Letztes Jahr im Mai gelang dem FC Brentford der Coup. Nach über 70 Jahren Abstinenz von der Erstklassigkeit, stiegen die Bees aus dem Londoner Vorort über den Umweg Playoffs in die Premier League auf.
Durch ein 2:0 im Playoff-Finale gegen Swansea City war Brentford zurück in der höchsten Spielklasse Englands. In der ersten Spielzeit gelang dem Team vom dänischen Trainer Thomas Frank ein starker 13. Tabellenplatz.
Wir blicken auf die letzte Spielzeit zurück und wagen einen Ausblick auf die kommende Spielzeit der Bienen aus Westlondon.
Dies ist ein Gastbeitrag von Jannek Ringen
Mit 46 Punkten nach 38 Spieltagen und 48:56 Toren gelang dem FC Brentford der Klassenerhalt, der über weite Teile der Saison nicht gefährdet war.
Zum Saisonauftakt, gleichbedeutend mit dem ersten Erstligaspiel seit 1947, war der FC Arsenal aus dem Norden Londons zu Gast. Der große Nachbar wurde überraschend mit 2:0 geschlagen, es sollte nicht der einzige Erfolg gegen die Topteams der Liga sein.
Ein paar Spieltage später folgte wieder zuhause ein fulminantes 3:3 gegen den FC Liverpool. Im späteren Saisonverlauf gewann man an der Stamford Bridge beim amtierenden Champions-League-Sieger FC Chelsea gar mit 4:1.
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Die Bees stehen für einen intensiven und variablen Spielstil, der jedem Gegner gefährlich werden kann. Während man in den ersten beiden Dritteln der letzten Saison mit einer Fünferkette agierte, stellte Thomas Frank nach einer längeren Negativserie auf Viererkette um.
Der Abstiegszone nah war der FC Brentford vor allem an den Spieltagen 26 und 27, als die Mannschaft den 17. Tabellenplatz belegte. Zwischen dem 17. und 27. Spieltag holte das Team nur vier von möglichen 33 Punkten und musste sich so zurück im Abstiegskampf melden.
Am 27. Spieltag stellte der dänische Trainer dann auf Viererkette um. Nachdem es gegen Newcastle noch eine Niederlage setzte, fanden die Westlondoner zurück in die Erfolgsspur.
Die Fünferkette wurde lediglich gegen die Topteams Manchester United, Tottenham Hotspur und den FC Chelsea noch einmal ins Feld geführt.
Brentford: Der Faktor Eriksen im Mittelfeld
Der FC Brentford hat seit Jahren einen engen Draht nach Dänemark. Nicht umsonst finden sich im Kader fünf Spieler mit dänischer Herkunft. Dazu folgen zahlreiche weitere Spieler aus skandinavischen Ländern. Und das alles unter der Regie des Dänen Thomas Frank. Dessen Nationalität war bei der Verpflichtung von Christian Eriksen sicherlich ein Vorteil.
Nachdem der dänische Nationalspieler bei der Europameisterschaft 2021 einen Herzstillstand erlitt und daraufhin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der italienischen Serie A auflaufen durfte, schloss er sich Anfang Februar 2022 den Bees an.
Eriksen hatte bereits von 2013 bis 2019 in der Premier League für die Tottenham Hotspur gespielt und avancierte dort zu einem internationalen Star.
259 Tage nach seinem Herzstillstand wurde er bei der 0:2-Niederlage gegen Newcastle in der 52. Minute eingewechselt. Zu diesem Zeitpunkt stand der FC Brentford auf dem 17. Platz und befand sich mittendrin im Abstiegskampf.
Nach seiner Einwechslung gegen Newcastle folgten zehn Startelfeinsätze. In diesen holte der FC Brentford 22 von 30 möglichen Punkten. Gleich die ersten fünf Spiele mit Eriksen in der Startelf wurden gewonnen und man konnte sich überzeugend aus dem Abstiegskampf befreien.
Diese Zahlen sind kein Zufall, denn Eriksen trug massiv dazu bei, dass vor allem das Offensivspiel des Aufsteigers angekurbelt wurde. Ihm gelangen in den zehn Startelfeinsätzen ein Tor sowie weitere vier Vorlagen.
Eriksen zeigte direkt, dass er keine Eingewöhnungszeit in der Premier League braucht, und wurde zum neuen Fixpunkt im Mittelfeld. In den elf Spielen, die Eriksen für die Liga-Neulinge machte, konnte er fünf Großchancen erspielen.
Dies bedeutete im teaminternen Ranking Platz drei hinter Stürmer Ivan Toney und Dauerbrenner Christian Nörgaard, und dass obwohl Dänemarks Nummer 10 deutlich weniger Partien absolvierte als seine Mitspieler.
Zudem verzeichnete Eriksen 2,8 Key Passes pro Spiel. Kein Wunder also, dass seine Mitspieler ihn suchten. Im Schnitt hatte Eriksen 70 Ballberührungen pro Spiel. Zum Vergleich: Vitaly Janelt kommt auf 43, Mathias Jensen auf 33 und Christian Nörgaard auf 63 Ballkontakte pro Partie.
Hier wird deutlich, dass sich durch die Verpflichtung von Eriksen nicht nur die Formation änderte, sondern auch das ganze Spiel der Mannschaft. Außerdem spielte Eriksen 40 erfolgreiche Pässe pro Partie.
Für einen Offensivspieler wie ihn ist eine Passquote von 81 Prozent eine starke Quote. Auch an diesen Wert kommt keiner seiner Mittelfeldkollegen.
Brentford & die Abhängigkeit von Toney
Brentfords zweiter Star neben Christian Eriksen war und ist der englische Stürmer Ivan Toney. Toney kam im Sommer 2020 und sollte den zu Aston Villa abgewanderten Top-Torjäger Ollie Watkins ersetzen.
Mit 31 Toren trug Toney in seinem ersten Jahr maßgeblich zum Aufstieg in die Premier League bei. Auch eine Liga höher erwies sich der in Northampton ausgebildete Stürmer als entscheidender Faktor.
Mit zwölf Toren und fünf Vorlagen war Toney Topscorer der Bees. Gerade als es mitten in der Saison ernst wurde, drehte Toney auf. Die beiden Abstiegsduelle am 28. und 29. Spieltag gegen Norwich und Burnley entschied er mit fünf Toren quasi im Alleingang.
Bis zum 28. Spieltag hatte Toney erst sechs Tore und zwei Vorlagen gesammelt. In den folgenden elf Spielen kamen weitere neun Torbeteiligungen hinzu. In der wichtigsten Saisonphase übernahm der 26-Jährige also Verantwortung und führte sein Team aus dem Tabellenkeller.
Der 26-Jährige ist ein physisch starker Stürmer und fungiert als Fixpunkt in der Offensive Brentfords. Als Toney in der abgelaufenen Spielzeit für fünf Spiele ausfiel, konnte sein Team nur vier Punkte holen.
Vor allem als er zum Ende der Saison zwei Flügelstürmer an seiner Seite hatte, blühte er mehr und mehr auf. Toneys Backup, der junge Finne Marcus Fors, konnte ihn bislang kaum ebenbürtig vertreten.
Toney ist einer der wenigen Ausnahmespieler im Kader und deshalb ist der Club aus dem Londoner Vorort in gewisser Weise abhängig von ihm.
Physisch starke Defensive mit Mängeln im Spielaufbau
Über die gesamte letzte Saison war Kapitän Pontus Jansson die Stütze in der Verteidigung. Als die Bees mit einer Dreierkette agierten, spielten neben ihm der Norweger Kristoffer Ajer und der Jamaikaner Ethan Pinnock.
Die Linksverteidigerposition wurde zumeist von Rico Henry bekleidet. Auf der anderen Seite spielte zumeist Sergio Canos. Mit Umstellung auf Viererkette rückte Canos in eine offensivere Flügelstürmerposition und einer der Innenverteidiger gab den Rechtsverteidiger. Die Viererkette agierte zumeist asymmetrisch, sodass Rico Henry seine Qualitäten mehr in der Offensive einbringen konnte.
Pontus Jansson war defensiv ein klarer Faktor für den Klassenerhalt. Der Kapitän bestritt fast jedes Spiel, war oft fehlerfrei und konnte offensiv nach Standards mit Toren glänzen. Kristoffer Ajer kam vor der vergangenen Saison von Celtic Glasgow und sollte der Abwehr zusätzliche Stabilität verleihen. Der Norweger kann mit einer guten Physis und hohem Tempo glänzen.
Der dritte Innenverteidiger im Bunde, Ethan Pinnock, kann mit 68 Prozent gewonnenen Zweikämpfen eine herausragende Quote aufweisen.
Was dem FC Brentford letzte Saison jedoch abgegangen ist, ist das saubere Aufbauspiel aus der Defensive, und dass obwohl man mit David Raya einen spielstarken Torwart besitzt.
Vor allem das vertikale Spiel gehört nicht zu den Stärken der drei physisch starken Innenverteidiger. Pontus Jansson beispielsweise weist eine starke Passquote von 81 Prozent auf. Geht es jedoch um das Spiel in der gegnerischen Hälfte, liegt diese Passquote nur noch bei 57 Prozent. Außerdem traut er sich trotz seiner Erfahrung das vertikale Spiel kaum zu.
Kristoffer Ajer hat eine Passquote von nur 70 Prozent, ein relativ geringer Wert für einen Innenverteidiger. Ethan Pinnock spielt von den Verteidigern zwar die meisten vertikalen Pässe, die Erfolgsquote ist allerdings nur bei einem von drei vertikalen Pässen gegeben.
Der junge Däne Mads Bech Sörensen ist fußballerisch der beste Verteidiger der Bees. Er weist eine hohe Passquote bei den Pässen in der gegnerischen Hälfte auf.
Jedoch kam er in der letzten Saison nur zu neun Startelfeinsätzen und konnte sich noch nicht wirklich durchsetzen. Sollte er in der kommenden Saison einen Sprung machen, dann könnte er das spielerische Puzzleteil in der Defensive Brentfords sein.
Die Abgänge des Brentford FC
Auf Seite der Abgänge hat sich in Brentford in diesem Sommer recht wenig getan. Mit Zanka, Julian Jeanvier und Jonas Lössl verließen drei Ersatzspieler den Club.
Der Abgang, der am schwersten wiegen dürfte, ist natürlich der von Christian Eriksen. Der Däne hatte nur für ein halbes Jahr unterschrieben und deutlich zum Aufschwung des FC Brentford beigetragen. Anfangs sah es so aus, dass es für ihn in Brentford weitergeht, jedoch entschied er sich für Manchester United.
Der versierte Eriksen dürfte schwer zu ersetzen sein, da mit ihm der Kreativspieler und Fixpunkt im Mittelfeld den Verein verlässt. Offensiv kommt kein Mittelfeldspieler ansatzweise an seine Werte heran.
Im Kader befinden sich mit Josh Da Silva und Frank Onyeka noch zwei Spieler, die offensiv über gewisse Qualitäten verfügen, aber letzte Saison noch nicht einschlagen konnten.
Dasilva hatte mit diversen Verletzungen zu kämpfen und Onyeka konnte in seinem ersten Jahr in England noch nicht das halten, was man sich bei seiner Verpflichtung von ihm erhofft hatte.
Sollte jedoch kein externer Neuzugang für das Mittelfeld geholt werden, dann könnte einer von ihnen versuchen, in die Fußstapfen Eriksens zu treten.
Des Weiteren ranken sich derzeit Gerüchte um Starstürmer Ivan Toney. Der Top-Torjäger der Bees soll in intensiven Verhandlungen mit Leeds United sein. Sollte Toney gehen, dann müsste diese Lücke ebenfalls schnell und adäquat geschlossen werden.
Die Neuzugänge
Als Neuzugänge wurden im Community Stadium Innenverteidiger Ben Mee, Außenverteidiger Aaron Hickey, Torwart Thomas Strakosha und Flügelstürmer Keane Lewis-Potter begrüßt.
Des Weiteren drehen sich die Gerüchte mit Kasper Dolberg um einen weiteren Dänen, welcher eventuell das Toney-Erbe antreten könnte. Ein offensiver Mittelfeldspieler geistert derzeit nicht durch die Gazetten.
Ben Mee könnte der spielstarke Innenverteidiger sein, den der FC Brentford gesucht hat. Er probiert deutlich öfter das Spiel mit vertikalen Pässen zu eröffnen und tut dies auch mit einer höheren Erfolgsquote als das aktuelle Innenverteidigertrio. Spielerisch dürfte er der Defensive gut zu Gesicht stehen. Zudem verfügt er über die Erfahrung von 217 Premiere League Spielen.
Mit Aaron Hickey kommt ein Linksverteidiger vom FC Bologna. In der vergangenen Saison konnte der junge Schotte fünf Tore erzielen und ein weiteres vorbereiten. Das sind gute Werte für einen Linksverteidiger. Außerdem ist er defensiv deutlich stärker als Rico Henry und dürfte den Engländer, der bisher unangefochtener Stammspieler war, gehörig unter Druck setzen.
Keane Lewis-Potter kommt hauptsächlich über den linken Flügel und spielte letzte Saison jede Minute in den 46 Championship Spielen für Hull City. Er verfügt dementsprechend über gute körperliche Voraussetzungen.
Außerdem könnte er das Offensivspiel der Bees über die linke Seite ankurbeln, da er seine Stärken vor allem in der Erarbeitung von Torchancen hat. In Sachen Zweikampfstärke muss der junge Engländer noch zulegen, falls er in der Premier League bestehen will.
Darüber hinaus wird Thomas Strakosha Druck auf den bisherigen Stammtorwart David Raya ausüben. Der erfahrene Torwart kommt von Lazio Rom nach Brentford.
Brentford in der Analyse: Ausblick
Das oberste Ziel für die Mannschaft von Thomas Frank wird der Klassenerhalt sein. Alles andere wäre für den kleinen Club aus dem Westen Londons vermessen. Die Frage wird sein, ob sich der Abgang von Eriksen über das Kollektiv oder über einen externen Neuzugang kompensieren lässt.
Gerade Offensiv fehlt den Bees nun der Taktgeber. Brentford wird vermutlich im 4-3-3 System, welches sich in den letzten Spieltagen der vergangenen Saison etabliert hat, auflaufen.
Mit Canos, Bryan Mbeumo und Neuzugang Lewis-Potter dürfte sich das Spiel nun mehr auf die Flügel verlagern. Dadurch bekommt Ivan Toney mehr Unterstützung in der Offensive. Zuletzt kam auch Yoanne Wissa gut in Fahrt und konnte mit einigen Torbeteiligungen zum Klassenerhalt beisteuern.
Die Innenverteidigung ist mit Ben Mee um ein spielerisches Element verstärkt worden. Ob Lewis-Potter und Hickey die Mannschaft direkt verstärken oder eher als Perspektivspieler zu sehen sind, bleibt abzuwarten.
Das Ziel Klassenerhalt ist für Brentford absolut im Bereich des Möglichen. Jedoch ist die Liga durch die Aufsteiger Fulham, Bournemouth und Nottingham deutlich stärker geworden. Gerade letztere rüsten derzeit deutlich auf.
Bei Brentford werden folgende Fragen über den Klassenerhalt entscheiden: Gelingt es, den Verlust Christian Eriksens aufzufangen und bleibt Ivan Toney bzw. schlägt ein eventueller Nachfolger ein?
Sollte dies gelingen, dann stehen die Chancen gut, dass sich Brentford auch 2023/2024 mit den besten Teams Englands messen kann.
Dies war ein Gastbeitrag von Jannek Ringen
(Titelbild: @Getty Images)
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