Warum der FC Arsenal endlich wieder sexy ist

Dies ist ein Gastbeitrag von Jannek Ringen

Ende August 2021, der FC Arsenal steht nach drei Spieltagen mit 0:9 Toren und null Punkten am Tabellenende der Premier League. Niederlagen gegen Titelverteidiger Manchester City, Champions-League-Sieger Chelsea und Aufsteiger Brentford sorgten dafür, dass die Gunners die rote Laterne trugen.

Konträrer könnte die Situation um die Nordlondoner knapp ein Jahr später kaum sein. Ende August 2022 führten die Kanoniere die PL-Tabelle mit 12 Punkten und 11:3 Toren nach vier Spieltagen souverän an.

Die Gegner waren mit Crystal Palace, Leicester City und den beiden Aufsteigern Bournemouth und Fulham zwar nicht gerade in den oberen Tabellenregionen anzusiedeln, jedoch macht sich neben der Spielfreude auch eine gewisse Konstanz beim Team von Mikel Arteta breit.

Unter der Woche gelang sogar der fünfte Sieg zum Start gegen Aston Villa. Doch was passiert aktuell beim FC Arsenal und wie lässt sich dieser Höhenflug erklären?

 

Arsenals Wiederauferstehung: Geschichte und harte vergangene Jahre

Der FC Arsenal ist einer der größten Clubs auf der Insel und damit auch einer der prestigeträchtigsten in ganz Europa. Nachdem man unter Arsène Wenger seine absolute Hochphase Anfang der 2000er hatte (man erinnere sich an die Invicibles um Thierry Henry, Patrick Vieira und Dennis Bergkamp), mussten die Fans der Gunners in den vergangenen Jahren härtere Zeiten durchmachen.

In der Saison 2016/17 verpasste man erstmals seit zwei Jahrzehnten die Teilnahme an der Königsklasse. Nach drei Spielzeiten in der Europa League und einem verlorenen Finale gegen den Stadtrivalen FC Chelsea, verpassten die Nordlondoner zweimal in Folge die Teilnahme am Europapokal.


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Für Arsenal-Fans ein ungewohntes Gefühl, dass unter der Woche die Lichter im Emirates Stadium nicht für eine Europapokalnacht erstrahlten. Im letzten Jahr landete man auf dem fünften Platz und verlor den Champions-League-Platz im Saisonendspurt an den Erzrivalen aus Tottenham. Trotz einer unruhigen Saison steigerte sich der FC Arsenal im Verlaufe und mausert sich aktuell langsam wieder zu einem ernstzunehmenden Topteam.

 

Geduld in Nordlondon: Festhalten an Arteta

Zwei achte Plätze und ein fünfter Platz, das ist die Ligastatistik von Mikel Arteta. Bei einem Verein mit den Ansprüchen des FC Arsenals könnte man meinen, dass auf der Trainerposition die Rochade angeschmissen würde. Die Verantwortlichen des Clubs vertrauten jedoch weiterhin auf die Fähigkeiten ihres ehemaligen Mittelfeldstrategen.

Arteta ist zurzeit der jüngste Trainer der Liga. Als Co-Trainer von Pep Guardiola bei Manchester City konnte der 40-jährige Baske von einem der besten seiner Zunft lernen. Denkt man zurück an seine Zeit als Spieler, sieht der Zuschauer einen typischen spanischen Mittelfeldspieler. Ruhig am Ball, technisch und taktisch bestens geschult.

Die Kritik an Arteta wurde in den vergangenen Jahren aber immer wieder laut, da sein Team den Ansprüchen hinterher lief und ihm unterstellt wurde, dass er die Mannschaft nicht unter Kontrolle hätte. In den Spielen hagelte es oft Platzverweise für überharte Fouls oder Disziplinlosigkeiten.


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Auch neben dem Platz leisteten sich Führungsspieler wie Granit Xhaka oder Pierre-Emerick Aubameyang den ein oder anderen Aussetzer. Vor der Saison 2021/22 wurde Arteta sogar als erste Trainerentlassung gehandelt. Trotz einem katastrophalen Start in die Saison blieb er jedoch im Amt und belohnte das in ihn gesetzte Vertrauen mit einer insgesamt starken Saison.

In der Doku von Streaminganbieter Amazon wurde deutlich, dass Arteta neben seinem Fußballsachverstand auch durchaus als Menschenfänger angesehen werden kann.

Der einstige spanische U21-Nationalspieler setzte immer wieder neue Impulse in seinen Ansprachen und brachte kreative Elemente, wie Ansprachen von jahrelangen Mitarbeitern oder Videos der Familien mit ein.
Der junge Übungsleiter ist demnach ist ein erheblicher Faktor, warum der Umbruch beim FC Arsenal gelungen zu sein scheint und die Mannschaft enger zusammengerückt ist.

 

Arsenal in der Analyse: Erfahrene Zentrale gepaart mit jugendlicher Leichtigkeit in der Offensive

Unter Arteta laufen die Gunners zumeist im 4-2-3-1 mit Doppelsechs auf. Die Viererkette ist oftmals von einem asymmetrischen Spielstil geprägt, da auf der Rechtsverteidigerposition mit Ben White oder Takehiro Tomiyasu zumeist ein gelernter Innenverteidiger aufgeboten wird.

Auf der linken Seite gibt das schottische Laufwunder Kieran Tierney keinen Meter und kaum einen Zweikampf verloren. Oft tritt er auch in der Nähe des gegnerischen Tores auf. In der Mitte verteidigen derzeit der torgefährliche, aber fehleranfällige Gabriel und William Saliba, der nach zahlreichen Leihgeschäften in die Ligue 1 schon als Fehleinkauf abgestempelt wurde, sich in dieser Saison jedoch furios zurückmeldete.

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Im Mittelfeld bietet Arteta zumeist eine Doppelsechs auf. In den meisten Fällen wird diese gebildet vom impulsiven Schweizer Granit Xhaka und dem körperlich starken Ghanaer Thomas Partey.

Xhaka ist der defensive Fixpunkt im Mittelfeld und die erste Anspielstation im Übergangsspiel, während Partey, oder in letzter Zeit der junge Sambi Lokonga, eher als Box-to-Box Mittelfeldspieler agieren.

In der offensiven Dreierreihe im Mittelfeld regiert dann das pure Talent. Mit Bukayo Saka und Emile Smith Rowe hat der FC Arsenal zwei vielversprechende Eigengewächse auf diesen Positionen. Smith Rowe schaffte letzte Saison seinen Durchbruch und war gar zweitbester Torschütze des Teams.

Auf Platz eins, dreimal darf man raten, mit Bukayo Saka natürlich das zweite Eigengewächs. Ergänzt wird dies durch die südamerikanische Spielfreude von Gabriel Martinelli, der bisher einen starken Saisonstart hinlegte und das einstige norwegische Wunderkind Martin Ødegaard, welcher in dieser Saison zum Kapitän ernannt wurde.

Da nur drei dieser vier talentierten Spieler in der ersten Elf ran können, muss leider einer mit der Bank vorlieb nehmen.

In der vordersten Linie setzt Arteta, wie typisch für seinen Spielstil und den des FC Arsenal, auf einen spielerisch starken Stürmer statt auf einen klassischen Knipser. Mit Gabriel Jesus konnte sich Arsenal vor der Saison einen jungen Stürmer verpflichten, der sich bereits seit Jahren in der Premier League bei Manchester City bewiesen hat.

 

Wanted: Mitspielender Torjäger

Was einst unter Wenger galt, gilt auch für das Spiel unter Arteta. In der letzten Linie ist ein mitspielender Stürmer gefragt, damit die Nordlondoner mit ihren Kombinationen durch dicht gestaffelte Abwehrketten kommen.

Sicherlich kennt der ein oder andere das Video von Jack Wilsheres Tor gegen Norwich vor ein paar Jahren, das immer wieder auf sozialen Netzwerken geteilt wird. Dieses Tor steht bezeichnend für den Spielstil, den man im Emirates im Idealfall pflegen will.

Am Beispiel Olivier Giroud wird deutlich, dass ein mitspielender Torjäger zu einem erfolgreichen Fußball in Nordlondon beitragen kann. Jahrelang bekleidete der französische Weltmeister die Neunerposition im Emirates und man hatte quasi ein Abo auf die Champions League. Der Franzose ist einer der unterbewertetsten Stürmer der 2010er Jahre.

Mit Alexandre Lacazette verpflichtete man 2017 ebenfalls einen spielstarken französischen Stürmer, jedoch verlernte dieser nach seiner ersten Saison quasi das Toreschießen oder fokussierte sich zu stark auf das Kombinationsspiel. In diesem kam Lacazette in der letzten Linie immer wieder gut zur Geltung, jedoch mangelte es an der Trefferquote.

Bei Pierre-Emerick Aubameyang, der im Januar 2018 kam, stimmte die Torquote auf Anhieb. Der Gabuner kam für viel Geld von Borussia Dortmund nach London und konnte sich in seiner Zeit in der Premiere League sogar einmal die Torjägerkanone sichern.

Seine eingebaute Torgarantie sicherte dem FC Arsenal zwar einige Punkte, jedoch wichen die Gunners so von ihrem über Jahre etablierten Kombinationsspiel ab, da Aubameyang seine Stärken vor allem gegen hoch stehende Abwehrketten ausspielen konnte. Des Weiteren brachte er durch seine Disziplinlosigkeiten immer wieder Unruhe in die Mannschaft.

Die Lösung könnte nun Gabriel Jesus sein. Seine spielerische Qualität stellte er bei Manchester City unter Beweis, denn auch bei den Citizens in der Vor-Haaland-Zeit war das Spiel geprägt von mitspielenden Neunern. Die Verpflichtung von Jesus war für die Verantwortlichen ein klassischer No-Brainer.

Sechs Scorerpunkte in den ersten sechs Spielen zeigen auf, wo der Weg für Jesus und den FC Arsenal hinführen könnte. In Kombination mit den temporeichen Außen und den kreativen Zehnern ist Jesus ein entscheidendes Element im Spiel Arsenals.

 

Statistischer Vergleich

Auch wenn nach sieben Spieltagen bei weitem keine repräsentativen Zahlen vorliegen können, müssen die Zahlen trotzdem herangezogen werden. Der xG-Wert ist im Vergleich zur Vorsaison um 0,16xG gestiegen.

Dieser Wert liegt vermutlich daran, dass Arsenal noch nicht gegen die Topteams gespielt hat, aber man kann trotzdem eine Auffälligkeit sehen: In der vergangenen Saison lagen die Gunners im Schnitt 0,31 Tore pro Spiel hinter ihrem xG-Wert.

So schossen sie zwölf Tore weniger, als sie nach dem xG-Modell hätten eigentlich schießen müssen. In dieser Saison übersteigen die Tore den xG-Wert um 0,35xG pro Spiel. Sollte man diesen Wert halten, würde man statt zwölf Toren weniger, wie in der Vorsaison, 13 Tore mehr als erwartet schießen.

Dies bedeutet, dass die Offensive der Nordlondoner ihre Chancen deutlich besser zu nutzen weiß bzw. sich in bessere Positionen bringen kann. In der Defensive liegen die Zahlen zwar auf einem niedrigeren Niveau, aber sind nicht wirklich aussagekräftig.

Der zweite auffällige Faktor ist die Intensität des Arsenal Spiels. Die Team von Arteta führt mehr Zweikämpfe als in der Vorsaison und greift öfter zum Foul. Außerdem werden die Spieler vom FC Arsenal auch öfter gefoult, weil in dieser Saison vermehrt das 1 vs. 1 Duell gesucht wird.

Gerade die Offensivreihe geht häufiger ins Dribbling als noch in der Vorsaison. Was zudem noch auffällig ist, ist die Quote der erfolgreichen Dribblings pro Partie. In der vergangenen Saison lagen die Gunners in dieser Statistik noch auf dem 14. Rang. Aktuell führt man diese Liste an. Dementsprechend werden beim FC Arsenal die meisten 1 vs. 1 Duelle gewonnen.

 

Ausblick und Ziele: Zurück in die Königsklasse?

Von einem geglückten Saisonstart zu sprechen wäre eine maßlose Untertreibung. Dass Arsenal Liverpool und Manchester City gefährlich werden kann, ist aufgrund mangelnder Erfahrung und der daraus resultierenden Inkonstanz auch sehr unwahrscheinlich.

Nach diesem Saisonstart kann es für die Mannen von Arteta nur das Ziel Top vier mit der damit verbundenen Qualifikation zur Champions League geben.

Am 6. Spieltag ging es zum ersten Mal gegen einen Gegner aus den Big Six. Mit Manchester United trafen die Gunners auf eine Mannschaft, die gerade stark im Aufwind ist und nach zwei Niederlagen zu Beginn der Saison durch drei aufeinanderfolgende Siege wieder in der Spur ist.

Trotz einem höheren xG-Wert, mehr Chancen und mehr Ballbesitz musste sich das Team von Mikel Arteta mit 1:3 geschlagen geben. Als der FC Arsenal auf den 2:1-Führungstreffer drückte und immer weiter öffnete, spielte United zwei Konter gut aus und stellte auf 1:3 aus Sicht des Auswärtsteams.


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Der FC Arsenal verteidigte in dieser Phase des Spiels zu sorglos und zu naiv, denn United ist mit Spielern wie Rashford und Anthony perfekt aufgestellt für aufrückende Abwehrreihen. Dies spielten die Red Devils effektiv aus und beendeten so die starke Serie der Gunners. Das Spiel mit dem Ball war ein erneuter Fortschritt für Nordlondoner.

In Sachen Absicherung und Restverteidigung musste die junge Mannschaft einiges an Lehrgeld zahlen. Auch Rückschläge gehören zu einem Lernprozess dazu.

Geht man davon aus, dass zwei Champions League Plätze an Liverpool und City vergeben werden, bleiben noch zwei Tickets für die Königsklasse offen. Der FC Chelsea, der letztes Jahr auf dem dritten Platz landete kommt nur schleppend in die Saison. Bei Manchester United konnte der Fehlstart gerade so abgewendet werden.

Die Tottenham Hotspur starteten ordentlich in die Saison. Wenn der FC Arsenal Leistungsdellen vermeiden kann, dann könnte es dieses Jahr für die Königsklasse reichen.

Aufgrund der intensiven Saison mit der Weltmeisterschaft im Winter in Katar, wird es viele unberechenbare Komponenten geben. Es wird auf einen breiten Kader ankommen, was sich zum Nachteil für den FC Arsenal herausstellen könnte, da die Kader von United und Chelsea deutlich breiter sind.

Der Spielstil mit der jugendlichen Unbekümmertheit, mit den Kombinationen und Dribblings sorgt jedoch dafür, dass es wieder sexy ist, Fan der Gunners zu sein. Und vielleicht lässt sich dieser Spielstil in der nächsten Saison an einem Dienstag- oder Mittwochabend in Europa zeigen lassen.

Dies war ein Gastbeitrag von Jannek Ringen

(Titelbild: ©Getty Images/Amadeus Marzai)

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