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Ist Andrea Pirlo bei Juventus schon jetzt gescheitert?

Andrea Pirlo hat nach einem halben Jahr Tätigkeit schon eine sehr bewegende Trainerkarriere hinter sich. Es begann mit seiner doch überraschenden Nominierung für die erste Mannschaft, nachdem er gerade mal acht Tage zuvor als neuer Trainer der zweiten Mannschaft seinen Dienst antrat.

Grund hierfür war die Trennung von Maurizio Sarri, nur kurze Zeit nachdem dieser mit der Mannschaft die neunte (!) Meisterschaft in Folge einfahren konnte. Doch Sarri ist ein eigenwilliger Typ, der kaum greifbar scheint.


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Hinzu kommt, dass man in Norditalien nach eben diesen neun nationalen Titeln auch endlich wieder nach europäischer Silberware greifen wollte. Das ging durch das Achtelfinal-Aus in der Champions League gegen Lyon gründlich in die Hose.

Die Benennung von Pirlo erschien logisch. Eine nationale Legende, die auch bei Juve einige Erfolge feiern konnte und generell so ziemlich alles gewonnen hat, was man als Profifußballer gewinnen möchte. Doch nun, nach einem halben Jahr im Amt, entwickeln sich die ersten Risse in der Beziehung.

 

Juventus sehnt sich unter Pirlo nach schönem und erfolgreichen Fußball

Nach der Niederlage gegen Inter Mailand im Januar titulierte die Gazzetta dello Sport bereits, dass Pirlo alles falsch gemacht hat und das seine Mannschaft jegliche Qualität verloren habe. Ein hartes Urteil für die Mannschaft mit dem höchsten Marktwert des Landes.

Bei der Bewertung von Andrea Pirlo als Trainer von Juventus, einer internationalen Top-Mannschaft, schwingt auch immer ein bisschen Wehmut mit.

Als aktiver Spieler wurde er als “Architekt” oder als “stiller Anführer” bezeichnet. Eigenschaften, von denen man sich sofort großen Einfluss auf die Mannschaft gewünscht hat, ohne das große Nebengeräusche aufkommen.


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Tatsächlich schien es nahezu übermütig zu denken, er könne einer Mannschaft sofort die Schönheit seines eigenen Spielstils eintrichtern. Denn der Spielstil soll doch bitte kunstvoll und einfach zugleich gehalten sein.

Hierbei teilt Juve jedoch das gleiche Problem wie alle anderen Teams im Leistungsbereich. Der Terminplan ist so eng getaktet, dass es schier unmöglich scheint, sich die Zeit zu nehmen, einen Plan zu entwickeln. Und das mit einem vergleichsweise kleinen Kader, der zudem noch einen Umbruch dringend nötig hätte.

 

Juventus unter Pirlo: Ein Hauch von Guardiola

So kommt es, dass das Grundgerüst gar nicht mal so schlecht aussieht. Im Ansatz ist mit Ball ein Positionsspiel zu erkennen, eine Spielweise, die man so erwartet hat, wenn man an den Spieler Pirlo denkt. Juventus versucht viele kurze Pässe im Aufbau zu spielen.

Sehr häufig geht es aber über diesen Ansatz nicht hinaus und das Übergangsspiel ist quasi kaum existent, auch weil das Aufbauspiel oft in zu tiefen Zonen stattfindet. Auch erwischt man die Spieler häufiger dabei, dass sie schlichtweg zu geringes Tempo in ihre Passstafetten bringen.

Eine gefährliche Mischung, da Fußballern in diesen Momenten oftmals die Geduld abhandenkommt, was zu vielen Bällen aus der Abwehr in die vorderste Linie führt. Verarbeitungsqualität und Tiefenläufe sind darauf folgend aber exzellent. Hier kann man nun vortrefflich streiten, ob offensive Abläufe gut einstudiert und aufeinander angepasst sind, oder ob die pure Qualität in diesem Mannschaftsteil den Unterschied ausmacht.


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Auffällig ist, dass der Rekordmeister erhebliche Probleme hat, sich gegen ein Team, dass die zentrale gut absichert, Chancen herauszuspielen.

Wird der Ballvortrag vom Gegner auf die Außen gelenkt, sieht sich der ballführende Spieler viel zu häufig in 1-gegen-2-Duellen wieder, was oftmals ein Dribbling unmöglich erscheinen lässt.

In Momente des Gegenpressings und allgemein in der Arbeit gegen den Ball wird gerne auf die situative Mannorientierung zurückgegriffen.

Dadurch ist man jedoch häufiger anfällig gegen Konter, oder aber Verlagerungen, wenn die Mittelfeldzentrale bei ihren starken Herausrückbewegungen auf den Flügel nicht in die Zweikämpfe kommt. Dies passiert ihnen häufig.

Die hohe Anzahl an Gegentoren ist auch der Grund, warum es in Turin nun so langsam aber sicher anfängt zu rumoren. Im Ligavergleich haben sie zwar nicht die schlechteste Abwehr, sie schaffen es aber für einen ernsthaften Titelanwärter zu selten, Spiele zu null zu bestreiten.

 

Ist Pirlo der richtige Trainer für Juventus?

Alles in allem scheint die Basis in Pirlos Spielidee gegeben zu sein. Man möchte dominant auftreten und den Gegner unter hohen Druck setzen, wenn er den Ball hat. Doch scheint es so, als würde man in allen Spielphasen mit seinen Überlegungen noch in den Kinderschuhen stecken.

Das wirft die große Frage auf, ob Pirlo zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Mann für die alte Dame ist. Was aber gar nicht einmal seine Schuld ist, der ganze Verein scheint vor lauter kleinerer Widersprüche selbst nicht so recht zu wissen, wohin die Reise gehen soll.

Dies fängt, wie zu Beginn erwähnt, schon vor der Ära Pirlo an. Man entlässt einen Trainer, der gerade Meister wurde, weil man mehr möchte, verpflichtet aber einen Neuling. Die Mannschaft macht den Eindruck aus Gewinnmaximierung zusammengesetzt zu sein.


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Dabei ist der Zenit mindestens erreicht, oftmals überschritten. Ohne die italienische Liga abwerten zu wollen, wird die Kaderqualität für die Liga selbstverständlich reichen um sich wieder unter die Top vier Teams zu mischen, im internationalen Vergleich sind die englischen Top-Mannschaften, die Bayern oder aber auch Paris mindestens einen Schritt voraus.

Das merkt man auch daran, dass sich, wenn man mal die Namen und Erfahrung in der Defensive betrachtet, sich viel zu viele individuelle Fehler ins Spiel einschleichen.

Im Nachgang kann man Pirlo für das erste halbe Jahr noch nicht viele Fehler attestieren. Allerdings fehlt der ganz große Glamour, die zündende, frische Idee, die ihn vom Rest abhebt. Das kann sich natürlich noch entwickeln, die Gefahr in gewisser Weise den Anschluss zu verlieren besteht jedoch. Gerade in einer Zeit wie dieser, wo viele “externe” in den Fußball drängen. Ein großer Name reicht heutzutage nicht mehr aus.

 

Ein guter Spieler macht noch keinen guten Trainer

Natürlich war Pirlo ein atemberaubender Spieler, der Fußball fast schon zu einem Denksport verkommen ließ, nur um es dabei so einfach aussehen zu lassen, dass jeder Kreisligakicker versuchte aus dem Mittelkreis heraus den Ball durch irgendwelche Schnittstellen zu dreschen. Und kam dann doch mal einer an folgte nur ein stummes, stolzes Nicken.

Doch es ist eine romantische Verklärung, dass ein Spieler seine Werte sofort in sein Traineramt mitnehmen und umsetzen kann. Klar ist, dass es versucht wird, doch das Anforderungsprofil eines Trainers unterscheidet sich elementar zu dem eines Spielers.


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Während jeder Spieler den Sport, jede Position anders interpretieren kann, muss ein Trainer alle Interpretationen unterschiedlicher Spieler unter einen Hut bringen.

Dies gelingt, genau wie die Art, wie er Fußball spielen lässt bisher ausreichend, aber eben nicht ideal. Gepaart mit der Erwartungshaltung des Vereins muss man aufpassen, dass das Projekt nicht komplett nach hinten losgeht.


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Tim Tornow
Hasst Bürokratie, wird dennoch bald das Ungetüm B-Lizenz wagen – einfach nur um seine Spieler noch mehr nerven zu können. Liebt es zu erfahren, was Fußballer aus den Neunzigern jetzt machen und hätte gerne eine Retro-Trikot-Sammlung.

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