Wie gut war eigentlich… Pep Guardiola?

Es gibt sie – diese Spezies Mensch, die als Trainer so erfolgreich sind, dass in Vergessenheit gerät, wie gut sie als Spieler waren. Geht man nach Titeln und die Bedeutung für den Fußball, muss Pep Guardiola der Anführer dieser Spezies sein; der Cheftrainer quasi.

Doch wie gut war dieser Guardiola, der in seinem letzten Jahr als A-Jugendlicher noch in der dritten Mannschaft spielte, weil er als zu schmächtig für den „richtigen“ A-Jugend Fußball galt?

Der Spieler, der sich schon damals anschickte, mit seinem Trainer Johann Cruyff den Fußball zu revolutionieren. Auf der so wichtigen Position des Sechsers, dem letzten Anker vor der Abwehr, spielte keine kampfstarke Kante: Nein, da spielte ein kleiner, dürrer Pep Guardiola, über den seine Co-Trainer später spotten sollten, weil er so wenig Tore erzielte.

Guardiola gilt als einer der Vorreiter der modernen Sechs, der statt Grätschen mit Raumkontrolle, statt Tempo mit Stellungsspiel und statt Distanzschüssen mit Spielverlagerungen glänzte. Nicht ganz ohne romantische Note installierte Guardiola bei Barça einen ebenso schmächtigen und langsamen Sergio Busquets statt des robusten und dynamischen Yaya Toure auf der Sechs.

Und wie gut war Guardiola selbst? War er am Ende vielleicht nur ein Spieler, der gut ins System Barcelonas passte? Oder war er wirklich ein herausragender Fußballer, ohne den die Erfolge Barcas nicht möglich gewesen wären?

 

Pep Guardiola als Spieler: Der Vorreiter der modernen Sechs

Josep Guardiola i Sala überzeugte (wenig überraschend) mit der Klarheit und Intelligenz seiner Aktionen. Nie übersah er freie Mitspieler, nie übersah er den Gegenspieler, der in seinem Rücken war. Der Katalane war der typische La Masia Spieler: Seine Trainer bezeichneten ihn als „Schwamm“, der alles Wissen in sich aufsaugte.

Seine Intelligenz äußerte sich in allem, was er auf dem Platz tat: Guardiola war unheimlich ballsicher. Diese Ballsicherheit resultierte aus mehreren Stärken.

Erstens: Der 6-fache spanische Meister fand stets die richtigen Positionen. Als Sechser vor der Abwehr war es Guardiolas Ziel, immer eine Passoption zu bieten; ob für die Außenverteidiger, die Innenverteidiger oder als Rückpassoption für die Offensivspieler – der Pass zu Guardiola war immer möglich.


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Dabei drängte er sich jedoch nicht auf, indem er zu nah an den Ballführenden kam. Stattdessen fand er konstant eine Art „Zwischenposition“, von der aus er für den Ballführenden erreichbar war und selbst unmittelbare Anschlussoptionen besaß. Das sorgte dafür, dass der Sechser selten mehr als zwei Kontakte für seine Aktionen brauchte.

Zweitens: Dem Katalanen entging nichts auf dem Spielfeld. Guardiola genügten verhältnismäßig wenige Schulterblicke, um das Spielfeld zu scannen. Gegenspieler konnten ihn selten überraschen, weil er ihre Bewegung bereits gesehen hatte. Und wenn er sie nicht gesehen hatte, hatte er sie geahnt.

Drittens: Guardiola war technisch außerordentlich stark. Dem 47-fachen spanischen Nationalspieler war es stets möglich, den Ball mit dem ersten Kontakt direkt in seine (ausbaufähige) Dynamik mitzunehmen. Falls er trotzdem in Drucksituationen geriet, löste er sich mit seiner engen Ballführung und kleinen Finten.

 

Nicht nur ballsicher

Jedoch wird das Prädikat „ballsicher“ nicht der gesamten Brillanz Guardiolas gerecht. In seinem Passspiel blitzte ebenfalls die Intelligenz und die Rationalität des Katalanen auf: War ein Mitspieler frei, spielte er ihn an. War ein Mitspieler frei, hatte aber keine guten Anschlussoptionen, spielte Guardiola ihn nicht an.

War ein Mitspieler gedeckt, hatte jedoch eine gute Position, wartete Guardiola, bis sich ein Passfenster auftat – und spielte ihn an. Diese Rationalität war das prägende Merkmal im Spiel Guardiolas: Hatte er Platz, dribbelte er an. Hatte er keinen Platz, spielte er den Ball ab. All das mag wahnsinnig unspektakulär klingen, doch die Konstanz in den Entscheidungen des Sechsers war beeindruckend.


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Selbst seine spektakulären Aktionen wirkten auf den allgemeinen Zuschauer nicht so besonders: Guardiola ließ es so aussehen, als wäre der flache Schnittstellenpass über 25 Meter schlichtweg die einzig logische Lösung gewesen.

Was bei einigen Spielern als „Geniestreich“ gefeiert worden wäre, war bei dem Katalanen die notwendige Konsequenz aus hervorragender Positionierung, Orientierung und Technik.

 

Guardiola defensiv

Und gegen den Ball? Sein schmächtiger Körper, die Weigerung seiner Jugendtrainer, ihn trotz seines Talents in die erste oder zumindest in die zweite Jugendmannschaft zu berufen… die Indizien sprechen für einen defensiven Totalausfall. Guardiola gelang es, die Indizien zu entkräftigen; und zwar mit Beweisen, auch gegen (fußballerisch und körperlich) große Gegner.

Er mag nicht der 1,95m große und 105 Kilogramm schwere defensive Mittelfeldspieler der typischen Kreisliga-Mannschaft gewesen sein, der bei jedem lang geschlagenen Abstoß „Erster Ball!!!“ brüllt.

Pep war eher der Spieler, der im Stillen an den zweiten Ball dachte. Und während unser Kreisliga-Prototyp-Sechser mit voller Wucht in den ersten Ball geht und diesen nicht verarbeiten kann, sammelt Guardiola in aller Seelenruhe den Ball auf – der Meister des zweiten Balls eben.


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Wenn einem Spieler die körperliche Robustheit fehlt, um sich im „Kampf“ um den Ball durchsetzen zu können, muss er dies mit anderen Mitteln kompensieren – bei Guardiola war dies seine Intelligenz, gepaart mit Handlungsschnelligkeit.

Dem 1,80m großen Sechser waren seine Limitationen bewusst, doch das hinderte ihn nicht daran, Unmengen an Bällen wiederzugewinnen. Zwar nur selten per Grätsche, dafür jedoch sauberer als Pässe-Abfänger oder als lose Bälle-Aufsammler.

Im Gegensatz zum Zweikampf ermöglichten ihm diese Art von Ballgewinnen eine unmittelbare Spielfortsetzung. Also wieder logisch und rational denkend. Richtiger Streber, dieser Guardiola. Was konnte der eigentlich nicht?

 

Im Bockspringen nur einer von vielen

Guardiola stellt das Äquivalent zu dem typischen Schul-Streber dar, der in allem besser war als die anderen: Aber beim Bockspringen im Sportunterricht lachten ihn die anderen Kinder aus.

Vereinfacht gesagt: Pep war unathletisch (für einen Profifußballer). Sein Antritt war unterdurchschnittlich, seine Endgeschwindigkeit unterirdisch. Mit 1,80m war er gar nicht sooo klein, allerdings sehr dünn und im Vergleich mit den damaligen Kanten im zentralen Mittelfeld körperlich klar unterlegen.

Meistens fiel dies nicht ins Gewicht (haha), doch in den seltenen Momenten, in dem sein Stellungsspiel nicht ideal war, musste er nun mal in den Zweikampf oder ins Laufduell – mit ungutem Ausgang für ihn.

Außerdem besaß Guardiola technisch eine kleine Schwachstelle: Seine Flugbälle spielte er bevorzugt mit der Innenseite, sodass seine Pässe eine inverse Flugkurve bekamen. Das kann zwar schön aussehen, ist für den Ballempfänger jedoch schwieriger einzuschätzen und zu verarbeiten als ein gewöhnlicher Flugball mit Unterschnitt.

Außerdem ging ihm hierbei etwas die Präzision ab. Seine hohen Seitenverlagerungen waren manchmal in den Rücken des Mitspielers gespielt oder schlichtweg zu hoch.

Eigenartig, wo er sonst technisch absolute Weltklasse darstellte.

 

Auch als Trainer entscheidend

Als ich anfing, mir das erste Spiel von Guardiola für diesen Text anzusehen, waren meine Erwartungen groß. Dem Katalanen wird oftmals zugeschrieben, als Trainer hätte er den Weltfußball verändert.

Weg von den Kanten, deren Aktionen auf ihrer körperlichen Überlegenheit beruhen! Hin zu den spielintelligenten Fußballern, deren Vorteil im Kopf und nicht in den Oberarmen liegt!


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Dabei wird vergessen, dass Guardiola selbst bereits ein Profiteur dieses Denkens war. Ohne Johann Cruyff wäre der Sechser vermutlich nie aus der dritten Mannschaft der A-Jugend in die Weltspitze als Stammspieler des FC Barcelona aufgestiegen. Guardiola war ein Beweis dafür, dass ein physisch schwacher Spieler auf einer körperlich geprägten Position herausragen kann.

Dabei ertappte ich mich – wie so oft bei körperlich schwachen Spielern – bei der Frage: „Wie gut hätte Guardiola erst sein können, wenn er noch schnell und robust gewesen wäre?“

 

Schwächen können Gründe für Stärken sein

Dabei ließe sich die Frage genauso gut umdrehen: „Wie gut wäre Guardiolas Stellungsspiel und Antizipation gewesen, wenn er schnell und robust gewesen wäre?“ Oftmals finden wir Schwächen und meinen, dieses Defizit ist das eine, was dem Spieler fehlt, um „komplett“ zu sein.

Messi ist zu klein, Robben hat keinen rechten Fuß, Guardiola ist zu langsam usw. (Achtung, all das habe ich nie so gesagt, nur gehört). Dabei vergessen wir, dass sich die Stärken eines Spielers womöglich nie so entwickelt hätten, wenn seine Schwächen nicht existieren würden.

Wäre Messi so ein guter Dribbler geworden, wenn er in seiner Jugend überdurchschnittlich groß gewesen wäre? Hätte Robben sich eine solche Vielfalt an Finten und Schüssen mit links angeeignet, wenn sein rechter Fuß ebenso gut gewesen wäre? Und hätte sich Guardiolas Spielverständnis so entwickelt, wenn er 1,90m, kräftig und schnell gewesen wäre? Vermutlich nicht.

Wenn ich vom Guardiola-Schauen etwas gelernt habe, dann das: Jugendtrainer*innen, fördert die körperlich schwachen Spieler*innen. Sie sind gezwungen, während des Fußballspiels andere Fertigkeiten auszubilden als der große Mittelstürmer mit dem harten Schuss.

Sie mögen euch als D-Jugendliche Spiele verlieren: Doch als Männer können sie euch Meisterschaften gewinnen.

Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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