Südafrika, WM 2010: Mit lediglich zwei Punkten scheiterte der damals amtierende Weltmeister bereits in der Gruppenphase. 1-1 gegen Paraguay, 1-1 gegen Neuseeland und eine 3-2 Niederlage gegen die Slowakei.
Die Weltmeisterschaft 2010 endete blamabel für Italien. Mit Andrea Pirlo und Gianluigi Buffon fehlten zwar zwei sehr wichtige Spieler verletzungsbedingt, doch das Ausscheiden von damals ist nicht nur daran festzumachen.
Das erkannte auch der italienische Verband, der Weltmeistertrainer Marcello Lippi entließ und dafür Cesare Prandelli anheuerte.
Cesare Prandelli hatte bei der Fiorentina richtig gute Arbeit geleistet und konnte mit der Mannschaft auch in der Champions League aufzeigen, in einem spannenden Achtelfinale brachte Prandellis Mannschaft sogar den FC Bayern München an den Rande eines Ausscheidens.
Als Trainer der italienischen Nationalmannschaft hatte er allerdings eine weitaus schwierigere Aufgabe übernommen, lief in der Squadra Azzurra damals doch einiges nicht nach Plan.
Die Mannschaft war überaltet, das Verhältnis zwischen Fans und Nationalteam angeknackst und die Spielweise war konservativ und erfolglos. Prandelli kam als Erneuerer und traf einige sehr wichtige Entscheidungen.
Er versuchte vor allem das Image des italienischen Fußballs aufzubessern. Dazu führte er zum Beispiel den Ethik-Kodex ein, nach dem Spieler für ein Fehlverhalten in der Liga, etwa eine Tätlichkeit, nicht zum Nationalteam nominiert wurden.
Zum Nationalteam eingeladen wurde dafür etwa Simone Farina, der zwar nur in der Serie B spielte, aber bei der Aufdeckung des Spielmanipulationsskandals von 2011 eine entscheidende Rolle spielte.
Auch sportlich verbesserte er das Image. Unter Prandelli sollte das weitgehend für Defensivfußball bekannte Italien unterhaltsamen Offensivfußball spielen, eine Umstellung, die schon in den ersten Spielen unter Prandelli klar sichtbar wurde.
Die ersten Jahre von Prandelli verliefen äußerst erfolgreich, er führte den nötigen Umbruch durch und brachte eine wiedererstarkte Squadra Azzurra bei der Europameisterschaft 2012 sogar bis ins Finale, wo man allerdings an Spanien deutlich scheiterte.
Auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Brasilien verlief erfolgreich und Italien konnte seine Gruppe souverän gewinnen. Für viele war Italien deshalb durchaus ein Mitfavorit auf den Titel, allerdings sollte für die Squadra Azzurra bereits nach der Gruppenphase Endstation sein.
Gegen England überzeugte Italien noch mit seinem ballbesitzorientierten Spiel und der Art und Weise, wie man mit den schweren klimatischen Bedingungen in Manaus zu Recht kam.
Doch schon gegen den Underdog Costa Rica folgte ein schwerer Rückschlag. Italien wirkte müde und kam mit der starken Defensivtaktik von Costa Rica Trainer Jorge Luis Pinto überhaupt nicht klar, dank eines Tores von Bryan Ruiz verlor Italien auch verdient mit 1-0.
Gegen Uruguay hätte bereits ein Unentschieden für den Aufstieg ins Achtelfinale gereicht, doch in einer ziemlich unattraktiven Partie ohne Torchancen, verlor Italien am Ende erneut, unglücklich aber doch, mit 0-1. Damit endete für talien erneut eine Weltmeisterschaft blamabel.
Noch schockierender als das peinliche Ausscheiden in der Gruppenphase war für mich aber folgende Nachricht vom 24.6.2014: “Es tut weh, so aus der WM auszuscheiden. Ich übernehme die Verantwortung.
Etwas hat sich verändert, seit ich meinen Vertrag verlängert habe. Ich weiß nicht warum. Es hat nicht funktioniert. Mein Rücktritt ist unwiderruflich”, sagte Prandelli, der erst kurz vor der Weltmeisterschaft nach langem hin und her seinen Vertrag bis 2016 verlängert hat und dabei auch mit deutlicher mehr Macht im Verband ausgestattet wurde.
Natürlich, die Leistungen Italiens in Brasilien waren enttäuschend, doch dass Prandelli dennoch ein großer Taktiker ist und im italienischen Verband einige Dinge zum Positiven veränderte, kann schwer bestritten werden. Der Verlust von Cesare Prandelli ist für den italienischen Verband ein sehr großer.
Große Sorge bereitete damals auch die Suche nach einem geeigneten Kandidaten als Prandelli-Nachfolger. Roberto Mancini war noch der klingendste Name.
Die Vorstellung von Massimiliano Allegri als Italiens „Commissario Tecnico“ machte viele Fans eher Angst. Alberto Zaccheroni hatte bei Japan zwar gute Arbeit geleistet in den letzten Jahren, doch aufgrund Japans Scheitern in der Gruppenphase der WM war auch er keine besonders beliebte Option.
Am 15. Juli kam jedoch ein weiterer Kandidat hinzu. Antonio Conte, als Trainer gerade dreifacher Meister mit Juventus, wandte sich via Videobotschaft auf Youtube an die Fans: Sein Vertrag mit der alten Dame wurde in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst.
Über den genauen Grund wurde viel diskutiert, Juves Calciomercato mit dem möglichen Wechsel von Schlüsselspieler Arturo Vidal zu Manchester United wurde meistens als Grund genannt.
Antonio Conte hat mit Juventus jedenfalls einiges erreicht, er führte ein vor seiner Amtszeit schwächelnde alte Dame zu drei Meistertiteln. Nur in der Champions League lief es für ihn und Juventus nicht nach Wunsch.
Zuerst zeigte ihm Bayern München im Viertelfinale deutlich die Grenzen auf, danach folgte ein Ausscheiden in der Gruppenphase nach einer Niederlage unter äußerst fragwürdigen Platzbedingungen auswärts bei Galatasaray.
Wegen fehlender Ressourcen glaubte Antonio Conte auch nicht wirklich daran mit Juventus in der Champions League richtig konkurrenzfähig zu sein, was womöglich einer der Hauptgründe für seinen Rücktritt bei den Bianconeri war.
Ob er damals schon mit dem Gedanken spielte, bald italienischer Teamchef zu werden? Sicher möglich, aber es klingt eher unwahrscheinlich. Antonio Conte ist mit erst 45 Jahren relativ jung für einen Nationalteamtrainer und nach seinem äußerst erfolgreichen Engagement bei Juventus hätte er auch im Klub-Fußball noch einige Jahre bei guten Vereinen arbeiten können.
„Ich dachte eher daran mich weiterzubilden, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und zu warten, bis vielleicht in einem Jahr ein Angebot von einem Topklub kommt“, sagte Conte bei seiner offiziellen Präsentation vergangenen Dienstag in Rom.
Zudem fehlte bei seinem Rücktritt von Juve noch eine Person, die ihm den Job als Nationalteamtrainer überhaupt anbieten hätte können. Denn auch Verbandspräsident Giancarlo Abete ist nach dem WM-Aus zurückgetreten und es musste erst ein Nachfolger gefunden werden.
Trotz eines schweren rassistischen Patzers gewann Carlo Tavecchio die Wahl und wurde neuer Präsident des FIGC. Als neuer Präsident war es eigentlich klar, dass er es zumindest versuchen muss, Antonio Conte einzustellen und bereits am Tag nach der Wahl gab es ein erstes Telefonat zwischen Tavecchio und Conte.
Das Gespräch verlief sehr gut, es gab nur ein Problem: Contes Gehaltsvorstellungen. 3,6 Mio. € netto verdient Conte im Jahr, mit Bonuszahlungen könnte sich das Gehalt sogar auf fast 5 Mio. € erhöhen.
Möglich gemacht wurde dies vor allem durch den Sponsor Puma, denn der FIGC zahlt weniger als die Hälfte von Contes Gehalt, da Tavecchio bei Puma anfragte.
Puma sieht die Einstellung von Conte als Investition in die Zukunft, schließlich profitiert ja auch Puma von guten Leistungen Italiens, und sagte schließlich seine Unterstützung zu.
Zudem ist der Vertrag des neuen Teamchefs sehr Leistungsbezogen: es gibt einen Bonus für die erfolgreiche Qualifikation für die EM 2016, einen für das Erreichen des EM Finales 2016 und eine weitere Bonuszahlung für eine Verbesserung des Fifa-Rankings von aktuell Platz 14 auf mindestens Platz 9.
Für Aufregung sorgte Contes Gehalt trotzdem, Il Secolo XIX zum Beispiel titelte, dass Contes Gehalts ein schlechtes Zeichen in der Krise sei. Auch andere Medien gaben sich ebenso wenig begeistert.
Natürlich verdient der Ex-Juve Trainer nicht wenig, doch dass die Summen im Fußball schon lange unglaublich hoch und auch krisenunabhängig sind, ist sicher keine neue Erkenntnis.
Während die besten italienischen Trainer aber zumeist im Ausland arbeiten und man hier in Italien schon von einem Brain Drain sprechen kann, ist es allerdings auch sehr schön zu sehen, wenn solch ein guter Trainer wie Conte – der übrigens der erste Teamchef aus dem Süden Italiens ist – in Italien gehalten werden kann.
Auch wenn dieser dann eben ein wenig mehr verdient. Und für den schon bei Amtsantritt umstrittenen Carlo Tavecchio kommt es natürlich auch nicht schlecht, wenn er schon nach zwei Tagen als Verbandspräsident den Trainer präsentieren kann, der Juventus gerade zu drei überzeugenden Meistertiteln in Serie geführt hat.
Für Antonio Conte ist die derzeitige Situation durchaus zu vergleichen, mit jener im Sommer 2011, als er gerade Juventus übernommen hat. Die Mannschaft war damals in der Krise und landete zwei Mal in Folge in der Serie A auf Platz 7. Italien dagegen scheiterte zwei Mal in Folge in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft.
Bei Juventus stellte sich Conte damals mit den Worten „die Geschichte sagt, dass man hier gewinnen muss, e basta!“, vor. Diese Siegmentalität muss er nun auch zum italienischen Nationalteam bringen. Überhaupt, Siegermentalität, ist wohl das Wort, welches Conte als Trainer am besten beschreibt.
Er ist nicht unbedingt ein großer, innovativer Taktiker, aber ein Trainer, der seine Mannschaft perfekt einstellt und die seine Vorgaben genau umsetzt und immer 100% gibt.
Gerade an der Einstellung haperte es in den vergangenen Jahren sehr oft beim Nationalteam, die schlechte Platzierung in der FIFA Weltrangliste hängt nämlich auch stark mit den schwachen Leistungen in Freundschaftsspielen zusammen.
So spielte Italien unter Prandelli etwa gegen Mannschaften wie Haiti oder Luxemburg nur Unentschieden. Ergebnisse, die es unter Contes Führung sicherlich seltener geben wird.
Das machte der neue Teamchef bei seiner Präsentation in Rom sofort klar: „Ich lebe für den Sieg, wenn ich verliere gibt es einen Scheintod in mir. Ich bin hier um meine Mentalität hierher zu bringen.
Ich bin hergekommen um klarzumachen, welchen Unterschied es zwischen verlieren und gewinnen gibt“. Wenn man diese Worte von Antonio Conte hört, merk man schnell: seine Tochter hat er nicht zufällig Vittoria genannt. Mit Contes Mentalität sollte Italien auch bei den großen Turnieren wieder bessere Leistungen abliefern.
Sicher ist, dass mit Conte ein anderer Führungsstil in Coverciano, wo sich das italienische Trainingszentrum befindet, Einzug halten wird. Wie viel Conte jedoch sportlich verändert ist noch unklar.
In den meisten Medien wird spekuliert, dass er anfangs das 3-5-2 von Juventus auch beim Nationalteam einführt, später aber auf ein 4-3-3 oder 4-2-3-1 umstellt. Mit Buffon, Bonucci, Barzagli, Chiellini, Marchisio und Pirlo standen bei der WM 2014 gleich sechs Spieler von Juventus im Kader, was sicherlich auch für Conte ein Vorteil sein wird.
Schon zuvor waren diese Spieler Schlüsselspieler im Nationalteam und auch Conte wird sein Team voraussichtlich um diese Leute herum aufbauen.
Da er dem bei Milan aussortierten Andrea Pirlo bei Juve zu seinem zweiten Frühling verhalf, ist davon auszugehen, dass der Mittelfeldregisseur sich dem Nationalteam weiterhin zur Verfügung stellen wird.
Wie sinnvoll es ist, weiterhin mit dem 35-jährigen Spielmacher zu planen, ist eine andere Frage, die starke Juventus-Fraktion im Nationalteam ist aber dennoch ein weiterer Punkt, der für Conte spricht.
Tavecchio hat daher sicherlich die bestmögliche Lösung gefunden. Ob jetzt aber alles besser wird, ist trotzdem noch fraglich. „Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg“, schrieb Arrigo Sacchi in einem Kommentar in der Gazzetta dello Sport.
Er lobt Conte als einen der besten Trainer der Welt, sieht aber Probleme im Verband sowie allgemein im italienischen Fußball. „Conte hat alle nötigen Qualitäten, aber er ist kein Magier“, schreibt Sacchi.
Conte wird durchaus Probleme haben, da „der italienische Fußball im Moment immer noch durch Chaos gekennzeichnet ist“. Tavecchio muss einiges ändern, denn immer noch stehen persönliche Machtinteressen im Vordergrund, nicht der Fußball, behauptet die italienische Trainerlegende.
Die Organisation zwischen Verband und den Klubs laufe laut Sacchi in Deutschland und Spanien weitaus besser ab. „Auch auf fußballerischen Level sind wir zurückgeblieben, wir haben keine klare Spielphilosophie – wenn nicht das alte Hintenreinstellen und Kontern – wie etwa die Deutschen oder Spanier.“
Mit der Entscheidung Conte einzustellen hat Tavecchio bisher alles richtig gemacht, nur Bedarf es im italienischen Fußball einiger Veränderungen, denn Contes Erfolg ist eben auch von vielen externen Faktoren abhängig.
Während Cesare Prandelli einiges änderte, das Image aufbesserte und vor allem der Jugend einen höheren Stellenwert gab, wird es daher sehr interessant zu sehen sein, inwiefern sich Conte, der als eine Art Supervisor auch über die italienischen Nachwuchsauswahlen wacht, in solche Angelegenheit einmischt und Veränderungen vorantreibt.
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