Sport Lisboa e Benfica, im deutschen Sprachraum als Benfica Lissabon bekannt, ist alles andere als ein gewöhnlicher Verein. Die Hauptstädter sind der erfolgreichste Klub Portugals und neben dem Erzrivalen vom FC Porto das einzige portugiesische Team von Weltrang.
Dazu sind laut einer UEFA-Studie 47% aller Portugiesen Anhänger von Benfica, ein Rekord in Europa. Bei der FIFA-Wahl zum Klub des vergangenen Jahrhunderts wurde der Verein immerhin auf Platz 12 gerankt.
Im Rahmen unserer neuen Serie Durch die Saison mit Benfica wollen wir uns an einer kurzen Geschichte von O Glorioso versuchen.
Aber keine Sorge, der folgende Text soll weniger eine staubtrockene Chronologie sein, als vielmehr eine Sammlung von Anekdoten und Fakten, die euch den ganz besonderen Glanz der Adler vermitteln sollen.
Der Weg zum Weltklub
Benfica wurde im Februar 1904 von einer Gruppe ehemaliger Schüler als Sport Lisboa gegründet. Schon am Tag der Gründung wurden die bis heute bestehenden Farben, das Wappentier und das Motto E pluribus unum (“Aus Vielen eines”) festgelegt.
Obwohl Sport Lisboa die Mehrzahl seiner ersten Begegnungen siegreich gestalten konnte, litt der Verein unter finanziellen Engpässen und unzumutbaren Spielstätten.
Aufgrund dieser widrigen Umstände wechselten 1907 acht Spieler zu Sporting CP, die Geburtsstunde der Rivalität zwischen Águias und Leões.
1908 schloss sich der Verein mit der Grupo Sport Benfica zusammen und eine Fahrradfelge wurde ins Logo aufgenommen.
Die 1934 gegründete portugiesische Fußballliga dominierte man zusammen mit Sporting und Porto von Beginn an. Ab 1950 stellte sich auch internationaler Erfolg ein als man als erster und einziger portugiesischer Klub den Coupe Latine (Pokalwettbewerb für Teams aus Spanien, Italien, Frankreich und Portugal) gewinnen konnte.
Vier Jahre später wurde das Estádio da Luz mit einer Kapazität von 30.000 Zuschauern eröffnet, welches später sogar auf 120.000 Plätze erweitert wurde.
Angeführt vom jüdisch-ungarischen Erfolgscoach Béla Guttmann war Benfica neben dem FC Barcelona der einzige Verein, der die europäische Hegemonie Real Madrids und seiner Superstars Alfredo Di Stéfano und Ferenc Puskás durchbrechen konnte. So gewannen die Lissabonner den Europapokal 1961 gegen die Katalanen und 1962 gegen die Galaktischen aus Madrid selbst.
In den 60er Jahren hatte man die heimische Liga zudem fest im Griff. Im Jahrzehnt von Vietnamkrieg, Studentenbewegung und Beatles gewann SL Benfica acht Mal die Liga und drei Mal den nationalen Pokalwettbewerb.
Einer der absoluten Leistungsträger aus dieser Ära war der aus Mosambik stammende Eusébio. Der pantera negra ist bis heute der einzige Spieler, der in Diensten eines portugiesischen Klubs den Ballon d’Or gewinnen konnte.
In 440 Pflichtspielen kam er für Benfica auf 473 Tore und ist damit der unangefochtene Toptorschütze der Scharlachroten.
Nicht umsonst galt der WM-Toptorschütze von 1966 bis zum Durchbruch Cristiano Ronaldos als größter Sportler in der Geschichte Portugals.
Nach 1962 konnte der bis 2015 mitgliederstärkste Verein der Welt jedoch keine Titel mehr auf europäischer Bühne erringen. Die Europapokal-Finalspiele gegen Milan 1963, Inter 1965 und ManU 1968 gingen allesamt verloren.
Und die vermeintliche Ursache dieser bis heute anhaltenden internationalen Titeldürre hat es in sich.
Der Guttmann Fluch
Direkt nach dem siegreichen Finalspiel (5:3) gegen Real Madrid 1962 soll Benficas Trainer Guttmann die Vereinsoberen in der Loge des Amsterdamer Olympiastadions aufgesucht haben.
Während auf dem Feld der alternde Ferenc Puskás dem Youngster Eusébio symbolträchtig sein Trikot überreichte, wurde der Starttrainer von seinen Vorgesetzten vor den Kopf gestoßen.
Dem legendären Coach wurde eine vorher zugesagte Gehaltserhöhung oder Prämienzahlung – so genau weiß man das nicht mehr – verwehrt. Dem Mythos nach soll Guttmann den Verein mit folgenden Worten verflucht haben: „Benfica wird die nächsten 100 Jahre keinen Titel mehr in Europa gewinnen!“
Die Verfluchung erweist sich noch immer als folgenschwer. Fünf Finalspiele im Europapokal der Landesmeister, eins im UEFA Cup und zwei Endspiele in der Europa League, sie alle gingen verloren.
Kurz vor dem Landesmeisterfinale 1990 gegen Milan soll sogar Eusébio das Grab seines ehemaligen Trainers im neuen jüdischen Friedhof auf dem Wiener Zentralfriedhof aufgesucht haben, um Guttmann um eine Aufhebung des Fluchs zu bitten.
Die Maßnahme schaffte genauso wenig Abhilfe wie die Errichtung einer Bronzestatue Guttmanns 2014 im neugebauten Estádio da Luz.
Inzwischen haben die Adler acht Europapokal-Endspiele in Serie verloren, ein trauriger Rekord. Selbst die UEFA Youth League Finals von 2014 und 2017 konnte man nicht für sich entscheiden.
Auf nationaler Ebene dagegen konnte Benficas Vormachtstellung lange nicht gebrochen werden.
Doch in den 90ern durchlebte der Verein die schwierigste Zeit seiner jüngeren Vergangenheit. Eine katastrophale Personalpolitik bedingte zunehmend eine finanzielle Schieflage, sportliche Erfolge wurden immer seltener.
Zwischen 1994 und 2003 hatte Benfica elf Übungsleiter und 1999 unterlag man Celta Vigo im UEFA Cup mit 0:7, die höchste Vereinsniederlage auf europäischem Parkett. Zwischen 2001 und 2003 war man für zwei Spielzeiten nicht einmal international vertreten.
2003 gab es mit der Eröffnung des neugebauten Estádio da Luz immerhin einen Lichtblick im wahrsten Sinne es Wortes. Der Fußballtempel ist ein würdiger Nachfolger für seinen monumentalen Vorgänger und heute die wohl schönste Spielstätte der UEFA Kategorie 4.
Kleines Bonmot am Rande: Der Legende nach gewinnt Benfica seine Heimspiele, wenn Weißkopfseeadler Vitória zwei Rundem um das Stadion dreht. Landet der Raubvogel allerdings schon nach einer Runde, so siegen die Gäste.
2004 konnte der nationalen Titeldürre schließlich ein Ende gesetzt werden als man José Mourinhos legendäres Porto-Team im Pokalfinale bezwang.
Auch wenn die Löwen von Sporting die großen Stadtrivalen sind, so sind die Drachen aus Porto die eigentlichen Erzrivalen.
O Clássico
Die Rivalität zwischen Benfica und Porto verkörpert auch den Konkurrenzkampf zwischen dem wohlhabenden politischen Zentrum im Süden des Landes und der zweitgrößten Stadt Porto im industriell geprägten Norden. Ein bekanntes portugiesisches Sprichwort etwa besagt: „In Porto arbeiten sie, in Lissabon geben sie das Geld aus.“
Haarsträubende Geschichten von Polizeirazzien, Spionage, gehackten E-Mails, Bestechungsgeldern und sogar von eingesetzten Hexern speisen die hitzige Rivalität zwischen den Encarnados und den Azuis e brancos.
Dass auch ehemalige Spieler die bittere Fehde bis heute verinnerlicht haben bewies u.a. der ehemalige Porto-Spieler James Rodríguez bei Bayerns Auswärtsspiel in Lissabon in der letzten Saison.
Bei seiner Auswechslung zeigte er mit seiner Hand eine fünf an um an einen 5:0 Sieg Portos im Clássico Jahr 2010. Wie beabsichtigt brachte der Kolumbianer das Stadion zum kochen und zog ein gellendes Pfeifkonzert auf sich.
Obwohl Benfica 2005 den ersten Ligatitel seit 1994 gewinnen konnte, war das neuangebrochene Jahrtausend bis 2014 klar in Hand der Nordportugiesen.
Unter der Ägide von Jorge Jesus und später Rui Vitória drehten die Adler den Spieß um und gewannen zwischen 2014 und 2017 vier Meisterschaften in Folge, Benficas erster tetra. Ein möglicher fünfter Titel in Folge wurde vom FC Porto 2018 zunichte gemacht.
Zudem erreichte man unter Jesus 2013 und 2014 das Finale der Europa League.
Als amtierender Meister hat Benfica wieder die Oberhand im portugiesischen Fußball und ist ähnlich wie der FC Porto eine der führenden Talentschmieden Europas.
Benficas hochmodernes Nachwuchszentrum (Text folgt!) entwickelt inzwischen Toptalente am Fließband und erwirtschaftet dem Verein damit atemberaubende Ablösesummen, Stichwort João Félix.
Auch wenn Benfica sportlich sicherlich nicht mehr zu den 1A Adressen Europas gehört, ist der traditionsreiche Klub aus Lissabon weiterhin einer der spannendsten.
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