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Wie gut war eigentlich… Guti?

Über José María Gutiérrez Hernández, allgemein bekannt als Guti, gibt es keine zwei Meinungen: Genial, spektakulär, fußballerisch begnadet – unvergessen seine Torvorlage, als er frei vor dem Keeper den Ball per Hacke zurücklegt (!), damit Benzema den Ball am verdutzten Keeper vorbeischieben kann.

Eine Aktion, die nach Erzählungen wohl bezeichnend für Guti war. 99 von 100 Spielern würden die naheliegende Lösung wählen: Selber abschließen. Doch der Linksfuß behält die Übersicht und spielt zu einem Mitspieler, der noch besser postiert ist.



Doch das ist nur eine von vielen überragenden Szenen, die sich in den Highlight Compilations des inzwischen 43-Jährigen finden. Aber der Blick der „Wie gut war eigentlich…?“-Serie geht natürlich über Youtube-Videos hinaus und ist vor allem eines: Argwöhnisch.

In den richtigen Videoausschnitten kann fast jeder Spieler gut aussehen. Klar, Guti wird sicher stark gewesen sein und geniale Momente gehabt haben.

Aber wahrscheinlich war er zu verspielt und schlichtweg nicht erfolgsstabil genug in seinen Aktionen, um ein absoluter Leistungsträger bei Real Madrid zu sein. Spektakulär spielen ist eben nicht alles.

 

Guti in der Analyse: Nicht immer spektakulär, aber erfolgsstabil

Das war natürlich falsch. Der Spanier spielte gar nicht so spektakulär. Guti war ein bedacht agierender Spieler, der nicht immer auffällig sein musste, um gut zu sein.

Stattdessen macht das Real Madrid-Eigengewächs viele kleine Dinge richtig: Er bewegte sich gut in freie Räume, ohne die Anbindung an die Mitspieler zu verlieren. Interessanterweise bewegte er sich sogar so, wenn der Gegner in Ballbesitz war. Während seine Mitspieler den Ball eroberten, suchte Guti sich eine Position auf dem Spielfeld, von der aus er bei einem Ballgewinn sofort anspielbar war.

Darin war er so gut, dass die ersten Pässe nach Balleroberungen Madrids auf den Spanier gingen, welcher sofort Tempo zum gegnerischen Tor aufnahm. Dabei halfen ihm besonders seine Vororientierung und sein technisch sehr sauberer erster Kontakt.

Bevor Guti den Ball bekam, wusste er schon, was er als nächstes tun würde. Den ersten Kontakt nahm er in seine Dynamik mit und konnte mit seiner engen Ballführung fast nur per Foul vom Ball getrennt werden.

 

Mit Dampf Richtung Tor

Eine große Stärke des Linksfußes war sein gezieltes Andribbeln. Statt nur seine Gegenspieler im berüchtigten Eins-gegen-Eins zu schlagen, richtete Guti seine Dribblings direkt zum gegnerischen Tor aus.

Der Gegner muss sich dadurch eng zusammenziehen, da von dem ballführenden Spieler im Zentrum die größte Gefahr für das Tor ausgeht – das wäre nicht so, wenn er am Flügel dribbeln würde. So eröffnen sich Räume für die Mitspieler rechts und links von ihm.


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Nun haben viele Spieler das Problem, dass sie den Ball im Konter zu früh auf den Flügel geben oder gar den Distanzschuss suchen, statt weiter zentral anzudribbeln. In Deutschland ist das ein kulturelles Ding – verlierst du den Ball im Dribbling, bist du ein Egoist. Spielst du einen Fehlpass, hast du nicht den Mut gehabt, mal „selber draufzuziehen“.

Guti kannte dieses Problem jedoch nicht. Geduldig wartete er, bis der Moment für den Pass da war. Erst dann spielte er zu seinem Mitspieler, der sofort zum Abschluss kommen konnte. Das ist nicht unbedingt spektakulär: Es kann aber den Unterschied darüber machen, ob du aus fünf Szenen vier Tore schießt oder nur eins.

 

Spektakulär UND erfolgsstabil geht aber auch

Aber, aber… in den Youtube-Videos macht der ganz andere Sachen, die viel cooler sind? Ja, die hat Guti auch gemacht. Ob es seine weiträumigen, balltragenden Dribblings waren, seine gechippten Bälle hinter die Abwehr oder seine brillanten Assists mit der Hacke – Guti konnte schon genial sein.


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Besonders bei seinem Passspiel zeigte sich seine Klasse: Aus tiefen Positionen, aber auch aus andribbelnden Momenten spielte er präzise Bälle zu seinen Mitspielern. Dabei chippte er die Bälle mit seinem linken Fuß oftmals leicht an, sodass diese sich perfekt in den Lauf seines Mitspielers drehten.

Dabei verpasste er kaum einen Laufweg seiner Teamkollegen. Seine unfassbare Übersicht zeigte sich ebenfalls in seinen Ablagen mit der Hacke, wo er Laufwege von Spielern bespielte, die in seinem Rücken starteten und die er maximal peripher und für einen ganz kurzen Augenblick wahrgenommen hatte – aber Guti konnte das.

 

Stärken & Schwächen von Guti: Mit Ball hui, gegen den Ball nicht so hui

Trotzdem hängt dem Linksfuß der Makel nach, die hohen Erwartungen an ihn nie ganz erfüllt zu haben. Aber was waren seine Schwächen?

Das Spiel gegen den Ball war nicht gerade die Stärke des Spaniers. Ja, er positionierte sich herausragend für Aktionen nach einem Ballgewinn. Dafür trug Guti nur selten dazu bei, dass der Ball erobert wurde.

Wahrscheinlich war das von seinen Trainern so vorgegeben und das hatte einen guten Grund: Guti war auch dann schwach gegen den Ball, wenn er sich bemühte. Besonders in den Spielen als zentraler Mittelfeldspieler zeigten sich seine Defizite.


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Das Real Madrid Eigengewächs verpasste Momente zum Herausrücken, sicherte seinen Partner im Mittelfeld nicht sauber ab und pendelte in seiner Zweikampfführung zwischen überaggressiv und zu passiv. Einzig im Gegenpressing zeigte er starke Momente – schade nur, dass das damals noch nicht fokussiert gespielt wurde.

 

Uneigennützig und mannschaftsdienlich

Bei Ballbesitz der eigenen Mannschaft hingegen zeigte sich Guti auf dem Feld sehr mannschaftsdienlich. Als linker Mittelfeldspieler bewegte er sich dynamisch ins Zentrum, um Platz für den nachrückenden Roberto Carlos zu schaffen. Und als Mittelstürmer zeigte er sich in hohen Zonen, damit im Mittelfeldzentrum Räume für Stars wie Zidane war.

All das hatte einen großen Vorteil: Guti musste nicht dominant spielen, um gut zu sein. Der Spanier brauchte nicht viele Ballaktionen – dafür half jede seiner Ballaktionen dem Spiel der Mannschaft weiter.

Doch es ist ein schmaler Grat zwischen „Er schafft Platz für seine Mitspieler“ und „Er hat heute nicht am Spiel teilgenommen“. In einzelnen Spielen tauchte Guti nahezu völlig ab. Der 43-Jährige war kaum in Angriffe eingebunden und wirkte nicht mannschaftsdienlich, sondern isoliert von der Mannschaft.

Ob das vom Trainer so gewollt war, keine Ahnung. Aber es kann nicht im Interesse des Trainers und der Mannschaft sein, dass ein individuell so starker Spieler so wenig am Ball ist.

 

Wie gut war eigentlich Guti? Nie ganz die Erwartungen erfüllt

In seinen insgesamt 25 Jahren bei Real Madrid spielte Guti mit Weltstars wie Zinédine Zidane, David Beckham, Rául, Roberto Carlos und Ronaldo zusammen. Mit den Galaktischen wurde er fünfmal spanischer Meister und gewann 3 (!) Champions League Titel.

 
>>> Lest auch: Wie gut war eigentlich… Roberto Carlos? <<<
 

Wesley Sneijder bezeichnet ihn als „wahrscheinlich besten Spieler, mit dem ich je zusammengespielt habe“. Guti war ein „phänomenaler Spieler“. Ein phänomenaler Spieler, der bei keinem der Champions League Siege auch nur eine Sekunde auf dem Platz stand. Bei zwei der drei Endspiele stand er nicht einmal im Kader.

Ein phänomenaler Spieler, der nur 14 Länderspiele absolvierte und nicht ein einziges Mal im Kader bei einer EM oder WM stand. Der Grund dafür? Nicht seine fußballerische Qualität, sondern sein Verhalten auf und neben dem Platz.

 

Gutis Verhalten war nicht immer so guti

Guti war ein Hitzkopf. Alleine in La Liga sah er siebenmal die Ampelkarte. Lief es nicht rund oder wurde er hart bzw. oft gefoult, war der Spanier schnell frustriert. Das wussten die Gegenspieler nach gewisser Zeit für sich zu nutzen – fußballerisch hatten sie keine Chance, also foulten sie ihn oder gaben ihm ein paar nette Worte mit.

Auch in der späten Phase seiner Karriere konnte Guti mit diesen Provokationen nicht umgehen. Entweder ließ er sich zu Frustaktionen hinreißen oder war so sehr am Hadern, dass er kaum noch am Spiel teilnahm.

Dazu kamen disziplinarische Probleme abseits des Feldes. Laut Wesley Snejijder sprach Guti in den ersten drei Monaten des Niederländers kein Wort mit ihm, weil er seinetwegen auf der Bank saß. Außerdem soll der Spanier laut Rafael van der Vaart „ein bisschen gesoffen, ein bisschen Party gemacht“ haben. Manchmal konnte man Guti beim Training ansehen, dass „er gestern einen schönen Abend gehabt hatte“, so sein alter Teamkollege.

2010 fand José Mourinho dann nach 26 Jahren Gutis bei Real Madrid keine Verwendung mehr für ihn. Guti wechselte daraufhin zu Besiktas, wo er von jubelnden Fans am Flughafen begrüßt wurde.

Doch nach nur einer Saison in Istanbul löste der Linksfuß seinen Vertrag mit sofortiger Wirkung auf, weil er sich dort nicht wohlfühlte. Nach gescheiterten Vertragsverhandlungen mit anderen Klubs beendete Guti schließlich 2011 mit 34 Jahren seine Karriere.

 

Ungenutztes Potenzial

Was von seiner Karriere zurückbleibt, sind etliche Highlights, die auf YouTube rauf- und runterlaufen: Hier ein Assist mit der Hacke, da ein genialer Lupfer und unnachahmliche Dribblings. Würde es in einer Fußballer-Karriere nur darum gehen, am Ende ein möglichst beeindruckendes Video mit tollen Szenen des Spielers machen zu können, Guti hätte eine überragende Karriere hingelegt.

Doch bei jeder Aktion bleibt ein bitterer Beigeschmack zurück: Wie gut hätte Guti sein können, wenn er diszipliniert gewesen wär? Wie gut hätte der Spanier sein können, wenn er nicht „ein bisschen gesoffen, ein bisschen Party“ gemacht hätte?

In seinen besten Spielen war Guti ein Weltklasse-Spieler. Ein Spieler, der sogar in einem Team mit Zinédine Zidane und Roberto Carlos die prägende Figur sein kann. Doch um auch in der Nachbetrachtung seiner Karriere als uneingeschränkt Weltklasse angesehen zu werden, fehlte es dem Spanier schlichtweg an Konstanz in seinen Leistungen.

Xavi und Iniesta haben an einem schlechten Tag drei Schulterblicke weniger gemacht und einen Fehlpass mehr gespielt. Guti machte an einem schlechten Tag drei Laufwege weniger und sah die rote Karte.

 
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(Guti Titelbild @Getty Images)


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Henri Hyna
Liebt guten Fußball und hasst jeden nicht guten Fußball. Versteht aber auch nicht genau, wie guter Fußball funktioniert

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