Sporting Lissabon hat es geschafft, beinahe eine gesamte Saison ungeschlagen zu bleiben. Dies gelang mit einer Mischung aus routinierter Abwehrarbeit, jungen Wilden und einem Trainer, der eine Art Geheimrezept gefunden zu haben scheint. Das Ergebnis war die erste Meisterschaft seit 19 Jahren.
Doch was zeichnete die Mannschaft aus? Welche Opfer mussten die Leões bringen und wer waren die Schlüsselakteure beim Titelgewinn der Hauptstädter? Wir blicken auf eine besondere Saison von Sporting CP.
Sporting CP: Der Ausbildungsverein schlechthin
Hingabe, Leidenschaft, Einsatz, Ehre. Vier Begriffe, die das Lebensgefühl des Sporting Clube de Portugal bestens beschreiben. Auf und abseits des Platzes. Nicht ohne einen gewissen Stolz prangern diese Wörter als eine Art fußballerisches Wandtattoo denjenigen an, der die Hallen der Jugendabteilung betritt.
Besagte Jugendakademie war nicht nur die erste, die im Jahr 2002 in Portugal eröffnete. Sie ist eine der Besten im Land. Höchstwahrscheinlich sogar in ganz Europa. Nicht umsonst ist Sporting der einzige Verein, der es geschafft hat, gleich zwei Ballon d’Or Sieger auszubilden: einen gewissen Cristiano Ronaldo und Luis Figo.
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Diese Jugendarbeit bildet nicht nur die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahre. Sie ist auch Baustein für die jetzt erreichte Meisterschaft. Immerhin kommen gleich fünf Stammspieler der aktuellen Mannschaft aus der hauseigenen Akademie.
Tätlicher Angriff bei Sporting Lissabon
Dabei stand es vor knapp drei Jahren gar nicht rosig um den Verein aus der portugiesischen Hauptstadt. Verdientermaßen schied man im Viertelfinale der Europa League gegen Atlético Madrid aus. Daraufhin setzte der damalige Präsident Bruno de Carvalho zum radikalen Rundumschlag an, beleidigte die Spieler und suspendierte sage und schreibe 19 von ihnen.
Wagemutig wehrte sich das Team gegen jegliche Vorwürfe. Was folgte, war jedoch noch schlimmer: Teile der eigenen Fans wandten sich gegen sie. Dabei trieben sie es auf die Spitze und stürmten maskiert das Trainingsgelände und prügelten auf Spieler, Trainer und andere Mitarbeiter des Vereins ein.
Der absolute Tiefpunkt der Vereinsgeschichte war erreicht. Spieler kündigten. Der Vorstand, mit dem Vorwurf konfrontiert, diese Attacke eingefädelt zu haben, legte sein Amt nieder. Nun war es an der Jugendakademie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich in der eigenen Liga profitabel zu werden.
Wie der Sporting-Trainer das Geheimrezept fand
Es musste jemand her, der mit einer klaren Spielidee eine spielfreudige, aber dennoch ergebnisorientierte Mannschaft in einem übernervösen Umfeld zusammenstellt und zusammenhält. Dieses fehlende Puzzlestück hat man in Coach Ruben Amorim gefunden – der ironischerweise jahrelang für den Stadtkonkurrenten Benfica die Schuhe schnürte.
Dieser beeindruckte mit einem überragenden Punkteschnitt bei Braga. Der betrug 2,38 und wurde dabei in gerade mal 13 Spielen erreicht. Für Sportings Verantwortliche reichte das allerdings, um satte 10 Millionen Euro für einen jungen Trainer auf den Tisch zu legen. Dabei verfügte er noch nicht einmal über die erforderliche Trainerlizenz und steht sogar im Verdacht, bei der Registrierung zu ebenjener Lizenz betrogen zu haben.
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Doch in seiner Geburtsstadt gelang es Amorim schnell Fuß zu fassen. Dabei standen die Vorzeichen nicht sonderlich gut, musste man Bruno Fernandes ersetzen, der zuvor Dreh- und Angelpunkt bei Sporting war. Der war gerade für 55 Millionen Euro in die Premier League zu Manchester United gewechselt.
Sporting CP: Gute Verteidigung durch Aggressivität und Leidenschaft
Die Königsdisziplin eines Trainers ist es, die perfekte Balance zwischen defensiver Stabilität und torgefährlicher Offensive herauszufinden und zu etablieren. Jährlich treten alle mit diesem Ziel an, die wenigstens erreichen es. Im Gegensatz zu Amorim in diesem Jahr.
In jeder Spielphase tritt Sporting Lissabon dabei höchst aggressiv auf. Gegen den Ball läuft die Sturmreihe hoch an, das zentrale Mittelfeld dahinter arbeitet oft mit Manndeckungen. Problematisch wird es nur, wenn dieses Pressing sauber überspielt wird und der Gegner somit auf die Abwehrkette zulaufen kann.
Zudem formierte man sich in einer Fünferkette, die zwar höchst reaktionär, aber dennoch wuchtig auftritt. Generell waren die zentralen Innenverteidiger und Torwart Antonio Adan besonders wichtig, die “jungen wilden” durch ihre Erfahrung quasi einzufangen. Eine Ausnahme in der Innenverteidigung bildet da noch Eduardo Quaresma, der allerdings auch über einen enormen Offensivdrang verfügt.
Amorim setzt die Stärken seiner Mannschaft perfekt in Szene
Auch wenn bekanntermaßen die Defensive Meisterschaften gewinnt, war die Offensive das klare Prunkstück Sportings. Das Positionsspiel ist gut und modern. Es wird aus der Dreierkette plus einem Sechser aufgebaut. Vier bis fünf Spieler binden durch geschickte Positionierung das gegnerische Mittelfeld. Ein klarer Vorteil der gewählten 3-4-2-1-Formation.
Diese Positionsfindung war wichtig, da Amorim den Ball schnell in die offensiven Halbräume verlagern möchte. Das geschah teilweise direkt aus der Abwehrkette heraus.
War der Ball im besagten Halbraum, wurde es für die Gegner extrem schwer, sich gegen die folgenden Angriffe zu stemmen. Immerhin lauerte dort der Spieler der Saison auf das Spielgerät.
Sporting Lissabon: Im letzten Drittel immer gefährlich
Pedro Goncalves spielte eine Bilderbuchsaison. Er war stets präsent, anspielbar, fand überragende Lösungen und war torgefährlich. Nicht umsonst wurde er mit 23 Toren Torschützenkönig.
Doch warum ist dieser Raum überhaupt so gefährlich? Stark zusammengefasst kann man sagen, weil sich nur noch wenige Gegner in vergleichsweise ungünstigen Positionen zwischen Ball und Tor befinden und man sie somit in eine Abwehraktion zwingt.
Warten sie ab, können sich günstige Gelegenheiten für einen Weitschuss ergeben. Verteidigen die Abwehrspieler nach vorne, öffnen sich Räume für Steckpässe. In beiden Disziplinen gehörte der Meister zu den führenden Mannschaften. Das machte das Offensivspiel teilweise sehr spektakulär und was noch wichtiger ist: immer gefährlich und unberechenbar.
Vom mulmigen Gefühl zur Meistermannschaft
Man merkt, dass der diesjährige Erfolg Sportings viele Bausteine hat. Erwähnenswert sind ebenfalls die Leistungen von Nuno Mendes, dem Dauerläufer auf der linken Seite, der bei der letzten Meisterschaft seines Vereins noch nicht einmal geboren war.
Aber auch Paulinho, immerhin Rekordtransfer des Ausbildungsvereins mit 16 Millionen Euro, spielte nach anfänglichen Schwierigkeiten eine immer größere Rolle. Genau wie Joao Mario, der leihweise von Inter zu seinem Jugendverein zurückkehrte.
Der Sporting Clube de Portugal hat es also geschafft, sich selbst innerhalb von drei Jahren vom Tief- zum absoluten Höchstpunkt hochzuarbeiten. Vielleicht war es mental auch ein riesiger Vorteil, dass diese Saison ohne Zuschauer gespielt wurde. Immerhin sagte Bruno Fernandes nach dem Vorfall von 2018, dass er jedes Mal mit einem mulmigen Gefühl ins Stadion einlief, während die Angreifer auf der Tribüne standen.
Diese Entwicklung gelang durch perfekte Transfers für den Platz und die Trainerbank. Diese wiederum harmonierten überragend mit den vorhandenen Spielern aus der Jugend, die natürlich auch über eine hohe Qualität verfügen.
Letztendlich darf man gespannt sein, wie lange man auf dieser Erfolgswelle schweben kann, gerade bei dem Ausbildungsverein schlechthin droht jederzeit ein Ausverkauf. Genügend Potenzial für den obligatorischen “nächsten Schritt” ist im gesamten Verein mehr als vorhanden.
(Titelbild: © IMAGO)
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