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RasenWurzeln: Maccabi München

In der zweiten Folge der neuen Reihe RasenWurzeln – einer Trikotweltreise durch Deutschland – landen wir in München bei einem Verein der so alt ist wie Gheorghe Hagi, Jürgen Kohler oder Hansi Flick, 56 Jahre. Willkommen beim Turn- und Sportverein Maccabi München:

 

München

Die bayerische Hauptstadt ist vermutlich die Fußballhauptstadt des Landes – Bayern und 1860 München haben zusammen mehr (west- und gesamtdeutsche) Meisterschaften errungen als die fünf Berliner (ost- und gesamtdeutschen) Meister BFC Dynamo, Vorwärts und Viktoria Berlin, Hertha BSC und Blau-Weiß Berlin zusammen.

Auch in der Anzahl der Vereine rangiert die Stadt heute nur hinter der bundesdeutschen Hauptstadt Berlin. Die erste Meisterschaft ging dabei 1932, einen Jahr vor der Machtergreifung der Nazis, an den FC Bayern.


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Präsident war damals Kurt Landauer, ein heute in ganz München zurecht geehrter Pionier des Münchner Fußballs. Ein Jahr nach seinem größten Erfolg jedoch trat Landauer, sicher nicht freiwillig, zurück – denn er war nicht nur Münchner, sondern auch Jude.

Der Bayern-Präsident verlor aufgrund seines Glaubens bald auch seinen Job, wurde im KZ Dachau interniert und schließlich aufgrund seines Fronteinsatzes im 1. Weltkrieg freigelassen. Er floh schließlich in die Schweiz und kehrte erst nach dem Krieg wieder zurück nach München. Von 1947 bis 1951 war er so auch erneut Präsident des FC Bayern.

Wie dem legendären Landauer erging es fast allen Juden der Stadt. Kurz vor Ende der Naziherrschaft, 1944, lebten nur noch sieben Juden in der Stadt. Eine Gemeinde von etwa 11.000 Menschen wurde systematisch verfolgt, vertrieben, ermordet.


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Trotzdem kehrten nach dem Terrorregime zurück in ihre Heimat und gründete langsam aber beharrlich eine neue jüdische Gemeinde im Süden Deutschlands auf. Heute ist die Stadt Heimat von etwa 9000 jüdischen Bewohnern und damit der zweitgrößten Gemeinde in Deutschland, nach Berlin.

Auch abseits der jüdischen Gemeinde entwickelte sich München massiv in den letzten 75 Jahren. Seit Kriegsende hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt, so dass heute über 1,3 Millionen Menschen in der Metropole an der Isar zuhause sind. Ein Viertel von ihnen sind Ausländer – viele weitere sind eingebürgerte Migranten oder Kinder von Migranten.


Maccabi München
Das Trikot von Maccabi München (Foto von Sascha Düerkop)

So überrascht es nicht, dass der erste Verein mit einem Verweis auf ein anderes Land, der es in den Profifußball schaffte, aus München kommt – Türkgücü München.

Mit dem FC Bayern in der Bundesliga und dem FC Bayern II, 1860 München, Türkgücü München und der SpVgg Unterhaching kommen damit erstmals gleich fünf deutsche Profimannschaften aus dem Kreis München. Da gleichzeitig der FC Bayern amtierender Triple-Sieger ist, kann man von einer historischen Blüte des Münchner Fußballs sprechen.

 

Maccabi = Juden?

Der TSV Maccabi München wird, wie alle Maccabi-Vereine, gerne als “jüdischer Verein” beschrieben.

Das ist nicht ganz falsch, da der Verein 1965 von einer kleinen Gruppe Holocaustüberlebenden gegründet wurde, um vor allem Juden in München ein gemeinsames sportliches zuhause, in zahlreichen Sportarten, zu geben. Auch der Dachverband der Makkabi-Vereine in Deutschland, zu denen der TSV Maccabi München zählt, bezeichnet seine Mitglieder als “jüdische Turn- und Sportvereine”.

Umgekehrt steht der TSV aber bewusst Spielern und Funktionären aller Konfessionen offen und betont dies immer wieder. So heißt es von Vereinsseite zur Gründungsgeschichte:

“Aus der Erfahrung von Ausgrenzung und Vernichtung bot dieser jüdische Sportverein Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung, Religion und Nationalität einen Ort, an dem Verständigung und Integration durch die friedensstiftende Kraft des Sportes eine echte Chance hatte”.

Präsident Robby Rajber bringt es wie folgt auf den Punkt: “Wir bleiben jüdisch obwohl wir offen sind für alle – das ist die wichtigste Message!”

TSV Maccabi München ist also, wie alle Makkabi-Vereine in Deutschland, ein bewusst allen offenstehender Verein mit jüdischer Geschichte und Prägung.

Er setzt sich immer wieder gegen Antisemitismus und Rassismus, auch im Sport, ein und sieht sich als Brückenbauer zwischen verschiedenen Kulturen – nicht als “nationalistisches jüdisches Projekt”. Der Makkabi-Stern, den die Spieler auf dem Trikot tragen steht für mehr als das Judentum – er steht für eine gewollte Vielfalt und den unermüdlichen Kampf gegen jede Form der Ausgrenzung.


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So überrascht es nicht, dass Maccabi beispielsweise bei der Integration von Flüchtlingen in den Münchener Sport eine Vorreiterrolle spielte und spielt und gleichzeitig dafür sorgt, Vorurteile der eigenen Spieler und der Gegner gleichermaßen abzubauen.

So berichtete etwa der 10-jährige Mohammed Arman Firuz, 10, der 2015 aus Afghanistan nach Deutschland kam der Süddeutschen Zeitung: “Ich spiele seit eineinhalb Jahren Fußball beim TSV Maccabi. Das Vereinswappen ist ein blauer Stern, denn das ist ein jüdischer Verein. Ich habe schon Medaillen und einen Pokal gewonnen. Darauf bin ich stolz, und meine Eltern sind es auch.”

 

TSV Maccabi München!

Der TSV Maccabi München ist also ein echter Amateurverein, der wenig hochtrabende sportliche Ambitionen verfolgt, sondern stattdessen vor allem gesellschaftliche Akzente setzt. Über 900 Mitglieder gehören dem Verein heute an und vor allem seine Jugendvereine verzeichnen Jahr für Jahr große Erfolge auf und abseits des Rasens.

Die zahlreichen Angebote, die der Verein heute der Münchner Jugend macht, werden derart stark nachgefragt, dass die Vereinsheime am vereinseigenen Kurt-Landauer-Sportplatz derzeit erweitert werden müssen – denn der TSV Maccabi ist stolz darauf, kein Kind abzulehnen.

Die Fußballabteilung des TSV Maccabi München unterhält auch eine Herrenmannschaft, ist aber maximal weit vom Profifußball entfernt.

In der Saison 2019/2020 spielte die Mannschaft in der Münchener C-Klasse, der niedrigsten Spielklasse, und wurde dort zehnter von dreizehn Mannschaften. Das sportliche Highlight des Jahres ist beim TSV das alljährliche Kurt-Landauer-Turnier, an dem seit Jahren auch die Jugendmannschaften des FC Bayern teilnehmen.

(Titelbild: © Sascha Düerkop)

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Sascha Düerkop
Trikotsammler, Gründer und Generalsekretär des alternatives Weltverbandes CONIFA und beschäftigt sich hauptsächlich mit afrikanischem Fußball, ozeanischen Inseln und nicht-anerkannten Staaten.

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