Philippe Coutinho durchlebt derzeit eine schwierige Phase. Für eine Rekordsumme von 140 Millionen Euro wechselte der 26-jährige Brasilianer im letzten Jahr vom FC Liverpool zum FC Barcelona.
Von den Medien als Iniesta-Erbe bezeichnet, lässt sich nach einem Jahr in Spanien konstatieren: Coutinho scheint im Spiel des FC Barcelona (noch) nicht vollends angekommen zu sein.
Dabei stimmten zumindest im ersten Halbjahr seine Zahlen: Da er in der Champions League aufgrund seines vorherigen Engagements bei Liverpools nicht spielberechtigt war, machte er in der Liga auf sich aufmerksam.
Dort erzielte der Brasilianer 8 Tore und bereitete 5 Tore vor. Abgesehen von drei Spielen, in denen er an einer Oberschenkelverletzung laborierte, bestritt er in der Liga jede Partie (18 von 21).
Was ist seitdem passiert?
Coutinho ist kein Iniesta
Zuerst möchte ich mit einem (meiner Meinung nach) großen Missverständnis aufräumen: Coutinho ist kein Iniesta-Ersatz. Beide sind klein, wendig, dribbelstark und halten sich gerne im linken Halbraum auf.
Coutinhos Bewegungsspiel jedoch ist teilweise überdreht und unpassend, seine spielmachenden Aktionen wirken manchmal improvisiert und seine Aktionen vor dem Tor sind stärker auf Durchschlagskraft fokussiert.
Um das ganze plakativ abzukürzen: Iniesta war ein Stratege, Philippe Coutinho ist es nicht. Coutinho zwingt dem Spiel seinen Rhythmus auf, um effektiv zu sein.
Iniesta gab den Rhythmus nicht nur vor, er konnte sich jedem Rhythmus anpassen.
Coutinho besitzt Probleme damit, statische Szenen einzuschätzen. Er wird aktionistisch und dribbelt in Räume, die (häufig von Messi) bereits besetzt sind.
In der Ballverteilung agiert er normalerweise äußerst vertikal, dies passt jedoch nicht zu den Angriffsbewegungen Barcelonas. Doch dazu später mehr.
Coutinho ist kein Dembélé
Diesen Schwächen schien Valverde sich bewusst zu sein und setzt ihn hauptsächlich als stark einrückenden linken Flügelspieler ein.
So kann sein mittelmäßíges Positionsspiel die Spielfortsetzung im Mittelfeld nicht stören, während seine Durchschlagskraft vor dem Strafraum optimal zur Geltung kommt. Oder?
Nicht ganz. Für einen ganz simplen LF mangelt es dem Brasilianer an Endgeschwindigkeit.
Im Gegensatz zum überzeugenden Dembele sucht er außerdem seltener den Weg in die Tiefe – Wege, die ein Lionel Messi sieht und mit perfekten Pässen bespielt.
Stattdessen rückt Coutinho in den linken Halbraum ein, aus dem er oftmals in die Mitte zieht.
Von dort mangelt es ihm allerdings an Anspielstationen: Messi macht immer seltener den Weg hinter die Kette und Suarez besetzt entweder selbst das Zentrum oder ist nach links ausgewichen, um dem Brasilianer Platz zu schaffen.
Coutinho ist Coutinho
Das spielerische Umfeld scheint für den 26-Jährigen in Barcelona bisher nicht optimal zu passen.
Der strategische Ansatz, eigene Angriffsaktionen lange zu vorbereiten, kommt seinem vertikalen Naturell nicht entgegen.
In Liverpool hatte er mit Mane und Salah extrem dynamische Flügelspieler vor sich, die nach Balleroberung direkt den Weg in die Tiefe suchten.
Die Pässe dorthin spielt Coutinho nur zu gern und zu gut. Außerdem stellte sein Landsmann Roberto Firmino die optimale Ergänzung zu ihm dar: Beide sind kombinationsstark, während Firmino mit seinen Laufwegen zusätzlich die Verteidigung binden oder auseinander ziehen kann.
Von den Laufwegen des Stürmers profitierte Coutinho, der mehr Platz und mehr Anspielstationen besaß.
Seine Schwächen im Bewegungsspiel fielen nicht so stark ins Gewicht, da der Spielaufbau geringere Bedeutung besaß und im letzten Drittel das Spiel auf Durchschlagskraft ausgerichtet war.
In Barcelona sind die Läufe Coutinhos mehr Zwängen unterworfen:
Messi ist frei von jeglichen Zwängen und muss ausbalanciert werden. Jordi Alba muss Platz auf dem linken Flügel geschaffen werden. Und Suarez weicht ebenfalls gerne nach links aus.
Licht?
Ich habe mir den Text mal bis hierhin durchgelesen und muss etwas revidieren: Coutinho ist kein schlechter Fußballer, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Wer ihn bei Liverpool und bei der WM 2018 spielen gesehen hat, der sah einen überragenden Fußballer.
Der Brasilianer kann seine Mitspieler mit traumhaften Pässen füttern. Chipbälle, Schnittstellenpässe, butterweiche Flanken: Seine Kreativität kennt keine Grenzen.
Die Ballführung und die Dribblingfähigkeiten sind technisch ebenfalls äußerst ansprechend.
Gelegentlich frustriert es mich, wenn er bei Barca wieder mit Ball in die Mitte zieht und aus der Distanz abzieht, obwohl mehrere Gegenspieler in der Schussbahn stehen. Doch das ändert nichts daran, dass seine Schusstechnik herausragend ist.
Wird dem Brasilianer zu viel Platz gelassen, erzielt er (normalerweise) Traumtor um Traumtor. Und damit kommen wir zu ersten interessanten Statistik: Coutinho erzielt in dieser Saison weniger Tore, als es seine Torchancen wert sind. (Stand: 15.02.19).
„Expected goals (xG) measures the quality of a shot based on several variables such as assist type, shot angle and distance from goal, whether it was a headed shot and whether it was defined as a big chance. Adding up a player or team’s expected goals can give us an indication of how many goals a player or team should have scored on average, given the shots they have taken.“
In allen Saisons erzielte der Brasilianer mehr Tore, als das Modell anhand seiner Torchancen berechnete.
Dieses Saison jedoch bleibt Coutinho unter den Erwartungen, nachdem er in der letzten Saison so stark überperformte wie noch nie.
Blickt man aber auf seine xG90, also wieviele Tore er pro 90 Minuten schießen „sollte“, erkennt man: Der Wert mit 0,30 in 18/19 übertrifft seinen Wert aus der Vorsaison (0,26) sogar.
Doch was kann den Barca-Fans noch weiter Hoffnung machen?
Mit Jordi Alba hat der Brasilianer eigentlich den perfekten Linksverteidiger als Partner.
Der Spanier besitzt eine unheimliche Dynamik und nutzt diese unermüdlich für Wege an der Außenbahn. Sein Timing ist dabei trotz der hohen Frequenz unheimlich gut.
Alba kann seinem Partner im Halbraum viel Raum schaffen, da der Gegner vor ein Dilemma gestellt wird: Verfolge ich Alba und lasse Coutinho viel Platz oder lasse ich Alba viel Platz und bleibe bei Coutinho?
Auf dem Papier funktioniert das Tandem der beiden überragend; bisher jedoch kann der Brasilianer daraus zu wenig Kapital schlagen.
Er versucht häufig die letzte Aktion zu machen, statt mit dem Pass auf den durchstartenden Alba auch mal die letzte Aktion „nur” einzuleiten.
Und damit haben wir den offensichtlichsten Grund für die schwachen Leistungen Coutinhos: Er befindet sich in einem Formtief.
Nicht der normale Coutinho
Er nimmt Laufwege nicht wahr, die er sonst sieht. Er spielt Fehlpässe bei Pässen, die er normalerweise sicher an den Mann bringt.
In statischen Szenen versucht er mit dem Kopf durch die Wand zu preschen. Und in dynamischen Szenen nimmt er Tempo aus dem Spiel und agiert auf Sicherheit bedacht.
Dazu kommt die ungewöhnliche Abschlussschwäche und zack, schreiben die Medien (und ich) darüber, warum es bei dir nicht läuft.
Während einige die Probleme nur im strategischen Ansatz Barcas und seiner Einbindung als Flügelspieler sahen, sahen andere wiederum die Probleme in einer Formkrise Coutinhos begründet.
Die Wahrheit ist wohl eine Mischung aus beidem: Ja, die Einbindung ins System Barcelonas ist nicht optimal auf seine Fähigkeiten abgestimmt.
Ja, das weniger vertikale Spiel der Katalanen liegt seinem Spielertypen nicht so. Doch all das würde bei einem Coutinho in Normalform deutlich weniger ins Gewicht fallen.
Doch wie kann sich der Brasilianer aus diesem Teufelskreis befreien? Ich könnte jetzt mit Floskeln um mich werfen, aber ich muss zugeben: Ich weiß es nicht.
Wenn jedoch Leo Messi, der beste Fußballer der Welt, ihm im extrem wichtigen Copa del Rey Rückspiel gegen den FC Sevilla beim Stand von 0:0 den Elfmeter überlässt (und er den sicher verwandelt): Dann ist das ein gutes Zeichen.
Und genau das macht mir Hoffnung. Nicht nur, dass Messi ihm anscheinend vertraut; der Argentinier kann im Prinzip jeden Spieler, jeden Laufweg und jeden nicht-Laufweg einbinden.
In einzelnen Szenen zeigte sich bereits, dass die beiden im Kombinationsspiel durchaus harmonieren.
Falls Coutinho das Endprodukt aus solchen Aktionen auf seine normale Konstanz bekommt, kann der erste kleine Schritt aus seiner Schwächephase bereits bald erfolgen.
Die Culés würden es ihm danken.
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