Nachdem sich die Borussia über Jahre erfolgreich über Ballbesitz definiert hat, sollte in diesem Sommer ein Umbruch eingeleitet werden. Trotz der Qualifikation für die Europa League musste Cheftrainer Dieter Hecking seinen Stuhl räumen.
Mit Marco Rose übernimmt ein neuer Übungsleiter, der eine neue Philosophie mit an den Niederrhein bringt.
Es brodelte am Niederrhein. Nach der guten Hinrunde in der Saison 2018/19, nach der manche die Borussia schon als Titelkandidaten ansahen, folgte in der zweiten Saisonhälfte der Absturz.
Der oft als „Festung“ beschworene Borussia-Park stand nicht mehr vollends hinter der Mannschaft, nicht in wenigen Spielen waren Pfiffe zu hören.
Borussia Mönchengladbach Saisonvorschau:
Die Art und Weise, wie sich die Elf vom Niederrhein durch die Rückrunde schleppte, ließ nicht nur bei den Anhängern die Alarmglocken läuten. Auch Max Eberl machte sich sichtlich Gedanken und ließ am 29. Mai die Bombe platzen – Marco Rose sollte Dieter Hecking zur neuen Saison ersetzen.
Mit dieser Verkündung war gleichzeitig der größte und wichtigste Transfer der Borussia in diesem Sommer getätigt worden. Der Europa-League-Teilnehmer wird ein anderes Gesicht bekommen, den jahrelang erfolgreich zelebrierten Spielstil, zumindest teilweise, ablegen.
?️ So ordnet Chefcoach Marco Rose das erste Pflichtspiel der #FohlenElf ein:
Alle Stimmen zu #SVSBMG: https://t.co/pzP6z6i0oC pic.twitter.com/i43dcGoGVu— Borussia (@borussia) August 9, 2019
„Meine Spielidee basiert auf Emotionalität, auf Gier, auf Aktivität. Wir wollen sehr aktiv gegen den Ball arbeiten, viel sprinten, das sind Dinge, die es in den letzten Jahren hier so nicht gab. Wir wollen hoch Bälle gewinnen, kurze Wege zum Tor haben. Wir wollen aber auch guten, aktiven, dynamischen Fußball spielen, wenn wir den Ball haben“, so Marco Rose über seine Spielidee.
Viele Versprechungen, die sich nach attraktivem Hochgeschwindigkeitsfußball anhören. Dennoch war auch dem Cheftrainer bereits klar, dass dies „Zeit brauchen“ werde.
Borussias Überangebot im Mittelfeld
Um dieses neue System einzustudieren, wurde auch am Kader gearbeitet. Mit Stefan Lainer folgt Rose einer seiner Schützlinge aus Salzburger Zeiten an den Niederrhein. Der 26-jährige Österreicher wird als Rechtsverteidiger gesetzt sein, wo er viel Dynamik und Offensivdrang mitbringt.
Da Nico Elvedi in der Innenverteidigung gesetzt sein wird und weder Tony Jantschke, noch Jordan Beyer die nötige Athletik mitbringen, um Roses Spielidee auf dieser Position umzusetzen, war eine Nachbesserung auf dieser Position unausweichlich.
Besonders weil Michael Lang, Neuzugang aus dem Vorjahr, hinter den Erwartungen zurückblieb und nun bereits wieder ein Streichkandidat ist.
Auch im Angriff besserte die Borussia nach: Mit Marcus Thuram kommt eine echte Sturmkante in den Borussia Park, der neben seiner Größe auch enorme Geschwindigkeit mitbringt. Der Franzose wird neben Alassane Pléa die zweite Spitze besetzen.
Dahinter scharrt mit Breel Embolo ein weiterer Neuzugang mit den Hufen, der nach seiner von Verletzungen geprägten Zeit auf Schalke einen Neuanfang bekommt.
Das System mit zwei Spitzen ist dabei ebenfalls eine Neuerung, die Marco Rose mitbrachte: Während sich die Borussia über Jahre über starke Außenspieler definiert hat, wird diese Position unter dem neuen Cheftrainer nicht mehr bekleidet.
Stattdessen wird im Mittelfeld mit einer Raute gespielt, in der zwei Achter auf den Halbpositionen agieren. Der Abgang von Thorgan Hazard schmerzt dadurch zwar, das neue System könnte diesen Abgang jedoch kompensieren.
Dem kommt entgegen, dass die Borussia auf den Spielmacherpositionen ein echtes Luxusproblem hat. Auf der Sechs streiten sich Tobias Strobl und der derzeit verletzte Christoph Kramer, welcher in der Vorbereitung auch als Innenverteidiger getestet wurde.
Auf der Acht scheinen derzeit Denis Zakaria und Florian Neuhaus gesetzt zu sein, allerdings spielten Rückkehrer Lászlo Bénes und Mickaël Cuisance eine überzeugende Vorbereitung.
Letzterer bewarb sich, sofern er bleiben sollte, damit auch auf die Rolle des Spielmachers hinter den Spitzen, die momentan Jonas Hofmann bekleidet. Hier wird wohl jedoch auch Kapitän Lars Stindl eingesetzt werden, der sich nach seinem Schienbeinbruch noch im Aufbautraining befindet.
Die Opfer dieses Systemwechsels könnten dadurch die wenigen klassischen Außenspieler, die die Borussia noch im Kader hat sein. Patrick Herrmann bewarb sich in der Vorbereitung erfolgreich auf eine zentrale Rolle im Sturm, während Ibrahima Traoré aufgrund des Africa-Cups kaum mit der Mannschaft trainieren konnte.
Dazu gesellt sich Keanan Bennetts, der in der vergangenen Saison keine Rolle spielte, in der Vorbereitung jedoch ebenfalls eine Menge Einsatzzeit bekam.
Das Pressing fordert Athletik – war es das für den „ewigen Oscar“?
Blickt man auf den Kader und die mögliche erste Elf der Borussia ist zu erkennen, dass Marco Rose besonders großen Wert auf Athletik und Dynamik legt.
Nicht nur dadurch scheint sich eine große Problemposition im Kader der Borussia aufzutun: Oscar Wendt war bereits in der vergangenen Saison immer wieder ein Wackelkandidat.
Mit seinen 33 Jahren ist der Schwede der zweitälteste Profi im Kader der Gladbacher. In Roses System sind die Außenverteidiger offensiv stark gefordert und müssen in der Offensive den Verzicht auf echte Außenstürmer wettmachen.
Wendt könnte mit diesem hohen Laufpensum und dem hohen Tempo des Gladbacher Spiels Probleme bekommen. Schon in den vergangenen Jahren stand der Linksverteidiger, der seit 2011 am Niederrhein spielt, immer wieder in der Kritik.
Der im vergangenen Sommer als Backup verpflichtete Andreas Poulsen sollte Wendt auf Dauer ersetzen können, ließ und lässt jedoch jede Bundesligareife vermissen, obwohl Marco Roses Idee seinem offensiven Spielstil jedoch entgegenkommt.
Dass auf dieser Position Handlungsbedarf besteht, zeigten sowohl das letzte Testspiel gegen den FC Chelsea, als auch das Pokalspiel in Sandhausen. Wendt scheint in einigen Situationen nicht mehr mit der geforderten Geschwindigkeit des Spiels mithalten zu können.
Immer wieder wird als Ersatz des „ewigen Oscars“ der Name Malang Sarr gehandelt*. Der Franzose soll bereits seinen Wechselwunsch bei seinem derzeitigen Arbeitgeber OGC Nizza hinterlegt haben, ein Transfer konnte bisher jedoch noch nicht realisiert werden.
Max Eberl betonte zuletzt, dass die Borussia diesen Transfer momentan nicht stemmen könne und abwarten müsse, was sich in den letzten Wochen des Transferfensters ergeben wird.
Sollte ein Transfer nicht zustande kommen, wäre Sarr im nächsten Sommer ablösefrei, Gladbach müsste sich dann mit weiteren Nebenbuhlern auseinandersetzen. Als Alternative wurde zuletzt immer wieder Ramy Bensebaini von Stade Rennes gehandelt.
Der Algerier wäre wohl deutlich günstiger, aber wohl die klare B-Lösung. Vor wenigen Tagen kam zudem auch das Gerücht um ein Interesse am Augsburger Philipp Max auf. Fraglich ist jedoch, ob eine Verpflichtung des Linksverteidigers bei einem Marktwerkt von 17 Millionen Euro überhaupt realisierbar wäre.
*Update: Die Verpflichtung von Ramy Bensebaini wurde nach der Veröffentlichung unserer Textes bekanntgegeben.
Ausrufezeichen gegen Chelsea, Rückfall gegen Sandhausen
Mit Oscar Wendt als Linksverteidiger ging die Borussia dennoch in die ersten Wochen der Vorbereitung. Die Rose-Elf zeigte dort wie erwartet bereits ein völlig anderes Gesicht.
Besonders in der Saisoneröffnung gegen Chelsea wurde der Ball über den gesamten Platz gejagt, was frühe Ballgewinne und viele Chancen gegen den Europa-League-Sieger zur Folge hatte.
Im Pflichtspielauftakt gegen den SV Sandhausen zeigte die Borussia jedoch, dass auch dieses System noch Zeit braucht. Zwar war der Spielverlauf wohl auch den Rahmenbedingungen (verspäteter Anpfiff, strömender Regen) geschuldet, dennoch offenbarten die Gladbacher hier noch einige Lücken.
Die Defensive wirkte wie gegen Chelsea schon löchrig, im Spielaufbau schlichen sich einige Fehler ein. Oftmals spielte die Borussia hier zu behäbig und statisch, was an die Vorsaison erinnerte.
Läuft zudem das Pressing in der vorderen Linie ins Leere, steht die Rose-Elf (noch) vor einigen Problemen. Zum Glück des neuen Cheftrainers zeigte sich Yann Sommer in beeindruckender Frühform.
Dennoch machte die neue Borussia durchaus Lust auf mehr. Das neue Sturmduo, bestehend aus Alassane Pléa und Marcus Thuram, bringt eine Menge Dynamik mit und scheint zudem, trotz der kurzen Vorbereitung von Thuram, schon relativ eingespielt zu sein.
Das hohe Pressing verspricht spannende, intensive Spiele, die den Fans der Borussia in dieser Saison auch einige unvergessliche Europapokalnächte bescheren könnten.
Die Fohlen werden sich in dieser Saison auf eine komplett andere Art und Weise präsentieren, soviel steht schon nach wenigen Wochen fest. Der Schritt von Max Eberl, den über Jahre erfolgreichen Spielstil ad acta zu legen war mutig, besonders im Hinblick auf die gestiegenen Erwartungen rund um den Borussia Park.
Dennoch könnten die Gladbacher dadurch zu einer der Überraschungen der neuen Saison und zu einem der attraktivsten Teams der Bundesliga werden.
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