Seit geraumer Zeit sorgt der FC Nordsjaelland sowie seine Jugendspieler für Aufsehen.
Grund dafür ist die hohe Anzahl an Eigenbauspielern und Talenten, die in den letzten Jahren bei Top-Vereinen unterschrieben haben und denen eine große Zukunft vorausgesagt wird.
Als wir für unsere Talente-Serie Cavanis Friseur 110 auf der Suche nach jungen Spielern waren, sind wir dabei auf ein beachtliches System gestoßen, das uns schwer beeindruckt hat und welches wir euch vorstellen wollen.
Dazu muss aber vorerst etwas weiter ausgeholt werden:
Den unterklassigen Vereinen fehlt es an Geld
Fußball ist eine der größten Cashcows der Welt, nur wenige Sportarten generieren derart viel Geld, wie der Sport mit dem runden Leder.
Das große Geld gibt es jedoch nur in der Elite, den höchsten Spielklassen. Im Amateurbereich zeigt sich länderübergreifend ein Problem: Dorf- bzw. Amateurvereinen, bei denen ein Großteil der werdenden Fußballprofis anfangen, fehlt es an Geld. Viele Klubs müssen sogar zusperren.
Die Bedingungen bei denjenigen, die überleben, sind oft schlecht, nur vereinzelte Vereine dürfen sich über größere Förderungen des Landes freuen und vielen Teams fehlt es an ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich den vielen Aufwand einfach nicht antun wollen.
Dies hat mehrere Gründe: Viele Vereine investieren ihr Geld lieber in den Kader und ihre Spieler und entlohnen diese mit Teils hohen „Gehältern“ und Prämien. Nicht selten verlassen Spieler ihren langjährigen Heimatverein und wechseln 1-2 Nachbarschaften weiter, weil sie dort pro Einsatz 20 Euro mehr verdienen.
Auch unterklassige Amateurteams scheinen ihr Geld lieber in den Kader zu investieren, um schnellstmöglich konkurrenzfähig zu sein, anstatt langfristig zu planen und sich ein sicheres Fundament und eine Bindung zur Region aufzubauen.
Zum anderen fehlt es aber auch an der Entlohnung für den investierten Aufwand der Trainer und Betreuer in der Jugendausbildung.
Gute Spieler werden für wenig Geld von größeren Vereinen losgeeist, welche wiederum den Jugendlichen nicht ausreichend oder nur wenig unterstützten.
Da sich viele Profiteams in einem gewissen Ballungsraum oftmals fast schon Revierkämpfe bieten und versuchen, möglichst früh und schnell ein Talent zu verpflichten, ist die Zahl an Jugendspielern in den Vereinen und damit der Konkurrenz groß.
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Ebenso damit auch die Durchfallquote. Nicht selten findet man in Hobbyvereinen Spieler, die mal für eine Jugendmannschaft eines Erst- oder Zweitligisten spielten, aber den Durchbruch nicht schafften.
Viele Verlierer und nur ein Profiteur: Der Profi-Verein, der darauf hofft, dass ein Ausnahmetalent nicht durch das Raster fällt. Dass es nicht für jedes Talent zum Profi reicht, ist verständlich. Viele ordnen ihr Leben aber dem Fußball unter und vernachlässigen Ausbildung & Co.
Beim FC Nordsjaelland in Dänemark hat man sich unter anderem aufgrund dessen vor einigen Jahren ein neues Konzept überlegt.
Dieses Konzept ist zwar definitiv nicht neu, bei unserer Recherche konnten wir aber keinen anderen Verein finden, der es in diesem Ausmaß ausführt.
Nordsjaelland: Auch Talente sind Menschen
Ein wichtiger Punkt beim Nordsjaelland ist die menschliche Komponente. Ein Faktor, den man sich wohl bei Ajax Amsterdam abgeschaut hat, der seit jeher nicht nur auf eine ordentliche fußballerische Ausbildung setzt, sondern auch auf eine schulische sowie therapeutische.
Anstatt wie bei vielen anderen Vereinen die Kinder und Jugendliche aus ihrem Umfeld zu reißen, von Freunden und Familie zu trennen und in eine andere Schule zu setzen, agiert man beim dänischen Erstligisten lieber als Mutterverein.
Wobei „Mutter“ hier sogar ein sehr passender Begriff ist, denn das Wohl Aller steht bei der Jugendausbildung für Nordsjaelland im Vordergrund.
Der FCN wurde 1991 gegründet und ist ein Zusammenschluss aus gleich mehreren dänischen Vereinen aus der Region Hovedstaden, die jedoch allesamt unabhängig weiterbestehen.
Bei der Gründung des Vereins handelte es sich um acht Klubs, mittlerweile sollen aber deutlich mehr Klubs in einer Kooperation mit dem dänischen Erstligisten stehen.
2016 wurde in Ghana zudem eine Akademie eröffnet, durch die über die nächsten Jahre viele Talente nach Dänemark kommen sollen.
Bereits bei der Gründung des FCN hatten die Verantwortlichen ein klares Konzept vor Augen: Der Aufbau eines Netzwerks und die Stärkung der Region – ein Plan, den man bis heute verfolgt, der aber 2006 angepasst wurde und der erfolgreich umgesetzt wird.
Auch, da der Verein vor 14 Jahren das Risiko einging, sein gesamtes Budget in die Jugendausbildung zu investieren – was sich aber bezahlt machen sollte.
Die „Farmteams“ werden von Nordsjaelland in vielen Belangen unterstützt, stehen im ständigen Austausch und folgen alle einer gemeinsamen Philosophie und Spielstil.
Aufgrund dessen sind die Entwicklungen der Vereine ähnlich erfolgreich wie jene des FC Nordsjaelland.
Die Vorteile für alle Seiten werden damit schnell sichtbar:
Amateurvereine bzw. die unterklassigen Teams bleiben weiter bestehen, müssen sich keine finanziellen Sorgen machen, erfreuen sich in der Region großer Beliebtheit, da viele Spieler aus der eigenen Umgebung gehalten werden und so erfolgreiche Teams aufgebaut werden können – ein bisschen vergleichbar mit Farm-Teams in der MLB oder NBA.
Die jungen Talente werden hingegen unter tollen Bedingungen ausgebildet, die Trainer stehen im ständigen Austausch mit den Verantwortlichen des Erstligisten und werden zu Workshops eingeladen, um sich weiterzubilden.
Alle ziehen an einem Strang: Nordsjaellands Jugendkonzept
Noch wichtiger ist jedoch, dass die Kinder und Jugendlichen in Ruhe in ihrem Umfeld aufwachsen können und der Fußball – bis zu einem gewissen Altern- weiterhin Nebensache bleiben soll.
Erst wenn Nordsjaelland von einem jungen Spieler wirklich überzeugt ist, wird dieser unter Vertrag genommen, möglicherweise an den (oder einen anderen) Satellitenverein zurückverliehen und erst ab einem gewissen Alter zum Mutterverein hochgezogen.
Wobei natürlich auch dieser ähnlich trainiert und spielt wie die Satelliten- und Kooperationsvereine des dänischen Erstligisten. Die Umstellung bzw. der Wechsel fällt den Jugendlichen daher sehr leicht.
https://www.facebook.com/fcnordsjaelland/videos/228704914655290/?__xts__[0]=68.ARB5VkYeMqJMMPQeXW4EqV6OFuuK6cldVMjaLCG4BPhL2qfrOohE019jNs3L-k84yZchGe7xT4a74UFQ5XcMxO-SnbV7OPCDzUGZap9Eci8DAveX0XjhvpslfVOw8tYzg5CtlvgBOLokTTr0PXuCH42D5HutTpQkVDDYT8iYOtGRhVf0pKeT2sSq4zcFMkJM-G4ex2RW0rX-mvv4tbnT3BgY_xKZioGRoYIOAUPB8BfCG51ySg6Bxv-wbFe703ac8uhyTADAewIPky0kAfwlthV6npm6g1uB4jLZzJuOuREVjRZ98tyvfX2lliUSfEXZCiEp8JhTfo4gRYEgDiFiURDCoavXDxh2uJdqnoWb8SVcnO5jpfWsbAfAwcAwpD6xieSarLITgEY5pA4xhIdMp7USOJDcRIG32NE9jD_0huIR_E81vHkSGszQlSoVtKjgL1_dD0VMVneWHk24apVp1GuNgxBgt6MznbbO5rWDTtqroggsJYaDNDEfGA&__tn__=H-R
Bis es zu diesem Schritt jedoch kommt, ist es ein langer Weg. Doch auch wenn die Vereine akribisch arbeiten und ihre Utensilien und Arbeit mit dem Erfolg und damit höheren finanziellen Mitteln verbessern konnten, ist der Erfolg nur ein nebensachlicher Faktor.
Dies bestätigte der langjährige FCN-Mitarbeiter Jan Laursen in einem Exklusiv-Interview bei Goal.
„Man muss Fehler zulassen und nicht gleich alles in Frage stellen, wenn es mal nicht läuft. Das machen viele größere Vereine anders. Ich glaube, dass man nur wachsen kann, wenn man gemeinsam in eine Richtung geht und auch bei großen Hindernissen nicht sofort den eingeschlagenen Weg verlässt.”
Gewachsen ist jedoch nicht nur der Erfolg und der Geldbeutel des Vereins, sondern auch die Beliebtheit des FCN sowie dessen Kooperationsvereine.
Obwohl der Klub aus dem Kopenhagener Vorort mit dem FC Kopenhagen einen großen und beliebten Konkurrenten vor sich hat, erfreut sich Nordsjaelland bei Spielern, Eltern und Fans großer Beliebtheit.
„Wir sind stolz, wenn ein junger Spieler, den man aus der Nachbarschaft kommt, zum FC Nordsjaelland hochgezogen wird. Wir alle sind Fans unseres Heimatvereins, aber der FCN ist etwas ganz Besonderes für uns.“
– Nikolaj Bjerg Nielsen, Fan des FCN & Graested IF
Mit Jores Okore (Ex-Aston Villa), Victor Nelsson (1. FC Kopenhagen, Marktwert: 5 Mio Euro), Marcus Ingvartsen (Union Berlin), Mads Pedersen (FC Augsburg), Mathias Jensen (Ex-Celta Vigo), Andreas Skov Olsen (Bologna) und Emre Mor (Ex-Dortmund) gibt es einige Spieler aus dem Jugendsystem des FCN, die man auch im deutschsprachigen Raum kennen könnte.
Wie steht es derzeit um Nordsjaelland?
Aktuell sind 13 von Spielern im Kader des dänischen Erstligisten Eigenbauspieler (Stand: Februar 2020) – allen voran die drei Top-Talente Jacob Christensen (18 Jahre alt, Marktwert: 2 Mio Euro), Magnus Kofoed Andersen (20 Jahre alt, Marktwert: 2,5 Mio Euro) und Mikkel Damsgaard (19 Jahre alt, Marktwert: 5 Mio Euro).
Insbesondere Letzterer war lange Kandidat für unsere Talente-Serie, schaffte letztendlich aber nicht den Cut.
Der derzeitige Kader ist im Durchschnitt lediglich 21,13 Jahre alt, wobei Mikkel Rygaard Jensen (29 Jahre alt) und Kian Hansen (30 Jahre alt) den Schnitt sogar nochmal nach oben drücken. Damit stellt der FC Nordsjaelland einen der jüngsten Kader aller europäischen Erstligisten.
Der FCN hat jedoch ein großes Problem: Trotz des fantastischen Konzepts, den Erfolgen und den damit verbundenen Mehreinnahmen wächst der Verein nur langsam, denn größere und finanziell stärkere Teams bedienen sich immer öfter im Vorort Kopenhagens.
So verließen im Sommer mit Andreas Skov Olsen (19 Jahre alt, für 6 Millionen Euro zu Bologna), Victor Nelsson (20 Jahre alt, für 3,60 Millionen Euro zum FC Kopenhagen) und Karlo Bartolec (24 Jahre alt, für 2,67 Millionen Euro zum FC Kopenhagen) gleich drei Leistungsträger den Verein.
Zwar wurden gute Jugendspieler hochgezogen, diese konnten die entstanden Lücken aber nur personell stopfen.
Ein weiteres Problem ist zudem der viele Erfolg und der steigende Bekanntheitsgrad. Auch europäischen Top-Klub ist die fantastische Jugendarbeit des dänischen Erstligisten nicht entgangen und bedienen sich nun immer öfter beim FCN.
So haben in den letzten beiden Jahren Juventus und Ajax beim FC Nordsjaelland zugeschlagen und ihnen die vielversprechendsten Talente weggeschnappt.
Die Alte Dame verpflichtete Nikolai Frederiksen nur wenige Wochen nach seinem 18. Geburtstag für 1,25 Millionen Euro.
Der holländische Rekordmeister blätterte für den gerade mal 16-jährigen Christian Rasmussen sogar drei Millionen Euro auf den Tisch.
Der offensive Mittelfeldspieler gilt schon jetzt als kommender Nachfolger von Christian Eriksen und ist mit sechs Toren und vier Vorlagen in neun Spielen absoluter Leistungsträger der U17 der Amsterdamer.
Trotz dieser schmerzlichen Abgänge lässt sich der FC Nordsjaelland nicht aus dem Konzept bringen und verfolgt weiter seinen Plan.
Der Verein wird zwar wohl nur langsam wachsen und in den nächsten Jahren immer wieder Rückschläge durch Spielerabgänge verkraften müssen, durch dessen werden aber auch mehr Talente sich zu einer Ausbildung im erfolgreichen FCN-Konzept entscheiden.
https://www.instagram.com/p/B5-gA8UHm5T/
Mit der Jugendakademie in Ghana hat sich der FC Nordsjaelland zudem eine gute Alternative aufgebaut, mit der man fernab der Konkurrenz in Ruhe afrikanische Talente ausbilden kann.
Selbst wenn diese nie für den dänischen Erstligisten auflaufen werden sollten, da sie zuvor von europäischen Topklubs verpflichtet werden, darf sich der Klub aus dem dänischen Farum über hohe Ablösesummen freuen.
Sollten die Zahl der Abgänge weiter steigen, so wird der FCN sein Konzept wohl etwas anpassen müssen und ähnlich wie Red Bull Salzburg auch einige Spieler verpflichten, die auch länger beim Verein bleiben können, um konstant Erfolge feiern zu können.
Wir machen uns darüber aber keine Sorgen. Der FC Nordjaelland ist in guten Händen, leistet fantastische Arbeit und ist ein ganz besonderer Verein, der uns in den letzten Monaten sehr beeindruckt hat.
Auch wenn wir den Großteil unserer Recherche in Zusammenarbeit mit dänischen Medien, dem Verein selbst und einigen Fan-Projekten verbrachten, wollen wir euch einen weiterführenden Text von Goal empfehlen, der vor ein paar Monaten selbst das Projekt des FC Nordsjaelland vorgestellt hat.
Abschließend ein großes Dankeschön an den FC Nordsjaelland für den vielen Informationsaustausch und die Fotos (Photos by: fcn.dk).
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