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Trotz hoher Ambitionen in der Krise: Die vielen Probleme der Fiorentina

Mit großen Ambitionen war Rocco Commisso im Sommer 2019 als neuer Eigentümer des AC Fiorentina angetreten: Der Amerikaner mit italienischen Wurzeln wollte den Verein wieder an die nationale Spitze des Fußballs führen, nachdem man in der gerade beendeten Serie-A-Saison dem Abstieg nur knapp entronnen war. Auch der Bau eines neuen Stadions gehörte zu den Antrittsversprechen Commissos.

Knappe anderthalb Jahre später lässt sich konstatieren, dass sich bei La Viola seit dieser Übernahme allerdings nicht viel verändert hat. Der Kader wurde umgebaut, zwei Mal der Trainer gewechselt – mit überschaubarem Erfolg.

Die Fiorentina ist in der Tabelle genau so weit von der oberen Tabellenhälfte entfernt wie von den Abstiegsplätzen.

Auch beim Bau eines neuen Stadions wurden keine wirklichen Fortschritte gemacht, Commisso beschwerte sich im Sommer darüber, wie kompliziert und bürokratisch dieser Prozess in Italien sei.

 

Die Anfänge mit Commisso bei der Fiorentina

Dabei hatte der Antritt des neuen Investor und die damit verbundenen Transfers im Sommer 2019 tatsächlich für ein wenig Aufbruchsstimmung in Florenz sorgen können.

Mit Franck Ribéry konnte man einen echten Super-Star in die Toskana lotsen. Der Franzose bewies direkt in seinen ersten Spielen, dass er einer Mannschaft trotz seines mittlerweile hohen Alters noch entscheidend weiterhelfen kann.


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Die Verpflichtung des defensiven Mittelfeldspielers Erick Pulgar bekam zwar deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit, trotzdem sollte der Chilene in der Saison ein wichtiger Bestandteil von La Viola werden.

Zu diesen gestandenen Spielern verpflichtete Florenz auch noch einige durchaus talentierte Spieler wie Pol Lirola oder Aleksa Terzic. Dem Team sollte Zeit gegeben werden, sich zu entwickeln, bloß mit dem Abstieg wollte man nichts zu tun haben.
 


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Doch nach nur vierzehn Punkten in siebzehn Spielen sahen sich die Verantwortlichen kurz vor Weihnachten 2019 genötigt zu handeln und entließen kurzerhand Trainer Vincenzo Montella, der den Verein in der Vorsaison noch kurz vor Schluss vor dem Abstieg gerettet hatte.

 

Die erste Saison endet für Florenz unspektakulär

Wie der italienische Fußball es manchmal zu verlangen scheint, wurde Montella durch einen der italienischen Trainer ersetzt, die gefühlt schon jeden mittelmäßigen Serie-A-Verein trainiert haben.

Die Wahl fiel letztendlich auf „Beppe“ Iachini, den man vielleicht noch aus seinem zweiten Engagement in Palermo kennen könnte.

Im Frühling 2016 übernahm er den Verein, der ihn knapp drei Monate zuvor schon einmal entlassen hatte – nach drei Spielen war dieses Kapitel aber auch wieder beendet. In Florenz erhielt Iachini zunächst einen Vertrag bis Saisonende.


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Im Winter verpflichtete man zudem noch einige Spieler für die Problemzonen, die der Kader in der Hinrunde offenbart hatte.

Patrick Cutrone und Christian Kouamé sollten dem Sturm der Fiorentina mehr Gefahr einhauchen, Alfred Duncan und Kevin Agudelo im Mittelfeld mehr Optionen bieten. Zudem kam mit dem Brasilianer Igor ein Innenverteidiger-Talent.

Zumindest mit dem Abstieg hatte Florenz nach wenigen Wochen unter Iachini nicht mehr viel zu tun, in den ersten fünf Spielen holte der Coach elf Punkte. Auch deshalb entschied man sich am Saisonende dafür, den Vertrag mit Iachini um ein weiteres Jahr zu verlängern. Eine Entscheidung, die sich im Nachhinein als nicht besonders durchdacht erweisen sollte.

 

Die Probleme der Fiorentina: Eine schwache Kaderplanung

Der Transfersommer 2020 war für viele Vereine aufgrund der Pandemie anders als sonst, so auch in Florenz. So kam auch in der Toskana erst gegen Ende der Transferperiode Bewegung in den Kader: Man verpflichtete Giacomo Bonaventura ablösefrei, um das Mittelfeld zu verstärken. Auch Borja Valero, mittlerweile 35 Jahre alt, kehrte nach dreieinhalb Jahren bei Inter zurück.

Am Deadline-Day verpflichtete Florenz dann in José Callejon noch einen weiteren Ü30-Spieler ablösefrei, außerdem kamen noch Innenverteidiger Lucas Martinez Quarta (der Königstransfer) und Antonio Barreca (leihweise aus Monaco).


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Nach der Hinrunde lässt sich aber für keinen dieser Neuzugänge ein wirklich positives Fazit ziehen. Am besten läuft es wohl noch für „Jack“ Bonaventura, der immerhin schon dreizehn Mal zum Einsatz kam. Die anderen Routiniers, Valero und Callejon, spielen bisher nur Randrollen.

Noch schlechter steht es um Martinez Quarta und Barreca, beide kommen zusammen auf gerade einmal vier Serie-A-Einsätze. Das zeigt: Im Sommer wurden zwar einige Spieler verpflichtet, sinnvoll verbessert wurde der Kader aber nicht.

Mit Callejon und Ribéry stehen gerade einmal zwei (!) Flügelspieler im Kader der Viola, beide sind aufgrund ihres Alters recht verletzungsanfällig. Dafür stehen für drei zentrale Mittelfeld-Positionen neun Spieler im äußerst unbalancierten Kader.

 

Nostalgische Gefühle bei der Fiorentina statt neuem Weg

Schon allein diese Kaderplanung wirft ein ungutes Licht auf die Entscheidungsträger der Fiorentina. Ein weiteres Beispiel gefällig? Nach nur sieben Liga-Spielen wurde Trainer Iachini in diesem Herbst bereits wieder entlassen.

Mit bis dato acht Punkten war Florenz zwar nicht besonders gut in die Saison gestartet, trotzdem stellt sich die Frage, was die Verantwortlichen eigentlich von Iachini erwartet hatten. In Florenz hatte „Beppe“ immerhin einen Punkteschnitt von 1,53 Punkten pro Spiel vorzuweisen.


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Auch die nächste Entscheidung war – mal wieder – symptomatisch für das Handeln und Auftreten des Klubs. Anstatt einen Trainer zu verpflichten, der neuen Wind in die verkrusteten Strukturen am Artemio Franchi bringen könnte, entschied man sich für Cesare Prandelli als neue Interimslösung bis zum Saisonende.

Prandelli hatte den Verein bereits von 2005 bis 2010 trainiert und dabei zu mehreren Teilnahmen im Europa-Pokal geführt. Auf seinen letzten Trainer-Stationen war der Italiener aber weniger erfolgreich: Seit 2016 hatte er fünf verschiedene Jobs, im Schnitt blieb er nicht viel länger als 12 Spiele Trainer eines Vereins.

 

AC Florenz in der Analyse: Probleme im eigenen Ballbesitz

Ob mit Prandellis Rückkehr an die alte Wirkungsstätte der Glanz alter Tage nach Florenz zurückkehrt, konnte von Anfang an bezweifelt werden. In seinen ersten acht Spielen machte Prandelli jedenfalls weiter, wo Iachini aufgehört hatte, aus acht Partien holte La Viola gerade einmal neun Punkte (nur ein Sieg).

Und auch spielerisch veränderte sich nur wenig. Durch den undurchdacht zusammengestellten Kader ergeben sich auch für Prandelli nicht wirklich andere Möglichkeiten, als das 3-5-2-System beizubehalten.

Insbesondere in Spielen gegen tiefstehende Teams aus der unteren Tabellenhälfte hat Florenz seit längerem riesige Probleme im Ballbesitzspiel. Sobald auch nur der geringste Druck auf den eigenen Aufbau ausgeübt wird, wird der Ball lang in die gegnerische Hälfte geschlagen.

Dabei wäre das Mittelfeld der Fiorentina eigentlich prädestiniert für einen flachen Spielaufbau von hinten heraus. Mit Erick Pulgar oder Sofyan Amrabat stehen großartige Spieler im Kader, die die Verbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld bilden könnten.

 

Wie steht es um die Offensive der Viola?

Aber auch in der Offensive präsentieren sich die Violetten häufig ideen- und kopflos. Viele Angriffe werden überhastet aus der Distanz abgeschlossen, Gefahr für das gegnerische Tor entsteht entweder nach Einzelaktionen oder nach Flanken von Linksverteidiger Cristiano Biraghi.

Dabei hat Florenz mit Gaetano Castrovilli und Franck Ribéry zwei Spieler in den eigenen Reihen, die das Offensivspiel strukturieren könnten. In den meisten Spielen bleibt es allerdings beim Konjunktiv, wohl auch, weil Florenz ein klarer Plan fehlt.

Aber auch Konter und Standards haben sich in dieser Saison bisher nicht als Tor-Garanten für Florenz erwiesen. Obwohl Stürmer Dusan Vlahovic und Franck Ribéry ein ums andere Mal gefoult wurden, gelang Florenz noch kein einziges Standard-Tor.

Ähnlich sieht es bei Kontern aus: Durch die fehlenden Flügelspieler hat Florenz dort häufig keine Breite, die genutzt werden könnte. Dazu kommt, dass Franck Ribéry und Gaetano Castrovilli nicht besonders schnell sind – und so ist Stürmer Vlahovic häufig auf sich allein gestellt.

Apropos Dusan Vlahovic. Der erst 20 Jahre alte Serbe ist in Florenz mittlerweile zum Stammspieler gereift, insbesondere seine Fähigkeiten am Ball, seine Durchsetzungs- und Kopfballstärke tragen dazu bei, dass er regelmäßig den Vorzug vor Patrick Cutrone oder Christian Kouamé erhält.

Nur in einer Disziplin hat Vlahovic noch gehörig Luft nach oben: Der Serbe ist alles andere als cool vor dem Tor, allein in dieser Saison vergab er schon sieben Chancen mit einem xG-Wert von 0.3 oder höher.

 

AC Fiorentina: Die Vision fehlt

Wie es in Florenz weitergeht, ist nach dem erneuten Trainerwechsel im Jahr 2020 ungewisser denn je. Trotz großer Ankündigungen hat Commisso in Florenz bisher wenig verändert.

Weder nahm der Unternehmer große Summen in die Hand, um den Kader zu verstärken – noch wurden die Strukturen bei der Fiorentina nachhaltig zum Guten verändert.

Sollte sich nicht bald etwas grundlegendes im Verein verändern, ist es deswegen nicht besonders unwahrscheinlich, dass der AC Florenz weiter vor sich hin torkelt, von einem Trainer zum nächsten wechselt – und sich letztlich in die Tradition italienischer Chaos-Clubs neben Palermo oder Genoa einreiht.

(Titelbild: ©Getty Images)

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Simon
Wenn mich der Journalist bei Fußball Manager früher gefragt hat, von welcher Sportart sich der Fußball etwas abschauen kann, war meine Antwort stets: "Ich bin generell ein sehr sportbegeisterter Mensch."

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