie im Gegensatz zu Team Y ihre Chancen konsequent genutzt haben.”

Die Vorteile dieser These sind offensichtlich: Der kommentierende Fan muss das Spiel nicht gesehen haben, um diese Aussage treffen zu können. Ein simpler Blick auf das Ergebnis genügt, um die Frage nach dem verdienten Sieger zu beantworten.

Und im Fußball geht es schließlich darum, das gegnerische Tor zu treffen, also ist die Mannschaft, die dies besser getan hat, der verdiente Sieger.

Die Simplizität ist jedoch gleichzeitig das große Problem: Kann ein Mensch, der das Spiel nicht gesehen hat und einzig das Endresultat weiß, darüber urteilen, welches Team verdient gewonnen hat? Die Frage würde der Großteil der Fußballfans verneinen. Man könnte bei jedem Spiel die Frage stellen “Wer war der Sieger?” und die Antwort wäre immer die selbe wie auf „Wer war der verdiente Sieger?”.

Wenn dies allgemein als Begründung übernommen werden würde, müsste es gar keine Diskussionen mehr über die „bessere” Mannschaft geben, weil dies ja am Ergebnis zu erkennen ist. Die These ist also zirkulär, weil sie nichts anderes behauptet als „Team X hat verdient gewonnen, weil Team X gewonnen hat und es sich somit verdient hat, zu gewinnen”.

Ein weiterer Nachteil der These ist, dass das gesamte Fußballspiel auf die Abschlusssituationen reduziert wird. Hauptziel im Fußball ist es selbstverständlich, möglichst viele Tore zu erzielen und so wenige wie möglich zuzulassen.

Doch damit Team X ein Tor erzielen kann, muss sich das Team überhaupt erst mal einen Abschluss kreieren. Diese Vorbereitung der eigenen Torchance benötigt im Normalfall deutlich mehr Zeit als der Abschluss der Torchance. Das Fußballspiel wird also auf eine Situation reduziert (den Torabschluss), die aber nicht die meiste Zeit der Partie bestimmt.

 

Über den Möglichkeiten spielen

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie mehr Einsatz gezeigt haben als Team Y”

Diese These werde ich so nicht behandeln, da sich der viel zitierte Begriff des „Einsatzes” auch mit Laufstatistiken und Zweikampfquoten nicht messen lässt. Die meisten Fans nutzen ihn eher im Bezug auf heroische Szenen wie Grätschen oder ein physisch intensiver Zweikampf. Ich werde die Aussage stattdessen abwandeln zu:

„Team X hat verdient gewonnen, weil das Team näher an ihrem Leistungslimit performt hat als Team Y”.

Der menschliche Gerechtigkeitssinn besagt in vielen Fällen, dass das Subjekt (in diesem Fall: das Fußballteam) etwas mehr verdient hat, wenn es sich mehr darum bemüht und einen größeren Willen gezeigt hat, das Ziel zu erreichen.

Die Konklusion daraus ist, dass ein vermeintlich unterlegenes Team bei einem Sieg eben diesen Willen demonstriert hat – und das überlegene nicht so. Der Sieg symbolisiert dann, dass diese Mannschaft näher an ihrem Leistungsoptimum performt hat als das andere Team.

Wo besteht hier die Problematik? Fußball ist ein hochkomplexes Spiel mit einer unendlichen Zahl an Wechselwirkungen innerhalb des Spiels. Das Leistungslimit eines Teams ist nicht objektiv messbar, sondern wird von mehreren Faktoren beeinflusst.

Dieses vom Zuschauer festgelegte „Leistungsoptimum” ist schließlich nicht beständig. Es wird stattdessen immer wieder gerechtfertigte Anpassungen erfahren: Ein Sieg wertet dieses “Leistungsoptimum” auf, eine Niederlage wertet es ab.

Das Performen nahe des Leistungslimits hängt zusätzlich vom strategischen Ansatz beider Teams ab: Die Wechselwirkungen innerhalb des Spiels bedingen, ob der gewählte strategische Ansatz und die eigenen Stärken/Schwächen passend oder unpassend zum strategischen Ansatz und den Stärken/Schwächen des Gegners sind.

Als Musterbeispiel hierfür dient der Liverpool FC (besonders in Klopps Anfangszeiten): Ein sehr konterstarkes Team, welches den Gegner mit ihrem intelligenten und intensiven Pressing über den gesamten Platz jagt.

Der „optimale” Gegner für Liverpool ist dementsprechend ein Team, welches die spielerische Lösung auch unter Druck bevorzugt, damit das Pressing überhaupt nutzlich wird.

Außerdem sollte der Kontrahent nicht tief verteidigen, da gegen eine tiefe Verteidigung Konter nahezu unmöglich sind.

Daher hat Liverpool besonders in den Topspielen gegen starke Mannschaften Erfolge feiern können, weil die meisten dieser Mannschaften gegen die Reds eben nicht tief verteidigen und versuchen, die spielerische Lösung zu bedienen.

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„ES GEHT WEDER UM INTENSITÄT NOCH UM PRÄZISE AUSFÜHRUNG” – Unser Interview mit Sascha Marth (Fotocredit: red bull / gepa pictures) | Hier zu lesen.

Schwächere Gegner, die häufig in einem tiefen Pressing agieren und überdies nicht den Versuch unternehmen, das gegnerische Pressing aufzulösen, sondern häufig zum langen Ball greifen, machen Liverpool hingegen eher Probleme, obwohl das Klopp-Team die „bessere” Mannschaft ist.

Die Probleme traten auf, da die Stärken des Liverpooler Teams gegen diese Gegner nicht so zur Geltung kamen, ihre Schwächen in der Strafraumverteidigung und im Kreieren von Torchancen gegen tiefstehende Gegner hingegen schon. Das Leistungslimit des beschriebenen Teams müsste also je nach Gegner hochgestuft oder abgestuft werden, weil der strategische Ansatz des Gegners auch bestimmt, inwiefern das Team seine Stärken nutzen kann.

Daneben sollte nicht vergessen werden, wie das vermeintlich höhere Leistungslimit zustande gekommen ist; eben durch hartes und qualitativ hochwertiges Training, durch welches sich die Einzelspieler individualtaktisch verbessern und die gesamte Mannschaft sich gruppen- und mannschaftstaktisch weiterentwickelt.

Da ein Fußballteam mehr Zeit mit dem Training und somit auf die Vorbereitung des Spiels verbringt als das Spiel an Zeit einnimmt, sollte also dieser Weg zum Leistungsoptimum ebenso seine Beachtung finden. Mehr Ballbesitz

 

Mehr Ballbesitz=besseres Team?

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie mehr Ballbesitz als Team Y hatten”.

Das Team, welches den Ball häufiger besitzt als das andere, hat längereZeit des Spiels überhaupt eine Chance auf einen Torerfolg (exkl. Absurditäte. Oder um Louis van Gaal zu zitieren: Solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen.

Ballbesitz ist aber nicht immer ein Indikator für das dominante Team, wenn sich zwei Mannschaften gegenüberstehen, die sich im Spiel ohne Ball wohler fühlen (hallo Bundesliga 17/18). Viele Mannschaften werden, sobald sie in Führung liegen, es nicht mehr als notwendig erachten, in Ballbesitz zu sein.

Stattdessen ziehen sie sich in eine tiefe Verteidigung zurück und versuchen, mit Kontern Nadelstiche zu setzen. Dies kann bei einer frühen Führung den Ballbesitzwert „verzerren“, weil das führende Team freiwillig auf den Ballbesitz verzichtet, während das zurückliegende Team den Ball benötigt, um ausgleichen zu können.

Der Wert des Ballbesitzes ist zusätzlich stark mit der Zone verbunden, in dem der Ball zirkulieren gelassen wird: Der Fan, der sagt eine Mannschaft hätte den Sieg eigentlich verdient gehabt, weil sie ab der 5. Minute bei einem 1:0 Rückstand den Ball im ersten Drittel zirkulieren lassen hat, ist mir noch unbekannt.

Bevor man das letzte Drittel des Spielfeldes erreicht hat, ist die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen, nun mal sehr gering. Wenn man mit dem eigenen Ballbesitzspiel also nicht in der Lage ist, den Ball überhaupt in das letzte Drittel des Spielfeldes zu bringt der Ballbesitz keinen Nutzen mehr; gesetz dem Falle, das ballbesitzende Team möchte ein Tor erzielen.

Anschließend daran ist die Dominanz des Ballbesitzes nicht das Äquivalent zur Dominanz des Kontrahenten: Atletico Madrid wäre eins vieler unbequemer Teams, welche besonders im Spiel ohne Ball ihre Stärken besitzen. Sie zwingen dem Gegner mit ihrem aggressiven und cleveren Pressing einen unangenehmen Spielrhythmus auf.

Cholo Simeones Team versteht es, den Gegner aus gefährlichen Zonen fernzuhalten und im Optimalfall in eigene Pressingfallen zu locken. Obwohl Atletico den Ball nicht besitzt, zwingen sie dem Gegner die nächste Aktion eher auf, als dass der Gegner bestimmt, was seine nächste Aktion sein wird.

 

Mehr Torschüsse als Indikator?

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie mehr Torschüsse als Team Y hatten.“

Erstmal scheint diese These im Anschluss an die Negation der letzten These logisch zu sein, weil die Anzahl der Torschüsse implizieren sollte, dass das Team häufiger in der Lage war, ein Tor zu schießen. Sich Situationen zu kreieren, aus denen ein Torabschluss erfolgt und somit ein Tor fallen kann, ist das Hauptziel der ballbesitzenden Mannschaft (hoffentlich).

Je häufiger also der direkte Versuch unternommen wurde, ein Tor zu erzielen, desto häufiger ist das Team dem Hauptziel des Tore-Erzielens nähergekommen.

Das Defizit der Aussage besteht darin, dass sie eine Gleichförmigkeit der Torchancen suggeriert. Die Qualität der vorliegenden Chance wird missachtet; so ist ein bedrängter Distanzschuss qualitativ bei weitem nicht so hochwertig wie ein freier Torabschluss aus wenigen Metern Entfernung.

Da besonders Teams in Rückstand dazu neigen, den Abschluss überhaste tund aus wenig erfolgsversprechenden Situationen zu suchen, findet abermals eine Verzerrung des Wertes statt. Das führende Team setzt hingegen öfter auf Konter, aus denen dann im Normalfall weniger Torchancen entstehen, diese dafür qualitativ hochwertiger sind.

 

Expected Goals

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie einen höheren Expected Goals Wert als Team Y haben”

Habe ich leider noch nicht so oft gehört, was wohl damit zu tun hat, dass die meisten Fans dieses Modell nicht kennen. Hier einmal die Definition von Opta:

„Expected goals (xG) measures the quality of a shot based on several variables such as assist type, shot angle and distance from goal, whether it was a headed shot and whether it was defined as a big chance.

Adding up a player or team’s expected goals can give us an indication of how many goals a player or team should have scored on average, given the shots they have taken.“

Expected Goals ist also eine Weiterentwicklung der vorherigen Aussage, da nun nicht nur die Quantität der Torchancen eine Rolle spielt, sondern auch die Qualität durch einen Algorithmus bestimmt wird. Chancen, die wenig erfolgsversprechend sind, werden auch dementsprechend eingeordnet. Es besteht in der Metrik kein Unterschied zwischen einem Schuss aus 30 Metern, der zum Tor führt und einem Schuss aus 30 Metern, der das Tor um mehrere Meter verfehlt.

Kommentar Fußball
“WIE IHR DEN FUßBALL ZERSTÖRT” – unser Kommentar zur aktuellen Lage im Weltfußball | Hier zu lesen.

Doch auch dieses Modell hat Schwachstellen: So können die Werte durch eher zufällig entstandene Großchancen verzerrt werden. Dazu ein Beispiel: Nach einer Standardsituation prallt der Ball beim Klärungsversuch so unglücklich ab, dass der Gegner den Ball nur noch von der Torlinie einzuschieben braucht.

Da der Wert dieser Chance hier nur gering unter 1,0, also dem „sicheren“ Torerfolg liegt, wird der Expected Goals Wert des Teams extrem erhöht. Diese Erhöhung steht aber in keinem Verhältnis zu der reellen Chance durch eine Standardsituation einen Abschluss aus dieser Position zu bekommen.

Darüber hinaus können extrem gefährliche Situationen, bei denen schlussendlich kein Torabschluss stattfindet – beispielsweise bei Szenen, in denen der letzte Pass zu weit oder zu kurz ist und schließlich abgefangen wird – in die Metrik nicht aufgenommen werden. In einigen Modellen werden zwar „deep completions“ und„very deep completions“ aufgenommen, diese können die Gefahr der Situation aber mathematisch nicht so präzise wiedergeben wie bei einem erfolgten Abschluss.

 

Packing

„Team X hat verdient gewonnen, weil sie mehr Gegner überspielt haben als Team Y“

Fußball-Fans, die die EM 2016 und die Vor- und Nachberichterstattung im Fernsehen verfolgt haben, könnten schon ahnen, was jetzt kommt: Packing, eine Idee von dem Ex-Fußball-Profi Stefan Reinartz und seinem ehemaligen Teamkollegen Jens Hegeler. Von Mehmet Scholl & Co. wurde diese eigentlich brilliante Idee äußerst unglücklich eingebunden, sodass viele Zuschauer diese Idee immer noch als Quatsch abtun. Packing ist aber gar nicht so ein Quatsch:

Als Packing gelten Aktionen, nach denen weniger gegnerische Spieler zwischen Ball und gegnerischem Tor stehen. Nicht nur Pässe werden also aufgenommen, sondern auch Dribblings. Die Hauptidee dahinter ist, dass die überspielten Spieler ihr Tor nicht mehr verteidigen können. Und umso weniger Gegenspieler ihr Tor noch verteidigen können, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit für das angreifende Team, ein Tor zu erzielen.

Das war eine sehr simple Beschreibung einer sehr komplexen Methode. In den Packing-Wert fließen noch deutlich mehr Faktoren ein. Wer sich dafür interessiert, dem sei die Website der Impect GmbH empfohlen (es lohnt sich):

Doch kehren wir zurück zur EM 2016: In 94% der Fälle gewann die Mannschaft oder spielte Unentschieden, die mehr Verteidiger als der Gegner überspielt hatte. Die Stärke vom Packing ist dabei eindeutig: Überspiele ich keine oder nur wenige Gegner, komme ich nur selten zu hochwertigen Torchancen.

Im Gegensatz zu Expected Goals ist das Herausspielen eines Torabschlusses im Fokus und nicht der Abschluss selbst. So wird der Zufall – zumindest größtenteils – beim Zustandekommen einer Großchance ausgeklammert.

Außerdem erhöhen extrem gefährliche Situationen, aus denen aber kein Abschluss stattfand, die Packing-Rate enorm; zumindest, wenn man davon ausgeht, dass vorher viele Gegenspieler überspielt wurden (wovon auszugehen ist).

Vergleicht man das Packing-Modell nun also nochmal mit dem Expected Goals-Modell, ist die fehlende Einbeziehung der wirklich erfolgten Torabschlüsse die Schwachstelle. So kann ein Team mit individual-und gruppentaktisch herausragenden Verteidigern in der Restverteidigung einiges ausbügeln.

So kann die Qualität der Torchance auch mit wenigen verbleibenden Verteidigern noch erheblich gesenkt werden. Zusätzlich kann der strategische Ansatz eines Teams ebenfalls verzerrend auf den Packing-Wert wirken:

Mannschaften, die bevorzugt auf zweite Bälle und gegnerische Fehler setzen, werden einen relativ schwachen Packing-Wert besitzen. Trotzdem können solche Teams durchaus Erfolg haben oder über ihren Möglichkeiten performen. Als Beispiel dafür dient mit Portugal der spätere Europameister, wessen Packing-Wert bei der EM sich nur knapp über dem Durchschnitt befand.

Soweit es mir bekannt ist, werden Standardsituationen ebenfalls nicht in das Modell aufgenommen. Mannschaften, deren Plan es vorsieht, über Standardsituationen zum Erfolg zu kommen (und dies auch häufig tun), werden in dem Modell ebenso „unterbewertet“.

Dabei gehe ich von Standardsituationen aus, bei denen im Voraus keine erhebliche Anzahl an Gegenspielern überspielt wurde, bspw. ein indirekter Freistoß aus dem Halbfeld (wobei der natürlich nicht so gefährlich ist wie ein direkter Freistoß 18 Meter vor dem Tor).

Zu diesen „Schwachstellen“ sollte ich aber erwähnen, dass das Packing-Modell nicht unbedingt den Anspruch hat, den verdienten Sieger zu bestimmen. Stattdessen nutzen es die Profi-Teams bevorzugt für die Gegneranalyse und das Scouting.

Das Modell eignet sich nämlich hervorragend dazu, Spieler, deren Qualitäten sonst vielleicht übersehen werden, ausfindig zu machen. So lassen sich individuell die Qualitäten eines Spielers sehr gut zahlenmäßig darstellen, aber nicht zwangsläufig die Qualität einer Mannschaft.

 

Fazit zu verdienten Siegen

Was ist denn nun ein verdienter Sieg?

Die Frage nach dem „verdienten Sieg“ bleibt eine Definitionsfrage. Jede vorgestellte These hat ihre Vorteile sowie ihre Nachteile.

Die Thesen, der ich mich am ehesten anschließe, ist der verdiente Sieg nach dem Expected Goals-Modell und nach der Packing-Rate. Beide Teams müssen nicht in einen Kontext gesetzt werden – welches Team nun prinzipiell stärker oder schwächer einzuordnen ist – stattdessen wird mathematisch und somit so objektiv wie möglich der Wert aller Torchancen bzw. aller überspielten Gegner bestimmt.

Der Spielverlauf, der Weg zum Torabschluss und nicht erfolgte Abschlüsse aus vielversprechenden Situationen können in den Algorithmus des Expected Goals-Modells nicht bzw. nicht so präzise aufgenommen werden. So ist auch dieses Modell nicht perfekt, um nach einem Spiel den „verdienten“ Sieger zu bestimmen.

In das Packing-Modell fließt die Quantität und Qualität der erfolgten Torabschlüsse nicht ein. Außerdem kann der strategische Ansatz eines Teams den Wert verzerren.

Jedoch besitzen alle anderen Thesen die dargelegten Problempunkte ebenfalls, zusätzlich zu den Problempunkten der Quantität und Qualität der Chancen, welche im Expected Goals-Modell immerhin abgedeckt werden.

Das Packing-Modell gleicht die Schwächen des Expected Goals-Modells aus: Der Weg zum Torabschluss und nicht erfolgte Abschlüsse aus vielversprechenden Situationen werden gewertet.

 

Abschließende Gedanken

Was ist nun die optimale Lösung?

Das Spiel konzentriert schauen und sich selbst ein Urteil bilden. Um zu einer möglichst fundierten Bewertung zu gelangen, schlage ich vor, sich selbst während und nach dem Spiel Fragen zu stellen, die sich auf Kriterien für den verdienten Sieger beziehen. Meine Vorschläge für diese Fragen sind:

Was ist der strategische und taktische Ansatz beider Teams und wie erfolgsstabil werden diese Ansätze durchgeführt?

Welches Team bestimmt den Spielrhythmus? – Hier Verweis auf die obige Erklärung

Wird dieser Spielrhythmus bevorzugt mit oder ohne Ball bestimmt?

Welches Team hat mehr Ballbesitz und in welchen Zonen besitzen beide Teams jeweils vorrangig den Ball?

Welchem Team gelingt es konstanter, eine Gefahr für das gegnerische Tor zu entwickeln?

Wie häufig kommen die Teams zum Torabschluss und welche Qualität besitzen die Torchancen?

Begünstigt der Spielverlauf die Durchführung des strategischen Ansatzes eines Teams? (tiefstehende Teams können ihren Ansatz noch stärker verfolgen, wenn sie in Führung liegen, da keine Notwendigkeit mehr besteht, ein Tor zu erzielen)

Dieser Überblick ist recht grob, kann aber zur näheren Bestimmung dienen. Die Statistiken wie Ballbesitz, Torschüsse, Expected Goals und Packing-Rate sollten dem Abgleich mit den selbst beobachteten Erkenntnissen dienen, statt ohne eigene Erkenntnisse als Indikator für die „bessere“ Mannschaft herangezogen zu werden.

Wer also das Spiel konzentriert schaut, die Wichtigkeit einzelner Fragen für sich bestimmt hat und anschließend noch die Statistiken und Modelle in Betracht zieht, wird zu einer fundierten Meinung gelangen.

Die Frage nach dem „verdienten“ Sieger beantwortet man also mit einer subjektiv gefärbten Meinung, die (bestenfalls) klar und sinnvoll begründet ist.

Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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