(Grafiken: Erstellt von Cavanis Friseur / © Footyrenders)
Vor wenigen Wochen stieg Bournemouth aus der Premier League ab und Erfolgstrainer Eddie Howe verließ den Verein nach acht Jahren im Amt. Noch vor wenigen Jahren bestachen die Cherries mit ihrem modernen und ballbesitzorientiertem Fußball.
Seit 1-2 Jahren wussten die Südengländer aber nur noch selten zu glänzen und fielen eher durch Transferflops auf. Der Abstieg des AFC Bournemouth aus der Premier League zeichnete sich lange ab, doch erst seit dem letzten Spieltag ist er Gewissheit.
In unserem Text wollen wir einen Blick auf die möglichen Gründe für den Abstieg in die Championship werfen. Dabei sehen wir mögliche Parallelen zwischen Trainertalent Eddie Howe und Jürgen Klopp.
Aufstieg unter Eddie Howe
Wie wir bereits in unserem ausführlichen Bournemouth-Text vor einigen Jahren erklärten, übernahm Eddie Howe die Südengländer in der League Two, als sie von akuten Abstiegssorgen geplagt wurden und finanziell vor dem Aus standen.
Dank moderner Methoden und der tollen Arbeit des talentierten Trainers gelang den Cherries aber nicht nur der Klassenerhalt, sondern in den darauffolgenden Jahren auch der Aufstieg in die League One, Championship und in der Saison 2014/15 sogar der erstmalige Aufstieg in die Premier League.
Mit No-Names aber ballbesitzorientiertem Fußball überzeugten die Mannen aus der Grafschaft Dorset in der zweiten englischen Liga und galten in der darauffolgenden Saison als Dark Horse der Premier League.
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Viele prognostizieren dem AFCB keine einfache, dafür aber eine aufsehenerregende Saison – und die Experten sollten Recht behalten. Bournemouth gelang der Klassenerhalt, die Cherries beendeten die Saison 2015/16 auf Platz 16 – auf Rang 14 fehlte nur ein einziger Punkt.
Doch es kam wie es kommen musste: Das verflixte zweite Jahr.
Die ersten Leistungsträger verließen den Verein, wichtige Spieler wie Callum Wilson fielen lange verletzt aus, Neuzugänge aus der Vorsaison – die nicht einzuschlagen wussten – wurden mit Verlust abgegeben oder verzweifelt verliehen.
Kein Wunder also, dass viele Experten eine äußerst schwierige zweite Spielzeit in der PL prophezeiten.
Der misslungene Umbruch
Und sie sollten auch dieses Mal Recht behalten: Eddie Howe war bewusst, dass es seiner Mannschaft an Qualität mangelte, der finanzstarken Konkurrenz regelmäßig Punkte abnehmen zu können. Dementsprechend wurden die Cherries auf dem Transfermarkt aktiv.
Der junge Trainer läutete einen Umbruch ein und holte mit Jordon Ibe (18 Mio Euro), Lewis Cook (7 Mio Euro), Lys Mousset (6,5 Mio Euro), Aaron Ramsdale (940.000 Euro), Emerson Hyndman (ablösefrei) und Nathan Aké (vorerst Leihe) einige junge Spieler.
Zusammen mit Tyron Mings, Benik Afobe und Ryan Fraser hatten die Cherries damit einige Talente in ihren Reihen, die auf einen vielversprechenden Umbruch hindeuteten.
Während sich Aké und Ramsdale als absolute Glücksgriffe herausstellten, erwiesen sich die anderen sowie die teure Leihe von Jack Wilshere und die Verpflichtung von Marc Wilson als Fehlgriffe.
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Eddie Howe scheint in den letzten Jahren versäumt zu haben, seine Mannschaft an die qualitativ bessere Konkurrenz anzupassen und sich einen Plan B aufzubauen. Obwohl durchaus gute Spieler geholt wurden, konnte er sie taktisch nicht integrieren und gab ihnen nur wenig bis gar keine Chancen, sich zu beweisen.
Dabei kam mit Lewis Cook beispielsweise der Kapitän des frischgebackenen U20-Weltmeisters England und junger Leistungsträger von Leed United in den englischen Südwesten. Im ersten Jahr beim AFCB kam der junge Mittelfeldspieler aber nur zu sechs Einsätzen – unter anderem auch verletzungsbedingt.
Erst ab Dezember 2017 avancierte der junge Engländer zum Stammspieler, wurde aber im Vergleich zu seiner Zeit in Yorkshire deutlich defensiver eingesetzt, wo seine Stärken nur selten zum Vorschein kamen.
Ähnlich (oder gar noch schlechter) erging es auch anderen Neuzugängen wie Lloyd Kelly (14,8 Mio Euro), Philip Billing (16,5 Mio Euro), Arnaut Danjuma (18 Mio Euro) und Dominic Solanke (21,2 Mio Euro) – eine ewig lange Liste an Transferflops, die nicht nur Schuld des schlechten Recruitments ist.
Eddie Howe beharrte nämlich auch auf seinem Plan und zeigte sich taktisch wenig flexibel.
Den jungen Trainer hierfür jedoch zu sehr zu kritisieren, wäre meiner Meinung nach falsch: (junge) Menschen machen Fehler. Wer mit seinen Methoden jahrelang Erfolg hat, der ist von jenen auch sicherlich überzeugt und übersieht womöglich, dass bereits kleine Veränderungen große Wirkungen haben könnten.
Eddie Howe: Kein Plan B (oder zumindest zu spät)
Je mehr sich die Personalien aber änderten, desto wichtiger wären taktische Anpassungen gewesen.
Änderungen gab es zwar – jedoch nicht zum Guten. Da die Strategie der Cherries sehr vorhersehbar war und sich immer mehr Teams, immer besser auf den AFCB einstellten, schnitt Howe das Spiel auf seine Leistungsträger zu.
Zwar setzte Eddie Howe weiterhin auf einen tiefen Spielaufbau, der Fokus schien nun jedoch weniger auf Ballbesitz und das Grundgerüst, sondern immer mehr auf das schnelle In-Szene-Setzen vereinzelter Spieler gerichtet zu sein. Also das genaue Gegenteil dessen, was Bournemouth bislang so stark machte.
Zum Vergleich: In dieser Saison hatten die Cherries durchschnittlich gerade mal 45,6 % Ballbesitz – der sechstniedrigste Wert der Liga. Im ersten PL-Jahr lag dieser noch bei rund 51 %, womit man in den Top-10 der Liga rangierte.
Auch die Zahl der Key Passes sank stark: Mit 9,4 Key Passes pro Spiel gehörten die Bournemouthians einst zu den besten Teams des Landes. Mit gerade mal 7,4 Schlüsselpässen ist der AFCB in der Premier League-Tabelle diese Saison jedoch lediglich auf Rang 18 zu finden.
Diese Differenz mag auf den ersten Blick gering wirken, macht hochgerechnet auf 38 Liga-Matches allerdings einen großen Unterschied aus.
Damit ist nicht mehr das Team der Star, sondern vereinzelte Leistungsträger in der Offensive, von denen die Cherries stark abhängig waren.
Beispiele für diese Abhängigkeit sind vor allem in der Offensive zu finden. So sind die Spiele von Bournemouth immer dann von Erfolg gekrönt, wenn Callum Wilson, David Brooks oder Ryan Fraser gut spielen.
Steht einer der drei jedoch nicht auf dem Platz oder hat einen schlechten Tag, so kann man bereits früh davon ausgehen, dass die Cherries ohne Punkterfolg bleiben. Insbesondere wenn der Gegner nicht auf die Pressing-Trigger-Fallen des AFCB reinfällt.
Zu sehen war dies insbesondere als Ryan Fraser, seinen Ende Juni auslaufenden Vertrag nicht verlängern wollte und der AFCB zum Re-Start nicht mehr auf den flinken Flügelstürmer setzte.
Aber auch der verletzungsbedingte Ausfall des offensiven Mittelfeldspielers David Brooks hinterließ seine Spuren:
Bournemouth mit und ohne David Brooks
2018/19 mit Brooks | 2019/20 ohne Brooks |
30 Spiele – 51 Tore | 29 Spiele – 29 Tore |
1,7 Tore pro Spiel | 1,0 Tore pro Spiel |
12 S, 5 U, 13 N | 7 S, 6 U, 16 N |
Quelle: transfermarkt.de
Zugleich bestätigte sich jedoch auch der Eindruck, dass Howe es über die Jahre verabsäumte, einen alternativen Plan für seine Teams zu finden.
Die Abhängigkeit von Fraser (sowie Brooks und Wilson) führte dazu, dass Bournemouth in den ersten Liga-Spielen nach dem Re-Start nur wenig Erfolge feierte – vier Mal in Folge ging der AFCB leer aus. Selbst gegen formschwache Teams wie Newcastle United (1:4) taten sich die Südwestengländer schwer.
Steve Bruce kannte sichtlich den Plan der Cherries und attackierte gegen das Team aus Bournemouth früh. Der AFCB hatte große Probleme und konnte sein Spiel einfach nicht aufziehen – wir können uns nur wiederholen: Es braucht auch einen Plan B.
Hinzu kommt noch das starke Underperformen der Spieler – abgesehen von Junior Stanislas und Harry Wilson, die stark overperformten – lag ein Drittel des Kaders weit unter dem Non Penalty-xG minus xG-Wert. Allen voran Starstürmer Callum Wilson: Die Conversion Rate des Stürmers sank im Vergleich zur Vorsaison von 21,3% auf gerade mal 15,7%.
Ein wichtiger Bestandteil des Trainergeschäfts ist auch Überzeugungsarbeit. Eddie Howe muss die Spieler für sich gewinnen und sie von seiner Strategie überzeugen – was bei 22 Niederlagen in 38 Liga-Matches jedoch sehr schwer fällt.
Parallelen zwischen Howe & Klopp?
Gegen Ende der Saison, als sich die Schlinge um dem Hals der Rot-Schwarzen immer enger zog, änderte Howe endlich seinen Plan und hätte beinahe sogar noch den Klassenerhalt geschafft – unter anderem auch dank der Rückkehr des wiedergenesenen David Brooks.
In den letzten fünf Liga-Spielen verlor Bournemouth nur zwei Mal – sowohl gegen Southampton (0:2) als auch gegen Man City (1:2) erbrachten die Cherries eine hervorragende Leistung und mussten sich nur knapp geschlagen geben.
Gegen Tottenham (ein unglückliches 0:0) sowie gegen Leicester City (4:1) sowie am letzten Spieltag gegen Everton (3:1) konnte der AFCB erneut überzeugen, der Abstieg war jedoch trotz dessen besiegelt.
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Nach den letzten Jahren sieht der Autor dieses Textes einige mögliche Parallelen zum Krisenjahr von Jürgen Klopp beim BVB.
Der heutige Erfolgstrainer von Liverpool kämpfte 2014/15 im Ruhrgebiet mit dem schmerzlichen Abgang von Robert Lewandowski. Die Verpflichtungen von Ciro Immobile, Matthias Ginter, Adrian Ramos und Kevin Kampl sowie die Rückhol-Aktionen von Shinji Kagawa und Nuri Sahin erwiesen sich jedoch als Fehlkäufe.
Der Zauber von Jürgen Klopp verflog mit jeder Niederlage ein Stück mehr. Pech klebte an den Füßen der Spieler, die Abhängigkeit von vereinzelten Leistungsträger (die verletzt ausfielen) und der Eindruck, dass die Konkurrenz den Plan des Erfolgstrainers durchschaut hatte bzw. Klopp keinen Plan B hatte, wurde immer stärker.
All diese Punkte sind Probleme, mit denen Eddie Howe auch in Bournemouth zu kämpfen hatte. Der fehlende Ersatz von Leistungsträgern, die mangelnde Integration von neuen Spielern, Pech sowie die bekannte Abwärtsspirale. Hinzu kam noch die mangelnde Erfahrung von Howe, wie man agieren muss, wenn die Erfolge mal ausbleiben.
Nach seinem Abgang aus Dortmund entwickelte sich Jürgen Klopp jedoch weiter und bewies in Liverpool abermals sein Können, baute bei den Reds ein ähnlich beeindruckendes Team wie beim BVB auf und feiert nun historische Erfolge.
Ein Hauch davon war auch in den letzten Premier League-Matches der Cherries zu spüren. Mit dem Abweichen von Plan A zeigte sich erstmals seit Langem wieder das taktische Genie von Eddie Howe.
Seine Mannschaft spielte deutlich vertikaler und präsentierte sich dominanter, schneller und frischer. Zudem war die Defensive deutlich organisierter, weniger ungestüm oder forsch.
Schade nur, dass diese Trendwende zu spät kam. Mit etwas Glück gegen Tottenham und Man City hätte der Abstieg in die Championship sogar noch verhindert werden können, immerhin fehlte am Ende nur ein einziger Zähler auf Aston Villa.
Viele Leistungsträger wie Nathan Aké (wechselt für 41 Millionen Euro zu Man City), David Brooks, Josh King & Co. werden den Badeort an der südenglischen Küste nun wohl verlassen. Auch der Abgang des jungen Erfolgstrainers steht bereits fest.
Nach insgesamt fast zehn Jahren im Amt, davon zuletzt acht am Stück, wird Eddie Howe Bournemouth verlassen. Wohin die Reise geht, ist noch offen. Howe ist aber noch jung und dürfte – so hoffen wir – angesichts der letzten Spiele aber aus seinen Fehlern gelernt haben.
Wenn er bei seiner zukünftigen Station wieder die Zeit bekommt, ein Team aufzubauen, das seinen Vorstellungen entspricht, dann sind wir uns sicher, dass Howe erneut Erfolge feiern und für Euphorie sorgen wird.