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Sean Dyche und seine Rumpeltruppe aus Burnley

Seit Gründung der Premier League 1992 richtete sich die oberste Spielklasse Englands mit steigender Finanzkraft immer internationaler aus, wodurch sich auch der Stil der Liga veränderte. Schlechte Plätze, körperlicher, britischer Fußball und das Arbeiterpublikum mussten an vielen Orten modernen Stadien, technischem europäischem Fußball und Fußballtouristen weichen.

Ein Verein, der diesem Trend munter zu trotzen scheint und wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkt, hat sich jedoch in der Premier League etabliert – Burnley Football Club.


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Sean Dyche: Der Heilige von Burnley

Die Erfolgsgeschichte Burnleys beginnt mit der Verpflichtung Sean Dyches im Oktober 2012. Dyche stammt aus der Jugend Nottingham Forests, wo er zwar unter dem legendären Brian Clough trainieren durfte, jedoch kein einziges Spiel für die Reds absolvierte.

Dyche war ein beinharter Innenverteidiger, der in seiner Spielerkarriere hauptsächlich in den unteren englischen Ligen aktiv war. Seine längste Zeit verbrachte er bei Chesterfield, wo er Kapitän der Mannschaft war, die 1997 überraschend das Halbfinale des FA Cups erreichen konnte.

Erste Erfahrungen im Trainergeschäft durfte Dyche in der Jugendabteilung Watfords sammeln. Dort übernahm er auch seinen ersten Cheftrainerposten als er 2011 den nach Cardiff abgewanderten Malky Mackay ersetzte. Nach nur einer Saison wurde Dyche jedoch durch die neuen Besitzer der Hornets, der Familie Pozzo, entlassen, da man bereits eine Vereinbarung mit Gianfranco Zola getroffen hatte.

Als Eddie Howe Burnley im Oktober 2012 nach eineinhalb mäßig erfolgreichen Jahren wieder verließ, um sich seinem Heimatverein Bournemouth wiederanzuschließen, bekam Sean Dyche eine weitere Chance sich als Cheftrainer zu beweisen.


 

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FC Burnley – Ein typischer Zweitligist

Abgesehen von einem einjährigen Gastspiel, nachdem man unter Owen Coyle das Play-Off Finale 2009 gegen Sheffield United gewann, gehörte Burnley seit 36 Jahren nicht mehr der obersten Spielklasse Englands an.

Als Dyche übernahm, war man in allen Belangen ein zweitklassiger Verein, der zudem mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Das Gründungsmitglied der Football League hatte das Geld aus der Premier League so schnell wieder ausgegeben, wie es reingekommen war.

In seiner ersten Saison in Lancashire landete Dyche auf Platz elf, sieben Punkte hinter einem Play-Off Platz. Dyche war jedoch durch die angespannte finanzielle Lage gezwungen, wichtige Spieler zu verkaufen. Besonders nach dem Verkauf von Toptorschütze Charlie Austin an die Queens Park Rangers wurde er heftig kritisiert.

Trotzdem schaffte es Dyche in seiner ersten vollständigen Saison im Turf Moor, den zweimaligen englischen Meister auf den zweiten Platz und damit zum Aufstieg in die Premier League zu führen.


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Dyche forderte diesmal jedoch langfristige Investitionen. Der Bau eines neuen Trainingszentrums und der Ausbau der Jugendabteilung wurde beschlossen.

Kluge Transfers und eine verbesserte Infrastruktur wurden die Basis, die aus der zweiten Premier-League-Saison kein weiteres Gastspiel, sondern einen dauerhaften Aufenthalt in Englands höchster Spielklasse machen sollte.

Zwar reichte es in der Saison 2014/2015 sportlich nicht für den Klassenerhalt, aber die aufgebauten Strukturen halfen, den sofortigen Wiederaufstieg zu realisieren. Seitdem ist Burnley ein fester Bestandteil der Premier League und schaffte es in der Saison 2017/2018 sogar, sich für die Europa League zu qualifizieren.

 

Schlechte Voraussetzungen für einen Erstligisten

In Burnley läuft einiges anders als bei den Premier-League-Konkurrenten, die für ein Hochglanzprodukt stehen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die Clarets auf ihre eigene Weise in der Liga etablieren konnten.

Dyche versteht sich als Manager nach altem britischen Vorbild und nicht als reiner Cheftrainer. Er ist in jede Abteilung des Vereins eingebunden und fordert eine machtvolle Position im Verein ein.

Im Gegensatz dazu sind moderne Top-Klubs – auch in England – zum größten Teil auf Modelle umgestiegen, bei denen die Entscheidungsgewalt auf mehrere Köpfen verteilt wird und nicht in einer Person gebündelt ist.

In Burnley wird noch immer im alten, typisch britischen Turf Moor gespielt, das zwar seit dem Aufstieg 2014 einige kleinere Verbesserungen erfuhr, aber mit den neuen Arenen in London oder Manchester nicht mithalten kann.

Burnley ist die kleinste Premier-League-Stadt nach West Bromwich mit nur 82.149 Einwohnern und weist alles andere als optimale Voraussetzungen für einen Erstligisten einer international ausgerichteten Liga vor.

Die Stadt gilt als ein vergessener, gewalttätiger und armer Fleck im Norden Englands. Bekannt war die Stadt und auch der Verein Burnley lange für große Probleme mit Rechtsextremismus und rechten Hooligangruppen.

Die Stadt galt u.a. als Basis der rechtsextremen British National Party, die bei den Kommunalwahlen 2004 sogar acht Plätze im Stadtrat gewinnen konnte.

Der Verein arbeitet bereits seit Langem daran die Probleme mit rechten Gruppierungen in den Griff zu bekommen und baut dabei u.a. auf die Hilfe von Borussia Dortmund, die selbst lange Probleme mit solchen Gruppen hatten.

Seitdem Sean Dyche das Ruder in der Hand hält, hat der Verein seine soziale Arbeit in der Stadt immer weiter ausgebaut. Dyche will den ehemals unbeliebten Prügelklub zu einem offenen und familienfreundlichen Klub entwickeln.

Obwohl der Verein damit zu großen Teilen erfolgreich war, ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, wie das „White Lives Matter – Burnley“-Banner zeigt, das bei der Niederlage gegen Manchester City über das Etihad Stadium flog.

 

 

Gesunde Strukturen bei Burnley

Burnley muss im Vergleich zur Konkurrenz mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln auskommen. Mehrheitseigner ist Mike Garlick, der seit 2006 Teil des Vorstands ist und den Verein nachhaltig und autark führt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Premier-League-Klubs ist Burnley schuldenfrei und generiert regelmäßig Gewinne.

Dies macht Burnley auch für Investoren interessant. Zuletzt wurde von einem Interesse der amerikanischen Sportinvestorengruppe ALK Capital berichtet.

Burnley soll unter Garlick nicht über seinen Verhältnissen leben und dies bedeutet – teilweise zum Ärger Sean Dyches – ein relativ vorsichtiges Verhalten auf dem Transfermarkt.

Nach der Unterbrechung der abgelaufenen Saison durch die Coronapandemie führte dies dazu, dass die Verträge von wichtigen Spielern wie Jeff Hendrick, Aaron Lennon oder Joe Hart – entgegen Dyches Wunsch – zunächst nicht verlängert wurden.

Der Verein kann sich keine teuren Missverständnisse leisten, weshalb Sean Dyche hauptsächlich auf erprobte Spieler aus dem englischen Ligasystem setzt.

Der einzige teure Transfer unter Dyche, der sich als Fehlgriff herausstellte, war die Verpflichtung von Rekordeinkauf Ben Gibson. Der Innenverteidiger absolvierte nur sechs Spiele für Burnley und trainierte zuletzt bei seinem Heimatklub Middlesbrough. Mittlerweile ist er an Norwich City ausgeliehen.


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Die Burnley-Akademie wurde lange eher nebensächlich behandelt und vernachlässigt. In den letzten Jahren wurde diese jedoch strukturell verbessert und aufgewertet. In der abgelaufenen Saison wurde die Akademie mit dem höchsten Rang ausgezeichnet.

Um gegen die übermächtige lokale Konkurrenz der Klubs aus Manchester bestehen zu können, setzt Burnley auf ein Modell, bei dem verstärkt Spieler verpflichtet werden, die bei den größeren Vereinen aussortiert wurden.

Als Vorbild für diese Spieler kann Dwight McNeil gelten, der zweifelsohne die größte Erfolgsgeschichte der neuen Burnley-Akademie ist. Mit 13 Jahren ließ man ihn bei Manchester United ziehen.

McNeil schloß sich Burnley an, durchlief alle Altersklassen und gehört nun zu den wichtigsten Spielern der Mannschaft von Sean Dyche.

 

Worauf Sean Dyche bei Burnley Wert legt

In Barnfield, Burnleys Trainingszentrum, hängt ein Schild mit der Aufschrift „Legs, Hearts, Minds“, das den Arbeitsethos gut beschreibt, der den ganzen Verein durchzieht. Dyche hat seit seinem Amtsantritt eine Vereinskultur entwickelt, bei der Disziplin und Teamgeist an erster Stelle stehen.

Er fordert maximalen Einsatz, harte Arbeit, Entschlossenheit und Wille von seinen Spielern und hat es geschafft, diese Tugenden fest in der Mannschaft zu etablieren.

Im Verein werden strenge Verhaltensregeln durchgesetzt; so sind bei Spielen keine Kopfhörer beim Verlassen des Busses erlaubt, eine einheitliche Kleidung in Vereinsklamotten vorgeschrieben oder Smartphones in der Kabine verboten.

Burnley wird häufig vorgeworfen eine unattraktive Rumpeltruppe zu sein, die nur mit langen planlosen Bällen agieren würde. Tatsächlich jedoch hat Dyche die Clarets zu einer modernen Mannschaft geformt, die aus ihren geringen Mitteln versucht, das Maximum herauszuholen.


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Zentral für Burnleys Spielweise ist eine stabile Defensive. In Dyches acht Spielzeiten blieb Burnley in sieben Saisons in zehn oder mehr Spielen ohne Gegentor.

Die Mannschaft verteidigt in zwei tiefen, engen Viererketten. Dem Gegner wird dadurch kaum Platz in den Zwischenräumen geboten und er ist gezwungen, über die Flügel zu spielen.

Burnley ist zudem eine extrem kopfballstarke Mannschaft. Mit James Tarkowski und Kapitän Ben Mee hat Dyche zwei der besten Kopfballspieler der Liga in der Innenverteidigung, die kaum Probleme bei Flanken haben. Tarkowski gewann in der abgelaufenen Saison die meisten Luftduelle und klärte die meisten Bälle der Liga per Kopf.

Das Team nutzt Pressing und Gegenpressing bei relativ simplen Triggern, um lange Bälle zu erzwingen, die von ihren kopfballstarken Spielern abgefangen werden können. Wenn das Pressing überspielt wird, versucht Burnley das Tempo zu verlangsamen, um die beiden Viererketten wiederaufzubauen. Dementsprechend gehört Burnley zu den Mannschaften mit den wenigsten Tacklings und einer gleichzeitig hohen Erfolgsquote bei Tacklings.

 

Burnley und der lange Ball

Wenn es ein taktisches Element gibt, mit dem Burnley am häufigsten beschrieben wird, dann sind es die langen Bälle.

Burnley gehört zu den Mannschaften mit dem niedrigsten Ballbesitz der Liga. Mit nur 70,03% spielt Burnley sogar die wenigsten erfolgreichen Pässe der gesamten Premier League. Der Ballbesitz spielt für Dyche jedoch auch keine wichtige Rolle; für Burnley ist der Raumgewinn wichtig.

Die Nordengländer schlagen keine blinden Bälle wild nach vorne, sondern spielen immer wieder die gleichen lange Pässe: Die Stürmer stehen häufig sehr hoch und lauern auf die langen Zuspiele in die Halbräume.

Besonders Chris Wood, der viel mobiler und schneller ist, als man ihm oft zugesteht, wird dort immer wieder gesucht. Er legt die Bälle häufig wieder ab, um sich im Strafraum positionieren zu können, wo er extrem gefährlich ist.

Wenn die robusten Stürmer direkt angespielt werden, können sie die Bälle entweder festmachen und erlauben so der Mannschaft aufzurücken oder man baut ein Pressing auf, um die zweiten Bälle zu gewinnen. Burnley bleibt bei solchen langen Bällen häufiger in Ballbesitz als die Konkurrenz.

Besonders gefährlich ist Burnley über die linke Seite, wo Dwight McNeil und Charlie Taylor eine effektive Partnerschaft geformt haben. McNeil, der sich immer mehr von einem reinen Flügelspieler zu einem Spielmacher entwickelt, zieht häufig nach innen, um Taylor mehr Platz auf der Außenbahn zu geben.

Sean Dyche Burnley
Sean Dyche hat in Burnley nachhaltigen Erfolg geschaffen (© Getty Images)

Burnleys Kader ist auf vielen Positionen extrem dünn besetzt und gehört zu den ältesten der Liga. In der aktuellen Saison steht Dyche noch weniger Geld als üblich zur Verfügung, da auch an Burnley die Coronakrise nicht spurlos vorübergegangen ist.

Die dringend benötigten Verstärkungen gab es nicht. Lediglich Will Norris, ein Ersatztorwart, und der erfahrene Mittelfeldspieler Dale Stephens wurden verpflichtet. Transfers von Spielern wie Harry Wilson kamen nicht zustande.

Dyche wird daher mit seiner Kritik an der Transferpolitik immer lauter. Nach der Niederlage am zweiten Spieltag gegen Southampton sagte er: „Wir brauchen Spieler. Es ist aber natürlich eine Herausforderung hier, das war es immer.“

Während das internationale Transferfenster geschlossen ist, sind Transfers aus den unteren englischen Ligen in die Premier League noch bis zum 16. Oktober möglich.

Man kann den Spielstil mögen oder auch nicht, aber Dyche hat ein System für Burnley entwickelt, mit dem man Erfolg hat und das aus den vorhandenen Möglichkeiten das Maximum herausholt. Für viele mag es nicht attraktiv sein, aber eine Rumpeltruppe ist Burnley definitiv nicht.

Nach der abgelaufenen Saison sagte Dyche, dass er bereit sei, weiterzumachen, solange die Rahmenbedingungen stimmen. Mike Garlick und Burnley sollten alles dafür tun, um ihm diese Rahmenbedingungen zu bieten.

(Titelbild: © Getty Images)

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Johannes Robertz
Kreisliga C-Legende. Fußballbegeistert in jeglicher Hinsicht, besonders der englische Fußball hat es ihm angetan. Ist irgendwann in seinem Leben Wolves-Fan geworden. Warum, weiß keiner.

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