Vor etwas mehr als sechs Jahren habe ich Ryan Gauld, einem schottischen Talent von Dundee United, damals gerade mal 18 Jahre jung, eine große Zukunft vorausgesagt.
Der junge Mittelfeldspieler hatte mich begeistert. Elegant schwebte er über den schottischen Rasen, wo man sonst – abgesehen von wenigen Top-Spielern bei Celtic oder Rangers FC – eher robuste Spieler mit wenig Ballgefühl sieht.
Ryan Gauld war jedoch anders. Seine Ballannahmen wirkten eleganter, er war kreativ und deutlich schneller – körperlich wie geistig – und wusste jede Spielszene perfekt zu lesen.
Der junge Offensivallrounder wusste mit beachtlichen Leistungen zu überzeugen und bestach mit 19 Scorerpunkten (acht Tore, elf Vorlagen) in 39 Pflichtspielen – trotz seiner lediglich 18 Jahre.
Ryan Gauld: Wechsel nach Portugal
Dies entging auch dem portugiesischen Traditionsverein Sporting CP nicht. So dass Gauld im Sommer darauf (2014), nur sieben Monate nach meinem Text, einem meiner ersten für Cavanis Friseur, für rund 2,75 Millionen Euro von Dundee United nach Portugal wechselte – obwohl sogar Real Madrid und Liverpool am damals 18-Jährigen interessiert gewesen sein sollen.
Die Erwartungen waren hoch, nicht nur in Schottland, sondern auch bei mir. Über die nächsten Jahre sollte ich die Entwicklung des jungen schottischen Talents, das ich einst als „another new Messi“ bezeichnete, verfolgen. Doch ich wurde enttäuscht.
Denn Ryan Gauld gelang es nicht den Erwartungen gerecht zu werden. In seiner ersten Saison bei Sporting B kam der junge Schotte in 26 Liga-Spielen zwar auf drei Tore und drei Vorlagen, seine Leistungen waren aber voll allem in der zweiten Saisonhälfte mäßig.
In den ersten Monaten wusste Gauld noch mit guten Leistungen zu bestechen, durfte sogar für die Profis in der Taça de Portugal ran und wurde gegen Belenenses im Allianz Cup dank zweier Tore sogar Man of the Match. In den darauffolgenden Monaten sollten seine Performances jedoch stark abfallen.
Sogar so stark, dass er in den verbleibenden elf Liga-Spielen nur noch für 45 Minuten ran durfte und zehn Mal nicht mal im Kader stand – was zum Teil auch an einer alten Verletzung lag.
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Die Jahre vergingen. Zwar gelang es Ryan Gauld sich an den Spielstil und das höhere Tempo der 2. portugiesischen Liga anzupassen, andere Talente bekamen jedoch mehr Vertrauen geschenkt und auch eine Leihe an Vitória Setúbal sollte nicht zum Durchbruch verhelfen.
In der Saison 2017/18 war derdamalige Liga NOS-Aufsteiger Desportivo Aves jedoch durchaus vom Potential und den Leistungen des jungen Schotten angetan, lieh den „schottischen Messi“ für ein Jahr aus und versuchte ihm in einer neuen Rolle zu Höchstleistungen zu verhelfen.
Der mittlerweile 21-Jährige fand sich nun im zentralen Mittelfeld wieder, wo er zwar einige Erstliga-Minuten sammeln, sich aber nie wirklich durchsetzen konnte.
Der Durchbruch will einfach nicht gelingen
Ähnlich erging es dem Schotten in den darauffolgenden Jahren bei Farense in Südportugal sowie seiner Heimat, wo er für sechs Monate bei Hibernian Edinburgh geparkt wurde, verletzungsbedingt aber nur 370 Minuten spielen sollte.
Immer wieder googelte ich seinen Namen und durchforstete sein Transfermarkt-Profil, in der Hoffnung, dass sein Stern in Portugal endlich aufgehen würde – was aber leider nicht geschah. Ich empfand mittlerweile großes Mitleid mit dem jungen Briten und meine Hoffnung sank.
Während sein ehemaliger Teamkollege Andy Robertson, der wie unser Protagonist Dundee United im Sommer 2014 verließ (zu Hull City), in der Premier League groß aufspielen und letztendlich zu Liverpool wechseln sollte, saß Ryan Gauld in Portugal fest, von jeglichen Vereinsverantwortlichen abgeschrieben.
Zwar genoss er in Großbritannien noch immer vergleichsweise hohes Ansehen und galt – womöglich auch aufgrund seines Potentials beim SEGA Football Manager – weiterhin als großes Talent. Den großen Durchbruch schienen in Portugal allerdings nur noch wenige zu erwarten.
Vor allem nicht Sporting-Sportdirektor Marcel Keizer, der zuvor große Talente wie Matthijs de Ligt und Frenkie de Jong förderte. Nach der Rückkehr von seiner Leihe aus Schottland wurde Gauld klar gemacht, dass Sporting CP nicht mehr auf ihn setzte und er sich trotz laufenden Sechs-Jahres-Vertrags einen neuen Verein suchen dürfe.
Ein Wegbegleiter rettet Gaulds Karriere
Gleichwohl hatte Ryan Gauld Glück im Unglück, denn während seiner Zeit beim SC Farense wusste er vor allem CEO André Geraldes zu beeindrucken.
Geraldes war langer Wegbegleiter des Schotten und zwischen 2013 und Sommer 2018 Sportkoordinator bei Sporting, wo der junge Portugiese selbst ein großer Fan des talentierten Schotten wurde.
2018 wechselte Geraldes nach Südportugal und wurde CEO des ambitionierten SC Farense, der weiterhin große Stücke auf den „schottischen Messi“ setzte und ihn aufgrund dessen für ein paar Monate auslieh. In Faro sollte der kleingewachsene, flinke Schotte vor allem am Flügel regelmäßig zum Einsatz kommen.
In der Algarve konnte Ryan Gauld zwar nicht mit Toren oder Vorlagen aufzeigen, fand jedoch seine Freude am Spiel wieder und fühlte sich im Süden Portugals sichtlich wohl.
CEO Geraldes war von dieser Entwicklung angetan und war sich sicher, dass dem mittlerweile 24-Jährige in diesem Umfeld und unter diesen Bedingungen endlich der Durchbruch gelingen könnte, weshalb die Leões de Faro („Löwen von Faro“) den talentierten Briten im Sommer 2019 fest verpflichteten.
Und André Geraldes sollte Recht behalten, denn Ryan Gauld überzeugte nach nur wenigen Wochen mit fantastischen Leistungen – trotz gebrochener Rippe zum Saisonstart. Das Talent des Mittelfeldspielers kam endlich zum Vorschein und seine Performances steigerten sich von Spieltag zu Spieltag.
Ryan Gauld im Porträt: Stärken & Schwächen
In der Algarve trumpft Gauld vor allem mit seinen Allrounderfähigkeiten auf. Im 4-4-2 von Trainer Sérgio Vieira ist der Schotte als rechter (manchmal auch linker) Mittelfeldspieler gesetzt, im 4-4-1-1 kann der einstige “Sporting-Flop” als Spielmacher seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Nach der Verletzung von Fabrício Isidoro fand sich der Offensivmann auch im zentralen Mittelfeld wieder, wo er zwar weniger effektiv ist, die Rolle und die Kapitänsbinde jedoch problemlos übernehmen kann.
Gauld, der mittlerweile fließend Portugiesisch spricht und sportrechtlich einem Portugiesen gleichgestellt ist, gelang es endlich sich an den Spielstil anzupassen und spielt daher nun groß auf – insbesondere wenn der Schotte in der Offensive Freiheiten genießen darf.
Als inverser Flügelspieler zieht der Linksfuß gerne von der rechten Seite mit viel Tempo und enger Ballführung ins Zentrum, wo er entweder eine Anspielstation sucht und seinen Kollegen in Szene setzt oder selbst für Gefahr sorgt.
Mit seinen gerade mal 1,69m, seinem schnellen Antritt und seiner fantastischen Technik ist er von vielen Verteidigern nur schwer zu stoppen, aber auch seine Passgenauigkeit und sein starker linker Fuß sind für Farense Gold wert.
Acht Mal traf Ryan Gauld in dieser Zweitliga-Saison bereits, drei Mal legte der mittlerweile 24-Jährige einen Treffer seiner Mannschaft vor – mit elf Scorerpunkte in 21 Liga-Spielen ist er bester Scorer der Südportugiesen.
Doch auch im Pressing ist der kleine Schotte immens stark. Er presst früh an und gewinnt trotz seiner geringen Größe überraschend viele Bälle im vordersten Drittel und ist dank seines Antritts nach dem Ballgewinn umgehend gefährlich.
„In meiner Zeit als Scout und Trainer habe ich viele gute Spieler gesehen: Eric Dier, Marcos Rojo, Bruma, … aber Ryan Gauld hat noch mehr Potential“
– Farense-Trainer Sérgio Vieira.
„Er hat das Talent und ist auch mental wahnsinnig stark“, so sein Trainer weiter. Die schweren Zeiten dürften ihn gebrandmarkt, aber auch gestärkt haben.
Während seiner Zeit in Südportugal scheint der „schottische Messi“ gereift zu sein und viel dazugelernt zu haben, dieses Gefühl hat man auch, wenn man den 24-Jährigen spielen sieht.
Einerseits sieht man noch immer den jungen, flinken Mittelfeldspieler, zugleich ist Gauld jedoch deutlich spielintelligenter geworden, schafft es mit seinen Dribblings gegnerische Spieler zu binden und so Räume für seine Kollegen zu schaffen, die er ideal bespielt.
Dies kombiniert er mit seiner unfassbaren Schnelligkeit, sein beachtlicher Antritt macht ihn zu Farenses gefährlichster Waffe im Offensivspiel. Die sich künftig in der ersten portugiesischen Liga beweisen darf …
Gauld & Farense: Aufstieg durch Corona
Denn am 5. Mai entschied der LFPF, der portugiesische Verband, dass aufgrund der Corona-Krise die zweite Liga beendet und das erstplatzierte CD Nacional sowie Farense, das nur zwei Zähler hinter dem Spitzenreiter liegt, als Aufsteiger gelten.
Mit seinen fantastischen Leistungen hatte Ryan Gauld damit nicht nur großen Anteil am Aufstieg der Leões de Faro sondern zahlte auch eine große Schuld des in ihn gesetzten Vertrauens von André Geraldes zurück.
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Der Schotte hat nun erstmals in seiner Karriere die Möglichkeit gegen Top-Teams wie Porto, Benfica oder seinen Ex-Klub Sporting groß aufzuzeigen – sollte der Mittelfeldspieler den Verein nicht sogar verlassen.
Der Vertrag von Ryan Gauld läuft zwar noch ein Jahr, doch wie in Portugal üblich musste eine Ausstiegsklausel vereinbart werden, die sich aktuell lediglich auf vier Millionen Euro beläuft.
Nach Jahren des Misserfolgs wird der „schottische Messi“ aber wohl sicher das Momentum nutzen und in der Liga NOS groß aufspielen wollen. Die besten Jahre liegen zudem noch vor ihm. Man kann nur hoffen, dass es für Ryan Gauld von nun an weiter bergauf geht, verdient hätte er es jedenfalls.
Great update on Ryan Gauld Marco. I have also followed Ryan’s career from afar and it’s interesting and impressive that he has stuck with it in Portugal and am now really looking forward to seeing him rip up the top division because surely that must happen in this story? Would be nice to think so anyway. As a Scottish fan I am hoping he really kicks on and gets back into our international team too. The main goal should be to play a full season at the higher level and not look back but enjoy his day to day football. I think the fact that there is a low clause to sell on within the current contract might not be too much of a difficulty for Farense if Ryan is playing well as he will surely be wary of another big move ?
Cheers! Hopefully he keeps on performing on that level!